Zeit für gute Lebensmittel
Von Bio-Lebensmsitteln aus der Region profitieren Mensch und Umwelt
Die Energiekrise lässt Verbraucher verstärkt zu Bio-Eigenmarken der großen Lebensmittelketten greifen. Gerade die klassischen Naturkostläden unterstützen dabei aber eine wirklich regionale und nachhaltige Landwirtschaft. Richtiges Einkaufen ist ein Schlüssel für die Lösung von Klimaveränderungen und Energieknappheit sowie für die regionale Wertschöpfung.
Als Spinner und Naturfreaks galten sie damals: Die Pionierinnen und Pioniere der Biobewegung. Als Anfang der 1970er-Jahre in Deutschland die ersten Bioläden entstanden, fristeten sie ein Nischendasein und wurden manches Mal belächelt. Ideologisiert und oft mit politischer Haltung verwoben, verkauften diese Geschäfte vor allen Dingen vegetarische Lebensmittel, die ökologisch hergestellt wurden. Als Treffpunkte für umweltbewusste Gruppen und Bürgerinitiativen waren sie Keimzelle und Multiplikator der heutigen Bio-Bewegung.
Seit den 1980er Jahren arbeiteten die Geschäfte effizienter und optimierten Arbeitsabläufe, erste Großhändler etablierten sich. In dieser Zeit entstand auch der Naturkostladen Quer Beet in Kassel-Nordshausen, einer der ersten Läden dieser Art in Nordhessen. Parallel dazu entwickelte sich die Ökologische Landwirtschaft weiter und 1998 gründete die Universität Kassel die Staatsdomäne Frankenhausen, ein Lehr- und Versuchs- und Transferzentrum mit eigener Direktverkaufsmöglichkeit für die Landwirte aus der Region.
Entwicklung des Biokonsums seit 2020
Biolebensmittel zu konsumieren ist bei vielen Verbraucher:innen selbstverständlicher geworden und die Coronakrise führte zu einem weiteren Schub der Nachfrage nach Lebensmitteln aus ökologischer Erzeugung, Laut Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) stieg der Umsatz um 15 Prozent und damit deutlich höher als im Lebensmittelhandel insgesamt.
Dann kam das Jahr 2022 und mit ihm der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die damit verbundene Energiekrise. Da der Biohandel grundsätzlich mit geringeren Margen als der konventionelle Handel arbeitet, ist es für ihn sehr viel schwieriger, die gestiegenen Kosten für Energie und Logistik aufzufangen, zumal die Nachfrage der Verbraucher:innen aufgrund von Inflation und Zukunftsängsten sinkt. Laut dem BioHandel-Umsatzbarometer des Bioverlags sind die Umsätze im Bio-Fachhandel im ersten Quartal 2022 um durchschnittlich 13,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Auch zwischen April und Juni sind die Umsätze eingebrochen. Es ist zu befürchten, dass diese Zahl im Laufe des Jahres zugenommen hat. Die Kund:innen kaufen weiterhin Bio, greifen aber verstärkt zu den günstigeren Eigenmarken der Supermarktketten. Dazu kommt, dass sich die Preisdifferenz zwischen Bio- und konventionellen Produkten deutlich verringert hat. Da die Kosten für chemisch-synthetische Pestizide und künstlichen Dünger in die Höhe geschossen sind, konnten die Bioprodukte aufholen, da diese bei deren Herstellung nicht zum Einsatz kommen. Milch und Butter aus konventioneller Herstellung waren zum Beispiel phasenweise teurer als ihr Biopendant.
Heimische Lebensmittel kaufen und damit Energie sparen
Ob man heimische Bioprodukte kauft oder nicht, macht auch mit Blick auf den Energieverbrauch einen großen Unterschied. Durch kürzere Lieferwege verbrauchen die Lastwagen weniger Treibstoff. Außerdem fällt der Energiebedarf für die Herstellung von Stickstoffdünger weg. Das macht ein bis drei Prozent des weltweiten Energieverbrauchs aus. Diesen Stickstoff gewinnt der Ökolandbau durch den Anbau sogenannter Leguminosen wie Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen, Soja, Klee und andere Hülsenfrüchtler. Die Pflanzen werden außerdem als Nahrungs- und Futtermittel eingesetzt und erhöhen den Humusgehalt im Boden, der dadurch klimaschädliches CO2 aufnimmt und die Erderwärmung reduziert. Zumal die Dünge- und Futtermittel oft aus Übersee kommen und sehr lange Transportwege hinter sich haben. Ebenso fallen Abhängigkeiten zu globalen Herstellern weg. Wie wichtig das ist, wird in der momentanen Lage besonders deutlich. Die Einkaufsentscheidung bei Lebensmitteln ist also ein elementarer Aspekt, die Erde vor dem Klimakollaps zu retten und Abhängigkeiten von Konzernen und Staaten zu verringern, wie am Beispiel der Ukraine zu sehen ist. Wenn der weltweit wichtigste Lieferant für Weizen ausfällt, sind die Auswirkungen desaströs. Darüber hinaus wird die eigene Region gestärkt und die Umwelt geschützt, Tiere artgerecht behandelt und das reif geerntete Obst und Gemüse schmeckt einfach besser.
04.01.2023
Text:
Gerrit Bräutigam
Auch zu lesen im StadtZeit Kassel Magazin, Ausgabe 113, Dezember/Januar 2022/23
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