Buchneuerscheinung
Im Schatten – Mit dem Buschtaxi durch Westafrika
“Braucht es ein Faible für die Apokalypse, um Westafrika zu bereisen?“ Das fragt sich der nordhessische Autor Thomas Bering, der 7.000 Kilometer von Cádiz in Spanien bis nach Conakry in Guinea zurücklegt. Meist im Buschtaxi, seltener im Bus oder auf Eselskarren, nochmal gut fünfhundert Kilometer zu Fuß.
Eine Überlandreise durch Länder, die sich auf den Abstiegsrängen der internationalen Wohlstandstabelle bewegen, und eine Suche nach dem Unbekannten, den Menschen, dem Leben in seiner rohen Form. Es ist auch eine Suche nach all dem, was man nicht über Westafrika erfährt, wenn es sonst nur Berichte über politische Instabilität, Bürgerkrieg, Armut, Elend und Ebola gibt.
Seine Reise wird zu einer Suche nach Antworten, um das lückenhafte und vage Bild von Westafrika zu füllen. Thomas Bering beschreibt es so: „Ich wollte den weißen Fleck auf meiner persönlichen Weltkarte erkunden und mit Begegnungen und Erfahrungen lebendig werden lassen.“ Eine dreieinhalb Monate dauernde Reise, kräftezehrend, manchmal hart an der Grenze des Erträglichen – durch eine Region, die allzu oft Ausgangspunkt von Fluchtgeschichten ist, aber auch immer wieder mit atemberaubenden Landschaften überrascht.
Richard Francis Burton hat auf die Frage nach den Beweggründen für eine seiner gefahrvollen Forschungsexpeditionen ins Innere Afrikas vor mehr als 100 Jahren einmal geantwortet: „Und die einzige Antwort ist… verdammter Narr, Dich reitet der Teufel.“ Die Risiken auf seiner Reise seien zwar nicht ansatzweise mit den Gefahren vergleichbar, die Burton im Afrika des 19. Jahrhunderts auf sich genommen habe. Dennoch berühre ihn dieses Zitat auf ganz eigene Weise, so der Autor. „Weil es für mich auf intensive Weise zum Ausdruck bringt, dass es ausreicht, eine Reise allein um ihrer selbst willen zu unternehmen. Ohne das Ziel vorher genau zu kennen, ohne zu wissen, was man vorfinden und erleben wird.“
Literarisches Roadmovie
Jenseits aller Widrigkeiten, die diese Reise mit sich bringt, steht für Thomas Bering eines definitiv fest: „Unterwegs auf den Straßen Westafrikas ist man den Menschen viel näher, sind viel mehr authentische und unmittelbare Begegnungen möglich als anderswo. Schon allein, weil meist keine touristische Infrastruktur vorhanden ist, sobald man die Westsahara und Mauretanien erreicht. Und wenn die Bevölkerung vor Ort kein Wasser und keinen Strom hat, was praktisch ständig der Fall ist, geht es dir als Reisendem eben ganz genauso.“
Sein Buch ist ein literarisches Roadmovie, das die harte Lebenswirklichkeit der Region in all ihren Facetten ungeschminkt schildert, oft bitterernst, aber immer auch mit einer Prise Humor. Thomas Bering berichtet von dubiosen Staatsstreichen obskurer Despoten, von Drogengeschäften für die Staatsfinanzen und dem Wahnsinn der Entwicklungszusammenarbeit. Von einem Straßenverkehr zwischen Gottvertrauen und Fatalismus, von Hotelruinen und deplatzierten Austernbars, doch auch von der Faszination der Nächte am Gambia River, den südamerikanisch angehauchten Vibes in Bissau oder den heilsamen Kräften einer monotonen Sahara-Durchquerung.
Er erzählt auch die sehr persönlichen Geschichten von den Entwurzelten, den Gestrandeten, den Hoffnungsfrohen und all denen, die nicht aufgeben. „Es ist beklemmend, die Geschichten der Fischer in St. Louis zu hören, wenn sie von schrumpfenden Fangmengen, immer größeren Risiken und häufigeren tödlichen Unfällen auf See berichten.“ Von denen künden auch die grünen Fischernetze auf den frischen Gräbern des Friedhofs.
Das alles berichten ihm die Pecheurs in St. Louis‘ Fischerviertel Guet Nadar vor der dystopischen Kulisse einer Strandzeile, deren Gebäude von immer stärkeren Stürmen schon halb weggerissen wurden.
Erschütternd war es für ihn, einem Menschen zu begegnen – hier ein Klempner aus Sierra Leone auf Jobsuche – der seinen ganzen Besitz, sein gesamtes Leben in einer Aktentasche mit sich herumträgt: Eine Rohrzange und ein zerknittertes Berufs-Diplom. Seine größte Hoffnung: Ein amerikanischer Baukonzern, der in Guinea Arbeitskräfte für Bauprojekte in Afghanistan und dem Irak anheuert.
Thomas Bering erzählt von den Menschen, die ihn mit ihrer bescheidenen, ehrlichen Art tief beeindrucken und ihm neue Facetten der Begriffe Reichtum, Wohlstand und Glück aufzeigen. Und von tiefer Demut vor den Möglichkeiten, die ein privilegiertes Leben in Westeuropa bietet. Und er beschreibt nicht zuletzt die gewaltige Anziehungskraft, die der südliche Kontinent entwickelt, obwohl vieles furchtbar klingt. Eine Anziehungskraft, die ihn auch nach seiner Heimkehr nicht loslässt.
Das Buch gibt es im Buch- und Onlinehandel. Weitere Fotos, Kalender & Printprodukte zur Westafrika-Reise gibt es auf der Website des Autors: www.thomas-bering.de