Mit Geld die Welt retten!
Sicherheit, Rentabilität, Liquidität – und Nachhaltigkeit. Auch in Kassel können Anlegerinnen und Anleger bei Banken, lokalen Unternehmen und Genossenschaften verändernde Entscheidungen über ihre Investitionen treffen.
Ein Beratungsgespräch bei einer Bank in Kassel. Rosi Kaufmann möchte gerne Geld für ihren Enkel Leon anlegen. Sie hat davon gehört, dass sie mitbestimmen kann, wofür ihr angelegtes Geld verwendet wird. Ihr liegt die Zukunft und die Welt ihres Enkels am Herzen, deswegen möchte sie mit ihrer Anlage Projekte unterstützen, die die Umwelt schützen und soziale Gerechtigkeit fördern. Im Gespräch mit ihrem Berater muss sie jedoch feststellen, dass dieser ihr nicht weiterhelfen kann. Frustriert verlässt sie die Bank.
So wie Rosi in unserem fiktiven Beispiel geht es vielen Menschen, die mitentscheiden wollen, welche Projekte mit ihrem Geld gefördert werden. Das Interesse an nachhaltigen Investitionen wächst und das ist gut so.
Die Wirkkraft des Finanzsektors im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung ist groß. Er kann mit Instrumenten und Produkten beeinflussen, wohin das Geld fließt. Banken können diese Kraft zur Veränderung nutzen und die Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit lenken. Doch was genau eine nachhaltige Investition ist und was nicht, darüber streiten sich mitunter die Gelehrten.
Finanzierung aktiv nachhaltig mitgestalten
Ein Beispiel für eine Bank in Kassel, die sich schon seit langem mit nachhaltigen Geldanlagen befasst, ist die Evangelische Bank. Den sogenannten „EB-Öko-Aktienfonds“ gibt es mittlerweile seit 30 Jahren.
Er gilt als einer der ersten bundesweiten Aktienfonds, der es Anlegern mit einem Fokus auf Klima und erneuerbare Energien ermöglicht, konsequent in nachhaltige Aktien zu investieren. Über die Möglichkeit hinaus, Geld für die Förderung ökologischer und sozialer Projekte anzulegen, ist es Kundinnen und Kunden auch bei der Führung eines Girokontos möglich, einen Bereich zu wählen, der ihnen besonders am Herzen liegt: kirchliche Arbeit, Kinder- und Jugendhilfe, Inklusion, Pflege und Gesundheit oder erneuerbare Energien.
Das Engagement im Bereich Nachhaltigkeit ist sowohl für die an christlichen Werten orientierte Kirchenbank als auch für Kundinnen und Kunden als auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter essenziell. „Als genossenschaftliche Bank ist uns die gelebte Partnerschaft mit Mitgliedern und Kunden besonders wichtig. Darüber hinaus unterstützen und fördern wir ihre Nachhaltigkeitsleistungen. Ein Beispiel: Alle zwei Jahre organisieren wir die Vergabe eines Nachhaltigkeitspreises“, berichtet Dr. Astrid Herrmann, Abteilungsleiterin für gesellschaftliche Verantwortung und nachhaltige Finanzen (Corporate Social Responsibility und Sustainable Finance).
Die Evangelische Bank hat einen strengen internen Kriterienkatalog und ein internes Rating festgelegt, nach dem beispielsweise Großkraftwerke, Waffenhandel, umweltschädliche Produkte, sozial unverträgliche Projekte, Gentechnik, industrielle Landwirtschaft und unfaire Geschäftspraktiken nicht finanziert werden. „Der Kriterienkatalog ist jedoch nur die Basis. Je nach Produkt integrieren wir weitere Nachhaltigkeitsaspekte. Dabei erweitern wir unser Produkt- und Dienstleistungsspektrum unter Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Gesichtspunkten“, fügt Dr. Astrid Hermann hinzu. Für sie gehen nachhaltige Investitionen also noch über die Festlegung interner Ausschlusskriterien hinaus.
Nachhaltig investieren als Prozess
Professor Christian Klein, zuständig für den Bereich Sustainable Finance an der Universität Kassel, findet, dass nachhaltige Finanzierung weniger ein konkreter Zustand, als viel mehr ein Prozess ist.
„Alles was ein Schritt in Richtung Erhalt dieser Welt für nachfolgende Generationen darstellt, ist für mich nachhaltig. Hierbei ist es wichtig, dass man bestimmte Bereiche nicht von vornherein ausschließt, nur weil sie auf den ersten Blick nicht nachhaltig erscheinen. Stahl zum Beispiel ist ein Produkt, das viele für nicht nachhaltig befinden und es deswegen für eine Förderung mit ihren Geldanlagen ausschließen. Dabei wird es eine Welt ohne Stahl nicht geben. Hier gilt es also zu überlegen, wie man Stahl ökologisch und sozial verträglich fördern kann“, sagt der Experte.
Auch andere Akteure spielen eine Rolle im Sinne einer nachhaltigen Finanzierung. Private Anlegerinnen und Anleger können auch Startups und kleine Unternehmen regional finanziell unterstützen und damit einen Wandel hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft antreiben.
Junge Ideen und grüne Energien unterstützen
Crowdfunding-Plattformen bieten dazu eine Möglichkeit. Bei allen Investitionen in kleinere Unternehmen, Startups oder Genossenschaften gilt es allerdings auch die Risiken zu beachten.
„Grundsätzlich ist eine nachhaltige Investition bisher als mindestens genauso sicher zu bewerten wie jede andere Geldanlage. Trotzdem ist es abhängig von der jeweiligen Branche und dem Unternehmen, inwiefern möglicherweise ein höheres Risiko besteht“, berichtet Prof. Klein. Privatpersonen können so etwa beispielweise über die Online Plattform „UNIKAT Crowdfunding“ der Universität Kassel Projekte und Start-Ups kollektiv finanziell unterstützen. Der Science Park, eine auf dem Gelände der Kasseler Universität errichtete Stätte für studentische Neugründungen zeigt, dass es sich lohnen kann, die Ideen junger Unternehmerinnen und Unternehmer zu finanzieren.
Ein Problem von Crowdfunding in Deutschland ist allerdings, dass es durch die stockende nationale Umsetzung einer EU- Verordnung keine einheitlichen Regularien gibt. So ist es momentan noch mit hohen Transaktionskosten und hohen Haftungsrisiken für die auf Unterstützung angewiesenen Unternehmen verbunden.
Über die Möglichkeit hinaus, via Crowdfunding Projekte direkt zu fördern, können Anlegerinnen und Anleger auch Anteile in Genossenschaften erwerben. Die Energiegenossenschaft „Bürger Energie Kassel & Söhre eG“ bietet Bürgerinnen und Bürgern so beispielsweise die Option, Genossenschaftsmitglied zu werden und dabei Geschäftsanteile zu erwerben. Hiermit fördern Investorinnen und Investoren den Ausbau erneuerbarer Energien und treiben eine nachhaltige regionale Entwicklung voran.
Forschung und Praxis entwickeln sich rasant
Generell wächst der Bereich der nachhaltigen Finanzierung in den letzten Jahren schnell und wird sich auch in den kommenden Monaten und insbesondere im nächsten Jahr weiterentwickeln. „Als ich 2013 in Kassel im Bereich Sustainable Finance angefangen habe, war das Thema noch in einer totalen Nische. Mittlerweile ist nachhaltige Finanzierung ein sehr zentraler Bereich und wird im Jahr 2022 nochmal an besonderer Bedeutung gewinnen, da es dann neue gesetzliche Vorgaben aus Brüssel geben wird. Dann sind Beraterinnen und Berater in Banken dazu verpflichtet, ihre Kundinnen und Kunden über die Ziele Ihrer Geldanlagen und damit auch explizit im Hinblick auf nachhaltige Investitionen aufzuklären“, sagt Prof. Klein.
Gemäß dem Jahresbericht des „Forum für nachhaltige Geldanlagen“ (FNG) gab es im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr im Bereich nachhaltiger Geldanlagen einen Anstieg von 25 Prozent. Nachhaltige Geldanlagen von Privatanlegerinnen und -anlegern wuchsen um 117 Prozent, nachhaltige Investmentfonds um 69 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Dieser regelrechte Boom motiviert mehr Menschen dazu, ihr Geld nachhaltig anzulegen, und löst auf Seite der Banken und Unternehmen einen enormen Zuwachs an Beratungsbedarf aus. Hier sind sowohl Banken und die gesamte Finanzwirtschaft als auch Universitäten gefragt, junge Menschen entsprechend auszubilden sowie das Know-how in nachhaltiger Finanzierung durch Forschung voranzutreiben.
„Die Universitäten haben die Aufgabe, die Forschung auszubauen, aber auch auf der anderen Seite Studierende auszubilden, die sich im Bereich Sustainable Finance auskennen und dieses Wissen dann in den Finanzsektor tragen können“, sagt Prof. Klein.
Mit diesem Wissen haben sowohl private Anlegerinnen und Anleger als auch Banken, Organisationen, Genossenschaften und Unternehmen die Möglichkeit, im Rahmen der Finanzwelt mit ihren Investitionen über die Entwicklung und den Erhalt des Planeten für nachkommende Generationen mitzuentscheiden.
Text: Johanna Lara Nöh
Sie sprach u.a. mit Prof. Dr. Christian Klein, Fachgebiet Nachhaltige Finanzwirtschaft am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel
Auch in der StadtZeit 107, Dezember/Januar-Ausgabe zu lesen >> hier