Offener Brief des Uni-Präsidiums an die OB-Kandidat/innen
Das Präsidium der Universität Kassel und die Universitätspräsidentin Prof. Dr. Ute Clement fordern die Kandidaten und Kandidatinnen für das Oberbürgermeister-Amt in einem offenen Brief auf, die Universität weiter zu stärken.
Die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Qualität Kassels als Oberzentrum mit Großstadt-Flair sei ohne die Universität nicht denkbar, schreiben sie: „In den nächsten Jahren kommt es darauf an, Kassel strategisch als Wissenschaftsstandort auszubauen.“
Das zukünftige Stadtoberhaupt sollte sich daher gemeinsam mit der Universität dafür stark machen, dass bereits erarbeitete Konzepte zu einer zukunftssicheren und nachhaltigen Regionalentwicklung nun gemeinsam mit Politik, Wissenschaft und Wirtschaft umgesetzt werden. Zweitens soll die Ansiedlung neuer ambitionierter Forschungsinstitute unterstützt werden – sowohl das documenta Institut als auch in anderen Wissenschaftsbereichen. Zur weiteren Steigerung der Attraktivität des Studienstandorts Kassel strebt die Hochschulleitung – drittens – eine Wohnraum-Garantie für Studierende an. Und zur Förderung erfolgreicher Bildungsbiografien in Kassel, soll – viertens – ein Bildungscampus in der Nordstadt mit Kita, Schulen, Universität und Erwachsenenbildung entstehen. Schließlich wünscht sich die Universität eine noch engere räumliche Verbindung mit der City. Die Potenziale einer räumlichen Verschränkung von Nordstadt, City und Universität müssen aktiv genutzt werden. Auch bei guten ÖPNV-Verbindungen, einem sicheren Radwege- und Fußgängerwegenetz sieht das Präsidium Luft nach oben.
Das Schreiben schließt mit der Frage, was die OB-Kandidat/innen für Wissenschaft und Universität tun wollen, welche Akzente der Zusammenarbeit sie setzen werden und mit welchen Vorstellungen, Ideen und Visionen sie auf die Universität Kassel zukommen. „Sehr gerne stehen wir für diesen Austausch zur Verfügung“, enden die Unterzeichner/innen Prof. Dr. Ute Clement, Kanzler Dr. Oliver Fromm sowie die Vizepräsident/innen Prof. Dr. Sonja Buckel, Prof. Dr. René Matzdorf und Prof. Dr. Michael Wachendorf ihren Brief.
Das Schreiben im Wortlaut:
Die Zusammenarbeit zwischen Rathaus und Universität hat in der Vergangenheit Innovation, soziale und gesellschaftliche Entwicklung und eine lebendige Kultur für Kassel entstehen lassen. Die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Qualität Kassels als Oberzentrum mit Großstadt-Flair ist ohne die Universität nicht denkbar. In den nächsten Jahren wird es nun darauf ankommen, Kassel strategisch noch stärker als Wissenschaftsstandort in den Blick zu nehmen.
Seit ihrer Gründung im Jahr 1971 ist die Universität in vielfältiger Weise und untrennbar mit der Entwicklung der Stadt Kassel verwoben.
– Die Stadt ermöglichte einen zentralen Campus, der die Universität in die unmittelbare Nähe zur Innenstadt rückte.
– Vielfältige Forschungs- und Lehrprojekte setzen sich in Natur, Technik, Kultur und Gesellschaft mit Herausforderungen in Stadt und Region auseinander.
– Gemeinsam gestalten Universität und Stadt die Transformation hin zu einer zukunftssicheren Gesellschaft. Über Forschung und Entwicklung trägt die Universität zur Innovationskraft der Wirtschaft in der Region bei und nimmt dabei insbesondere die nachhaltige Entwicklung in den Blick.
– Die Universität Kassel eröffnet Lebens- und Berufsperspektiven für tausende von jungen Menschen in verantwortungsvolle Positionen hinein und ermöglicht gerade in einer heterogen geprägten Stadt wie Kassel für viele den Bildungsaufstieg. Damit trägt die Universität zur Prosperität der Stadt in erheblichem Maße bei.
– Zum Beispiel die Kunsthochschule, aber auch Fachbereiche wie Architektur/ Landschaftsplanung, Verkehrsforschung oder die Ökologischen Agrarwissenschaften wirken strukturbildend in die Region hinein. Soziale Einrichtungen und Schulen arbeiten eng mit der Universität zusammen. Das Service Learning verbindet Studium und Ehrenamt. In gemeinsamen Einrichtungen unterstützen Stadt und Universität Gründungsaktivitäten, aber auch naturwissenschaftliche Bildung, Sport und kulturelles Leben in der Stadt. Durch öffentliche Vorlesungen, das Gasthörendenprogramm, die vielfältigen Kooperationen unserer Wissenschaftler:innen mit den Institutionen der Stadt und ihren zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie die Internationalität ihrer Mitglieder trägt die Universität zu einer kulturell attraktiven, lebendigen und liberalen Stadtgesellschaft bei.
– Nicht zuletzt ist die Universität eine der größten Arbeitgeberinnen im Stadtgebiet.
Als Hochschulleitung haben wir das Ziel, diese Kooperation zum Wohle der Stadt noch weiter auszubauen. Strategisch haben wir selbst zu folgenden Themen konkrete Vorstellungen zur Stärkung des Wissenschaftsstandortes Kassel:
Zukunftssichere Regionalentwicklung in die Umsetzung bringen
In verschiedenen Kooperationen und Projekten sind in den vergangenen Jahren zwischen Stadtgesellschaft und Wissenschaft Konzepte zur nachhaltigen Weiterentwicklung der Stadt und der Region entstanden. In der kommenden Amtsperiode gilt es nun, diese gemeinsam zu erproben und mittelfristig tragfähige Kooperationen zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft für deren konkrete Umsetzung zu entwickeln. Der Science Park kann hier als ein Beispiel für gelungene Kooperation gelten, die sich – in Form von Reallaboren – auch auf andere Felder der Forschung & Entwicklung ausweiten lässt. Der Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit der Universität und das Kassel Institute for Sustainability bieten dafür vielfältige Ansatzpunkte.
Forschungslandschaft Kassel erweitern
Die gute Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut IEE verweist auf die Potenziale eines künftigen Wissenschaftsstandortes Kassel. Das documenta-Institut soll nun möglichst rasch als unabhängiges Forschungsinstitut für Ausstellungsstudien etabliert und in einen produktiven Arbeitszusammenhang mit documenta Archiv und documenta gGmbH eingebunden werden. Unser Ziel ist, dass perspektivisch weitere Einrichtungen, zum Beispiel zu Ökologischer Agrarwissenschaft und zu resilienten Energiesystemen, hinzukommen.
Wohnraum-Garantie für Studierende ausloten
In Kassel lässt es sich gut leben. Eine Wohnraum-Garantie für Studierende könnte dies künftig auch öffentlich deutlich machen und einen echten Vorteil für den Universitätsstandort Kassel bieten. Gemeinsam mit Studierendenwerk, Stadt, Landkreisen und privaten Anbieter:innen sollten wir nach Formen suchen, eine solche Garantie schrittweise zu etablieren und so junge Akademiker:innen nach Kassel zu holen.
Bildungslandschaft Nord aufbauen
In Zusammenarbeit zwischen der Universität, dem Schlachthof und der Schule Hegelsberg sowie mit der Elisabeth-Knipping-Schule und der VHS kann im Norden des Hauptcampus eine Bildungslandschaft entstehen, die individuelle Bildungswege für eine sehr heterogene Bevölkerung anbahnt. Von der Kindertagesstätte über allgemeinbildende und berufliche Schulen bis hin zu Universität und Erwachsenenbildung würden so Angebote für erfolgreiche Bildungsbiografien für ganz unterschiedliche Bevölkerungsgruppen miteinander verknüpft werden.
Universität räumlich stärker mit der Stadt verschränken
Die Universität und die Innenstadt sollen sich künftig auch räumlich noch stärker verschränken. Die Einrichtung des Kassel Institute for Sustainability wird die universitären Aktivitäten in Richtung Innenstadt erweitern. Die geplanten Gebäude für die Naturwissenschaften entwickeln den Nordcampus. Darüber hinaus soll ein akademisches Forum als Außenstelle der Universität in der Innenstadt Ort der Begegnung mit Wissenschaft werden. Es gilt, die Potenziale dieser räumlichen Verschränkung von Nordstadt, City und Universität aktiv zu nutzen. Eine gute Erreichbarkeit des Campus mit Öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Rad und zu Fuß – auch aus dem Umland der Stadt – ist von vitaler Bedeutung für das Leben auf dem Campus nach der Pandemie.
Als Universität interessiert uns, was Sie als OB-Kandidat:innen für Wissenschaft und Universität tun wollen, welche Akzente der Zusammenarbeit Sie setzen werden und mit welchen Vorstellungen, Ideen und Visionen Sie auf uns zukommen. Sehr gerne stehen wir für diesen Austausch zur Verfügung.
gez. Das Präsidium der Universität Kassel
10.02.2023
Pressemeldung: