Vater sein: ein Abenteuer des Herzens
Das Projekt “Mann wird Vater” unterstützt Männer in ihrer neuen Rolle. In den vielfältigen Veranstaltungsangeboten erhalten sie Beratung rund um das Thema Familie und tauschen sich untereinander über die Freuden und Herausforderungen des Vaterseins aus.
Ein Kind kommt selten mit einer Gebrauchsanweisung und dabei möchten auch Väter doch bloß nichts falsch machen.
Denn Vatersein bereitet einerseits große Freude, verbunden mit ebenso großen Glücksgefühlen, schürt gleichzeitig aber auch Unsicherheiten. Mal besteht das feste Vorhaben, alles genauso zu machen, wie der eigene liebevolle Vater. Oder der Wunsch, falls man das in seiner Kindheit so nicht erleben durfte, ganz anders zu handeln und physisch wie emotional für sein Kind da zu sein. Mit Gute Nacht-Geschichten, dem gemeinsamen Herumtoben und wieder selbst etwas Kind sein. Und dann kommen die schlaflosen Nächte, das Multitasking zwischen Familie, Beruf und eigenen Wünschen und Interessen. „Deine Vaterschaft ist eines der größten Abenteuer Deines Lebens!”, heißt es beim Projekt “Mann wird Vater”.
Damit oben zitiertes Anderswerden gut und erfüllend wird, begleitet das Projekt werdende Väter und Väter mit Kindern mit bis zu drei Jahren. Vielfältige Gruppen- und Beratungsangebote, wie die Geburtsvorbereitung für Männer oder Vater-Kind-Treffen oder gemeinsame Aktivitäten mit den Kindern, stehen auf der Agenda. Interessierte Väter erhalten im Projekt wertschätzende Beratung bei der Entwicklung ihrer väterlichen Identität und einer feinfühligen Erziehungskompetenz.
Hineinwachsen in die Vaterrolle
Damit es Eltern und Kindern miteinander gut geht, beraten und begleiten die “Frühen Hilfen”, ein Netzwerk aus vielseitigen Hilfsangeboten für Familien, Eltern ab der Schwangerschaft und Familien mit Kleinkindern.
“Mann wird Vater” wendet sich gezielt an die Väter. Denn die bestehenden Angebote richten sich meist vorwiegend am Wohl von Mutter und Kind aus. So fehlen in den Frühen Hilfen vermehrt männliche Fachkräfte als konkrete Ansprechpartner ebenso wie spezielle Angebote für Väter und die stärkere Einbeziehung der väterlichen Sichtweise in bestehende Angebote. Dabei stellt das Gründen einer Familie natürlich auch für die Väter eine neue Rollenanforderung dar, in die sie hineinwachsen.
Die Angebote von “Mann wird Vater” gehen auf die Väterperspektive ein. So laden die offenen Impulsabende zum Austausch über all die Themen ein, welche die Väter gerade beschäftigen. Sei es die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die eigene Partnerschaft. Zugleich bildet “Mann wird Vater” sogenannte Väterlotsen aus, welche die Männer bei Vätertreffen untereinander vernetzen. Die Väterlotsen organisieren zudem Vater-Kind-Treffen in Familienzentren und unternehmen gemeinsam Ausflüge auf den Spielplatz oder in den Wald.
Mehr Zeit für die Familie haben
“Väter können alles – außer stillen: Sie haben die emotionalen und kognitiven Fähigkeiten, die es braucht, um ein Kind zu umsorgen und sind eine wichtige Ressource in der frühen Kindheit”, sagt Christoph Lyding, der das Projekt in Kassel betreut. Denn Kinder profitieren nachweislich von einem anwesenden und aktiven Vater. Ihr Kümmern stärkt etwa die Entwicklung des Intellekts und Empathiefähigkeit des Kindes.
Zugleich stellt ein Kind das eigene Leben auf den Kopf und der Anspruch alles richtig zu machen, kann auch Druck erzeugen. “Oft fragen sich die Väter, wie sich ihr Leben nun verändert. Dann stellen sich Fragen wie: Kann ich noch so leben, wie ich will? Werde ich meinem Kind all das bieten können, was es braucht?”, berichtet Lyding. Laut dem Diplompädagogen habe das Selbstverständnis der Väter auch viel mit dem gesellschaftlichen Bild des Mannes als Versorger zu tun. Zwar verändere sich das Bild des „starken“ Mannes, also dem, der keine Ängste und Schwächen zeigt, trotzdem sei der Mann in der Familie nach wie vor allem der Ernährer. So arbeiten die meisten Väter in Vollzeit und verzichten zudem oftmals auf die ihnen zustehende Elternzeit, belegt 2021 eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ein Vater erzählt dazu: “Ich fühle mich manchmal innerlich zerrissen. Auf der einen Seite will ich meiner Familie ein finanziell unbeschwertes Leben ermöglichen, auf der anderen Seite fehlt mir die Zeit, meine Kinder aufwachsen zu sehen.” Lyding konstatiert: “Es ist wichtig, dass sich Unternehmen familienfreundlich ausrichten. Um eine gleichberechtigte Partnerschaft zu stärken, braucht es unbedingt ein Umdenken in der Arbeitswelt.“
Denn sind die Väter hauptsächlich für den Haupterwerb zuständig, so liegt die Hauptlast der Familienarbeit logischerweise bei den Müttern.“Bei einer solchen Konstellation bleiben die Väter ganz klar hinter ihren eigenen Ansprüchen an eine familienaktive Rolle zurück“, weiß Lyding.
Wertschätzende Unterstützung
Für die meisten Väter gehört die Geburt ihres Kindes zu den wichtigsten Augenblicken ihres Lebens, auf welchen sie sich ebenso wie die Mutter vorbereiten möchten.
In der Geburtsvorbereitung liegt der Fokus allerdings oft vor allem auf der Unterstützung von Mutter und Kind. Die Fragen, Ängste, Sorgen und Bedürfnisse der Väter nehmen bislang eine untergeordnete Rolle ein. Dabei stellten Beauftragte der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung fest, dass ein gut einbezogener Vater zu einer möglichst stressreduzierten Geburt beiträgt und dass eine gute Vorbereitung ihn währenddessen selbst vor einer Überforderung in der Geburtssituation schützt. Daher bietet “Mann wird Vater” offene Abende an, die auf die speziell auf die Fragen, Bedürfnisse und das Erleben der Väter eingehen.
Der Geburtsvorbereitungsabend für Männer schafft Raum für Gespräche über das Erleben der Schwangerschaft und der Zeit nach der Geburt. Hier erhalten die Väter hilfreiche Ratschläge, wie sie den Geburtsprozess gut und sinnvoll unterstützen können und üben mit einer Puppe das richtige Halten oder Wickeln eines Babys. Im gemeinsamen Austausch finden sie heraus, wie sie das Familienleben aktiv gestalten und gleichzeitig bei sich bleiben, wenn es stressig wird. “Manchmal bin ich einfach nur müde, da ist alles zu viel. Dann merke ich, dass ich meinen eigenen Ansprüchen an einen guten Vater leider nicht immer gerecht werden kann. Das ist frustrierend”, berichtet ein Vater.
Während der Vätertreffen teilen Väter ihre persönlichen Erfahrungen und Eindrücke miteinander. Dabei ist die Veränderung der Partnerschaft ein wiederkehrendes Thema. „Mit einem Kind ist man plötzlich nicht mehr zu zweit, da ist man vor allem Mutter oder Vater”, so Lyding. Ein junger Väter teilt seine Erfahrungen so: “Meine Partnerin und ich haben feste Termine für Dates ausgemacht. Das klappt dann doch nicht immer, aber so haben wir wieder viel regelmäßiger Zeit füreinander.“ Eine Aussage, die auch Christoph Lyding teilt. „Es ist wichtig, auch die Beziehung als Paar zu pflegen. Für eine unterstützende und kooperative Eltern- und Partnerschaft gilt es, die Stärkung der Elternbeziehung immer im Blick zu halten.” So entlasten die Beratungs- und Veranstaltungsangebote die Väter und somit die ganze Familie.
Denn so herausfordernd das Familienleben zeitweilig sein kann, so einig sind sich die Väter bei einer Sache: “Kinder öffnen das Herz”.
Väter im Spannungsfeld von Familie und Beruf
Das Netzwerk Väterarbeit Region Kassel lädt in Zusammenarbeit mit der evangelischen Familienbildungsstätte Kassel Väter zum Austausch über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Überwindung tradierter Rollenbilder ein.
Im Podiumsgespräch kommen Vertreter von Unternehmen und der Gründer des Väternetzwerk “conpadres”, Volker Baisch zu Wort und stellen Möglichkeiten einer familienfreundlichen Unternehmenskultur vor. In Workshops kommen die Väter mit geladenen Gästen mit diversen Beratungsstellen, wie dem Familienberatungszentrum oder der Vätergruppe Kassel, über die Rolle des Vaters und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Beruf ins Gespräch.
Fr., 30. Juni, ab 9:30 bis ca. 16 Uhr
FBS Katharina-von-Bora-Haus
Anmeldung bis Mo., 19. Juni: fbs.kassel@ekkw.de
Tel.: +49 561 15367
Kosten: 20 Euro, ermäßigt 10 Euro
Mann wird Vater
Das Projekt “Mann wird Vater” bietet Vätern in Kassel und Marburg seit 2021 in Gruppenangeboten, etwa bei offenen Vätertreffen oder in Geburtsvorbereitungskursen für Männer Unterstützung.
Das Angebot richtet sich an werdende Väter und Väter mit Kindern bis drei Jahre. Beratungs- und Coachingangebote bieten den Vätern bei Themen wie Elternzeit, Sorgerecht und Partnerschaft ein offenes Ohr. Die EKKW Evangelische Kirche Kurhessen Waldeck trägt dabei das Projekt und finanziert sich zusammen mit dem Land Hessen und dem Stadt- und Landkreis Kassel. Aktuell ist das Projekt auf vier Jahre mit der Option der Verlängerung angesetzt.
Frühe Hilfen
Die Frühen Hilfen richten sich an Eltern mit Kindern bis zu drei Jahren. Sie stellen Unterstützung bei der Entwicklung der Beziehungs- und Versorgungskompetenz. Dabei richteten sie sich insbesondere an Familien in belasteten Lebenslagen, wie Armutsrisiko und hohen Stressbelastungen und bieten präventive Hilfestellungen. So bieten Familienpatinnen und Paten beispielsweise Entlastung im Alltag. Zum Netzwerk gehören die Kinder- und Jugendhilfe, Fachleute im Gesundheitswesen, Schwangerschaftsberatung und Frühforderung. Dabei gibt es für jeden Stadtteil und Landkreis Koordinator:innen, welche die Familien gezielt unterstützen können.
16.06.2023