
Antirassistische Politik – ein Lippenbekenntnis
Antirassistische Politik bedeutet, die Voraussetzungen zu schaffen, unter denen demokratische Grundrechtsgarantien für alle Menschen verwirklicht werden. In der Realität wird dieser Anspruch hierzulande jedoch systematisch verfehlt. Nicht aus Unkenntnis, sondern aufgrund fehlender Bereitschaft, White Supremacy aufzugeben.
In den Köpfen vieler politischer Entscheidungsträger:innen ist das Denken in Kategorien von WIR und „den Anderen“ fest verankert. WIR steht dabei für weißdeutsche Menschen, und „die Anderen“ werden im gleichen Zug allesamt zu Fremden gemacht. So blieb auch in Kassel eine antirassistische Kommunalpolitik bislang nur ein Lippenbekenntnis.
Wer genau hinsieht, erkennt schnell: Wo in Deutschland Antirassismus draufsteht, ist in der Regel nur Integrationspolitik drin. Die Tatsache, dass die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung gleichzeitig auch für Migration, Flüchtlinge und Antirassismus zuständig ist, bestätigt diese Denkweise. Deutsche Menschen of Color werden dabei erst gar nicht mitgedacht. Aus staatlicher Perspektive ist Antirassismus also kein eigenständiges Politikfeld, sondern eine Art Anhängsel – ein Unterpunkt innerhalb einer paternalistischen Integrationslogik.
WIR kümmern uns um „die Anderen“
WIR finanzieren Integrationsprojekte – für „die Anderen“. Wie geht es danach weiter? Nicht unser Problem.
WIR fördern Empowerment-Programme, damit „die Anderen“ mit dem Rassismus klarkommen, den WIR nicht bereit sind abzubauen.
WIR unterstützen Kunstausstellungen und Diskurse über Rassismus, als könnten wir ihn aus sicherer, akademisch-künstlerischer Distanz bewundern – wie ein gesellschaftliches Kuriosum, von dem wir nicht betroffen wären.
Diese Haltung ist bequem. Sie schützt das Selbstbild der liberalen Mitte und lässt die Strukturen unangetastet. Rassismus wird zur Sache „der Anderen“ erklärt. Wir sind ja nur die wohlmeinenden Beobachter:innen. Das Wording verrät uns längst: WIR sind nicht von Rassismus betroffen, betroffen sind immer nur „die Anderen“.
White Supremacy bleibt unangetastet
White Supremacy wird stabilisiert und geschützt. WIR, die Profiteur:innen von Rassismus, ziehen uns aus der Verantwortung, die wir für Rassismus haben, und verlagern sie auf die negativ von ihm Betroffenen. Dieses Machtgefälle ist der Kern des Problems. Währenddessen belegen Studien und repräsentative Umfragen, beispielsweise der jährlich veröffentlichte Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor sowie die Jahresberichte der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, eine gewaltige Zunahme menschenverachtender Phänomene in Deutschland. Schließlich offenbarte die Studie „Being Black in the EU“ im Oktober 2023, dass Deutschland aktuell das rassistischste Land in der EU ist. Politische Maßnahmen gegen Rassismus sind also dringend erforderlich.
Kreisverband DIE LINKE Kassel-Stadt ruft Arbeitsgruppe ins Leben
Der Kreisverband DIE LINKE Kassel-Stadt hat auf seiner Mitgliederversammlung am 26. April 2025 einstimmig beschlossen, die politische Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte sowie aus BIPoC-Communities zu stärken. Ein Teil dieses Beschlusses beinhaltete auch die Gründung einer Arbeitsgruppe, die konkrete Maßnahmen für eine antirassistische Kommunalpolitik erarbeiten soll. Nun stellte die Arbeitsgruppe im ersten Schritt einen Maßnahmenplan mit konkreten Punkten vor, der aktuell in parteiinternen Gremien beraten wird.
Rassismus ist ein Gift. Hass ist ein Gift
Rassismus ist eine ideologische Denk- und Handlungsweise, über die unsere damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel 2021 am ersten Jahrestag des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau sagte:
„Rassismus ist ein Gift. Wir müssen alles daransetzen, um dieser verheerenden Ideologie den Boden zu entziehen.“
Heute, vier Jahre später, scheinen viele Fraktionen im Bundestag von diesem Gift befallen zu sein. DIE LINKE gehört jedoch nicht dazu, und der Kreisverband DIE LINKE Kassel-Stadt zieht mit einer klaren Positionierung gegen Rassismus in den bevorstehenden Kommunalwahlkampf. Die Zeit dafür ist längst überfällig.
05.07.2025
Beitrag des mittendrin Autors Thomas Hunstock
Herr Hunstock schreibt als Gastautor u.a. für die Berliner Zeitung und die taz.