„Eine Art Sustainable Valley kreieren“
Die Universität als Zukunftswerkstatt: Ein wissenschaftliches Zentrum für Nachhaltigkeit und 17 neue Professuren richten die Uni auf kommende Herausforderungen aus und machen die Stadt Kassel lebendiger und internationaler.
In Studiengängen wie Regenerative Energien und Energieeffizienz“, „Nachhaltiges Wirtschaften“, „Ökologische Agrarwirtschaft“, „Wind Energy Systems“ und „Umweltingenieurswesen“ ist die Uni Kassel im Bereich Nachhaltigkeit bereits breit aufgestellt. Um die bestehenden Kompetenzen zu bündeln und in Forschung und Lehre mit gutem Beispiel in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung voranzugehen, baut die Hochschulleitung ein Nachhaltigkeitszentrum auf.
Möglich wurde dieser Schritt unter anderem durch ein Programm der hessischen Landesregierung, mit dem 300 neue Professuren in Hessen eingerichtet werden. Auf Initiative des Präsidiums unter dem damaligen Präsidenten Prof. Dr. Reiner Finkeldey beschloss der Senat am 10. Juni 2020, mit den zusätzliche Professuren dieses Zentrum aufzubauen.
Zu der Idee inspiriert hatte Finkeldey auch die „Fridays for Future“ Bewegung und die damit verbundene Notwendigkeit jungen motivierten Menschen eine Perspektive für ihr Studium mit mehr Nachhaltigkeitsschwerpunkten geben zu können. Auch die Stadt Kassel profitiert dann vom Engagement der Studierenden, die gewillt sind, globale Perspektiven in lokale und regionale Kontexte zu bringen. Nachhaltigkeit sei aber eine Aufgabe nicht nur für Forschung und Lehre ist Prof. Dr. Ute Clement überzeugt, die seit dem 1. Oktober amtierende, neue Uni-Präsidentin ist. Ihr ist es ebenso wichtig, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Region zu transportieren. „Die Idee ist es, eine Art „Sustainable Valley“ zu kreieren. Stadt und Region sollen Anstöße im Bereich Nachhaltigkeit bekommen und umgekehrt an uns ihre Vorstellungen und Impulse herantragen. Die Uni kann damit einen wichtigen Beitrag für die nachhaltige Entwicklung Nordhessens leisten.“
Nachhaltig Wissen schaffen
Seit 2015 war Ute Clement Vizepräsidentin der Universität Kassel und zuständig unter anderem für die Graduiertenförderung. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der internationalen Berufsbildung, der Armutsbekämpfung, der Gestaltung von Ausbildungsbeziehungen in Betrieb und Schule in Ländern des globalen Südens, insbesondere in Lateinamerika. Nachhaltigkeit ist für sie schon lange ein bedeutendes Thema. „Wir müssen etwas tun und jeder und jede hat die Aufgabe, einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Als Universität liegt dieser in der Forschung, aber ich in der Weitergabe unseres Wissens und in der Ausbildung qualifizierter Studierender, die Veränderungen auf allen Ebenen bewirken können.“
Ute Clement ist auch Vorsitzende des Gründungsdirektoriums für das neue Nachhaltigkeitszentrum. Die wichtigste Aufgabe liegt zunächst in der Besetzung von vier Kernprofessuren bis zum nächsten Jahr. Soweit drei von den vier Stellen besetzt sind, wird das Gründungsdirektorium aufgelöst und die Arbeitsphase beginnt. Die Professuren sind international ausgeschrieben und für Forschende aus verschiedenen Gründen besonders attraktiv. „Die Möglichkeit an der Errichtung eines Nachhaltigkeitszentrums beteiligt zu sein und die Richtung vorzugeben zieht Professorinnen und Professoren auf der ganzen Welt an“, berichtet Ute Clement.
17 Nachhaltigkeitsziele diskutieren und vereinen
Auch die Besetzung der dann noch fehlenden 13 Professuren wird Aufgabe der vier ersten Professorinnen und Professoren sein. Alle 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die sogenannten „Sustainable Development Goals“ (SDGs) sind damit Teil des Nachhaltigkeitszentrums.
„Die zentrale Frage bei der Ausrichtung des Zentrums wird sein: Wie können wir Forschung zur Nachhaltigkeit in unterschiedlichen Bereichen zusammenbringen und Lösungen für nachhaltige Entwicklung finden finden, sodass wir auch in 100 Jahren noch gut auf diesem Planeten leben können? Und: Was brauchen wir dafür in Forschung und Lehre?“, sagt Clement.
Die Universität Kassel zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sie ein breites Angebot in verschiedenen Bereichen wie etwa Natur, Technik, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft bietet. Dies ermöglicht es, Nachhaltigkeit inter- und transdisziplinär zu betrachten, sie in alle Felder der Forschung zu integrieren, mögliche Konfliktfelder zwischen den einzelnen SDG-Bereichen zu diskutieren und Lösungen dafür zu finden.
Mehr Internationalität und neue Räume
Mit Hilfe der neuen SDG-Professuren schafft die Universität künftig bis zu zehn neue Studienangebote in der Lehre. Machbar ist es darüber hinaus, dass Studierende innerhalb bestehenden Studiengänge einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit legen. Das bedeutet dann gegebenenfalls eine Verlängerung des Studiums um zwei Semester, verknüpft aber die reine Fachwissenschaft mit der Säule der Nachhaltigkeit. Auch internationaler soll es werden. „Besonders im Masterbereich wird es dann vermehrt englischsprachige Angebote geben. Die Professuren werden weltweit ausgeschrieben. Dadurch wird unsere Hochschule internationaler“, sagt Clement.
Auch räumlich ändert sich etwas. In Kürze wird auf dem Hauptcampus am Holländischen Platz ein neues Gebäude für Naturwissenschaften gebaut. Die Idee des Gründungsdirektoriums ist es, dass auch das Nachhaltigkeitszentrum einen Ort bekommt, an dem alles zusammenläuft und vereint wird.
Globale und lokale Nachhaltigkeit mit Zukunftsperspektive
Nordhessen zeichnet sich schon im Bereich erneuerbare Energien als Pionierregion aus. Die Stadt Kassel belegt für ihre Innovationskraft in dem Bereich nach einem Ranking für „Grüne Energiemeister“ des Energiekonzerns E.ON. Mit dem Fraunhofer Institut und dem Fokus auf Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik und Unternehmen wie SMA, bietet Kassel für Studienabsolventen viele Felder im Bereich grüner Energien, die eng mit der Forschung an der Uni verknüpft sind. Durch das Nachhaltigkeitszentrum fördern und bereichern Professorinnen und Professoren und Studierende dieses Angebot etwa auch in einer Übertragung auf den Bereich der Gesellschaftswissenschaften.
Bis es so weit ist, wird noch etwas Zeit vergehen. Auch ein passender Name fehlt dem Nachhaltigkeitszentrum noch. Vorschläge konnte jeder und jede bis zum 16. Juli einreichen. Über 180 verschiedene Vorschläge sind eingegangen, 15 sind in der engeren Wahl. In der nächsten Sitzung des Gründungsdirektoriums, wird weiter über einen passenden Namen diskutiert, ob es dann aber auch schon zu einer Entscheidung kommt, ist bisher noch unklar. Gewiss ist, dass es voran geht und das die Zukunft der Universität und auch der Stadt Kassel wichtige Schritte für eine nachhaltige Entwicklung bedeuten. „Stelle ich mir die Universität Kassel der Zukunft vor“, blickt Ute Clement nach vorn, „so wünsche ich mir vor allem einen lebendigen Campus mit einer richtig guten Forschung, innovativer Lehre und einer guten Vernetzung. Qualifizierte Lehrende und Studierende sollen einen substanziellen Beitrag für Veränderungen in der Stadt Kassel und der Welt leisten können.“
Autorin:
Johanna Lara Nöh
Auch zu lesen in der Ausgabe 106, Oktober/November 2021
>> hier zu lesen