Frisches Laub und dicke Bären
Zu Besuch im alternativen Bärenpark Worbis. Ein Erlebnisbericht.
Am Gleis steht schon der Reginal Express zwei nach Erfurt, der uns an diesem schönen Donnerstagvormittag zu unserem Ausflugsziel bringt. In Leinefelde steigen wir um und fahren noch ein Stück mit dem Bus, bis wir in Worbis aussteigen und noch 15 Minuten zum Ziel laufen. Auf die Frage, ob das Gegenüber wohl den Bärenpark Worbis kennt, kommt oft ein „noch nie gehört“ zurück. Obwohl Worbis nur eine Stunde mit dem Auto oder anderthalb Stunden mit den Öffentlichen entfernt ist, kennt das hier in Kassel und Region scheinbar keiner. Total schade finden meine Freundin und ich, die einen schönen Tagesausflug nach Worbis im thüringischen Landkreis Eichsfeld gemacht haben. Die Bekanntheit des Bärenparks möchten wir gerne vorantreiben. Wieso es sich lohnt nach Worbis zu fahren, um die zehn Bären und jede Menge andere Tiere zu besuchen, wird schnell klar, sobald man sich einmal mit dem Park und seiner Mission beschäftigt hat. Denn hier haben die Wildtiere große und artgerechte Freianlagen und vor allem jede Menge Natur für ein schönes Leben. Die Bären, die wir hier besuchen gehen, sind entweder noch jung und verspielt wie die Bärengeschwister Asuka und Popeye oder schon alte Damen wie Conny. Neben den Braunbären lebt hier auch eine Bande Waschbären, die als Kleinbären ebenfalls im Park willkommen sind.
Viel Liebe zum Tier
Der Bärenpark hat sich – samt eigener Stiftung für Bären – den Schutz der Tiere auf die Fahne geschrieben. Hier können die Bären, die unter sehr schlechten Haltungsbedingungen von Zoos oder Zirkusgruppen litten, nun ein bärengerechtes Leben führen. Das gelingt auf knapp fünf Hektar, die sich die Bären auch mit zwei Wölfen teilen. Auf einer Fläche, die also etwa eineinhalb Mal so groß wie der Friedrichsplatz ist, leben die Tiere in einem schönen Wald, in dem sie stöbern und sich zurückziehen können. Darüber hinaus leben auch Bauernhoftiere wie Ziegen, Schafe und Hasen im Park. Nachdem wir also den Eintritt bezahlt haben, empfängt uns direkt der Geruch gut riechender Stalltiere. Die Schafe zuppeln am Gras, Hühnchen sitzen im Schatten und wir hören den Pfau rufen, der prächtig umher stolziert. Ich bin sehr begeistert von den Tieren und freue mich, dass sie neugierig gucken kommen. Vor allem in Streichelzoos kommen die Tiere meist einfach angerannt, reißen einem die Tüte Futter aus der Hand und rempeln kleine Kinder um. Das ist hier nicht der Fall. Die Tiere freuen sich, wenn man gucken kommt, können aber auch den Besucherweg verlassen und in Ruhe schlafen oder fressen. Ein Haufen weißer Tauben sitzt im Taubenschlag und gurrt. Die Hasen haben ein tolles Außengelände und liegen ausgestreckt im Gras.
Pädagogisch super aufbereitet
Als wir das Gelände der netten Bauernhoftiere verlassen, geht es weiter in den Park hinein. Unter großen schattigen Bäumen begrüßt uns direkt die erste interaktive Lernstation. Hier und im weiteren Verlauf vermitteln verschiedene Stationen was Bären essen, welche Bärenarten es gibt und wie stark Ameisen sind. Das regt sogar die Erwachsenen zum Ausprobieren und Lernen an. Besonders toll ist die Ameisen-Futterstation bei der regelmäßig kleine Ameisen zu Besuch sind, denen man durch eine Scheibe beim Futter tragen zusehen kann. Und auch die nächste Station macht richtig Spaß. Hier hängen an ausziehbaren Seilen kleine Holztafeln auf die Abbildungen von Müll gedruckt sind. Die gilt es nun in kleine Netze zu sortieren, die jeweils eine der gängigen Mülltonnen darstellen. Die Lösungen verraten uns, dass wir alles richtig gemacht haben. Wir gehen stolz weiter und entdecken einen tollen Erlebnispfad bei dem sich die Besucher und Besucherinnen ins Dickicht des Waldes schlagen können, um Tierspuren zu suchen. Wir zwar irren ein bisschen planlos herum, entdecken aber Kratzspuren an einem Baum und sind sehr motiviert noch weitere Hinweise zu entdecken. Durch unsere erhöhte Aufmerksamkeit erschrecken wir uns beide, als wir im Gelände die Luchs-Aufsteller finden. Meine Ausflugsbegleiterin, die bis hierher besonders aufmerksam gesucht hat, sieht die Luchsbilder sofort. Sie erschreckt sich, und macht mich darauf aufmerksam. Die Tiere sind zwar nicht echt, aber da wir nicht mit ihnen gerechnet haben, zucken wir doch kurz zusammen. Witzigerweise passiert uns das mehrmals als wir den Erlebnispfad entlang stiefeln.
Friedliche Bären im Wald
Bis wir vor den Bären stehen, die entspannt in Erdmulden liegen oder nach kleinen Melonenstücken suchen, haben wir schon längst das Gefühl, dass sich der Ausflug gelohnt hat. Die Bären toppen dann aber noch mal alles. Während ich die Tiere für kleiner als erwartet halte, traut sich meine Ausflugs-Kumpanin noch nicht an den Zaun. Sie hat ein bisschen Schiss und will daher nicht näher an die Tiere ran. Ich finde das zwar ein bisschen schade, kann sie aber auch gut verstehen, denn die Bären sind zwar kompakt gebaut, können aber umso schneller rennen, wenn sie wollen. Um die 50 Kilometer die Stunde, wie uns die Infotafel an der Rennstrecke im Hintergrund verraten hat. Die drei Bären, die nun vor uns durchs Gelände streifen, wirken glücklich und zufrieden. Sie laufen zwar nicht direkt am Zaun entlang, sind aber auch für meine Freundin nah genug dran, dass sie genügend sehen kann. Wir beobachten eine Weile aus verschiedener Entfernung die Tiere. Besonders begeistert bin ich von ihren Tatzen, die trotz des Körperbaus der Bären ganz weich und fein wirken. Eine kleine Tafel am Zaun informiert uns, dass die Freianalage hinter dem Hügel weitergeht und sich die Bären dort zurückziehen können. Im Bereich gegenüber springen die beiden Wölfe leichtfüßig umher und schnüffeln interessiert in die frische Luft. Sehr schön hier, wie wir finden.
Ein Päuschen zwischen netten Bären
Egal ob zum längeren Verweilen, Füße ausruhen oder Mittagspause machen: Im Wald gibt es Bänke und auch ein Bistro von dem aus sich die Bären beobachten lassen. Wir entscheiden uns für einen der Picknicktische und holen unseren Reiseproviant raus. Keine drei Meter neben uns, sucht einer der Bären nach weiteren Melonenstücken. Wir hören sein leises Schnauben, während er den Boden abschnüffelt. Zu uns gesellt sich eine Familie mit Kind. Der Junge freut sich tierisch, als er eine kleine Waldmaus entdeckt. Hier ist also alles in Ordnung; der Natur geht es gut. Das zeigt uns auch der Bär, der inzwischen mit seinem dicken Po über einen umgefallenen Stamm steigt und sich bei der Gelegenheit direkt am Bauch kratzt. Wir beschließen, eine ganze Weile sitzen zu bleiben und weiter die Bären zu beobachten. In kleinen Grüppchen kommen Besucher und Besucherinnen an uns vorbei, bleiben kurz und ziehen dann motiviert zu den anderen Tieren weiter. Immer wieder haben wir unsere Ruhe und können entspannt den Waldgeräuschen und Bären lauschen. „Einfach nur so da sein“, wie ich immer gerne sage: Das geht hier sehr gut. Weiter oben im Gelände hat sich einer der Bären in eine Erdkuhle gelegt, hält die Schnauze in die Sonnenstrahlen und schläft. Von meinem Platz aus kann ich ihn atmen sehen. Ich frage mich wie flauschig so ein Bär wohl ist und freue mich, dass er entspannt einschlafen kann, wann immer er will.
Weil´s so schön ist noch eine Runde
Weiter hinten im Park kommen weitere Bären, die wir besuchen können. Ich mache noch ein paar Fotos. Weil es uns so gut gefallen hat, beschließen wir direkt noch eine Runde zu drehen. Die Strecke ist kurz und daher gut mit Kindern oder auch mit alten Menschen zu bewältigen. Wer alles lesen und mitnehmen will, wird eine gute halbe Stunde unterwegs sein; bei Runde zwei geht das schneller. Ich möchte gerne noch mal durch den Park, um die schrecklichen Informationen auf den Tafeln zu vergessen, die einem zum Ausgang begleiten. Hier gibt es jede Menge Grausiges zu sehen und zu lesen. Das ist zwar wichtig, erschlägt uns und unsere Laune aber sehr unvorbereitet. Daher gucke vor allem ich, nachdem ich noch mal bei den Bären „getankt“ habe, doch lieber auf den Boden als wir erneut an den Tafeln vorbeikommen. Zuhause zeige ich die Fotos, die ich von den Bären gemacht habe, direkt meinen Eltern. Ich erzähle ihnen von der tollen Anlage, den netten Wildtieren und den gut riechenden Bauernhoftieren. Das Bildungsangebot bekommt von mir einen Daumen nach oben, trotzdem erzähle ich, dass man am Ende lieber vorsichtig sein sollte. Einige der Infos beschäftigen mich noch ein paar Tage. Aber auch die schönen Erlebnisse hallen nach. Wie gut es den Tieren hier geht, macht mich glücklich. Ich freue mich, dass ich einen schönen Tagesausflug hatte. Meine Freundin und ich nehmen uns vor noch mal zu kommen. Im Idealfall jetzt im Herbst, denn die Bären futtern sich dann für die Winterruhe voll und sollten daher viel durch den Wald wandern. Ich versuche mir bis dahin die Namen der Tiere zu merken, damit ich sie wiedererkenne. Den Tierpflegern gelingt das sehr gut.
Immer wieder ein kleiner Urlaub
Ich selbst bin über die sozialen Medien auf den Bärenpark aufmerksam geworden. Hier zeigt das „Bärsonal“, wie sich die Tierpfleger und -pflegerinnen nennen, alltägliche Einblicke in das Parkgeschehen. Zu sehen sind Fotos der Bären, Infos zu Veranstaltungen oder die Laura-Kolumne, in der Bärin Laura über ihr Leben im Park berichtet. So kann ich den Bärenpark immer wieder besuchen – wenn auch nur digital. Trotzdem ist es eine schöne Möglichkeit den Tieren und ihren Geschichten näher zu kommen. Ich freue mich schon auf den nächsten Besuch und hoffe, dass nun mehr Menschen den Weg nach Worbis fahren, um nette Bären, herumspringende Wölfe, freche Waschbären und freundliche Bauernhoftiere zu besuchen.
06.11.2022
Alternativer Bärenpark Worbis
Der Bärenpark Worbis ist ein Tierschutzprojekt der Stiftung für Bären und gibt Bären und Wölfen aus schlechter Haltung ein naturnahes Zuhause. Die Anlage verfügt über ein großes pädagogisches Angebot und vermittelt so jede Menge naturbezogenes Wissen für Groß und Klein. Die Tiere leben in großen artgerechten Freianlagen und haben jede Menge Wald zur Verfügung. Ein Bistro und jede Menge Bänke laden zum Verweilen und Bären-gucken ein.
Info: www.baer.de
Text: Paula Behrendts
Auch im StadtZeit Kassel Magazin, Ausgabe 112, Oktober/November 2022
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