50 Jahre Putsch in Chile
Italien heute: Vom »historischen Kompromiss« zum historischen Rechtsruck
Dienstag, 17.Oktober, 19.30 Uhr im Café Buch-Oase, Germaniastraße 14, Kultursaal
Vortrag und Diskussion mit Susanna Böhme-Kuby
In keinem anderen Land wurde der faschistische Putsch in Chile so sehr als Herausforderung für die Strategie der Linken begriffen wie in Italien. Das lag auch an einigen Parallelen zur Situation in Chile. In Italien vereinten die Kommunistische Partei Italiens (KPI) als größte Partei der Arbeiter und der Linken und die christdemokratische Partei jeweils ca. 30% der Wähler hinter sich. Auch gab es vielfältige Erfahrungen mit reaktionären Wenden und einer hohen Gewaltbereitschaft bei der faschistischen Rechten und in Teilen der Armee und Polizei. Zudem strebte die KPI einen Weg zum Sozialismus ohne Bürgerkrieg an. Dafür reichte es nicht, die berühmten 51% für die Parteien der Linken bei Parlamentswahlen zu erreichen. Sozial musste verhindert werden, dass Teile des Mittelstandes nach rechts rücken, politisch, dass die kommunistisch und sozialistisch orientierten und die katholischen Teile der Bevölkerung sich konfrontativ gegenüberstehen, anstatt zu einer Verständigung über soziale und politische Fortschritte zu kommen. Diese Überlegungen brachte der damalige Führer der KPI, Enrico Berlinguer, bereits im Oktober 1973 auf die Formel eines »großen neuen historischen Kompromisses«.
Was ist daraus geworden? Der Befürworter des historischen Kompromisses auf Seiten der Christdemokraten, Aldo Moro, wurde bereits 1978 ermordet. In den 1990er Jahren ‚verschwanden‘ die potenziellen politischen Akteure dieses Vorhabens. DC und Sozialistische Partei versanken in Korruptionsaffären und lösten sich auf, die KPI legte ihren Namen ab, die reformistischen Teile der Partei vereinigten sich mit Teilen der Christdemokratie im sozialliberalen Partito Democratico. In der Zeit von 1994 bis 2011 war Berlusconi viermal Ministerpräsident, die Parlamentswahlen im September 2022 gewannen bei einer Wahlbeteiligung von 64% die Rechtsparteien, die Ministerpräsidentin wird von der rechtsradikalen Partei Fratelli d’Italia gestellt.
In der Veranstaltung sollen die Ursachen dieser Entwicklung erörtert werden. Vor allem muss es um die Frage gehen, wie die Linke in Italien ihren »historischen« Niedergang überwinden kann.
Susanna Böhme-Kuby lebt in Italien, hat dort fast vierzig Jahre lang an mehreren Universitäten Deutsche Literatur gelehrt und schreibt ab und zu für deutsche Medien über Italien (Blätter für deutsche und internationale Politik, Ossietzky u. a. ) und für diverse italienische über Deutschland.
10.10.2023