
Regionale Kreisläufe bringen uns allen etwas!
Ganz einfach die regionale Landwirtschaft fördern und zugleich etwas für Umwelt und Klima tun – das geht! Lieferdienste, die auf frische und regionale Produkte direkt vom Feld achten, setzen auf Bioqualität und engagieren sich gleichzeitig in der sogenannten Gemeinwohl-Ökonomie.
Es ist vormittags in Hübenthal, einer Siedlung nahe Witzenhausen. Der letzte Tau verflüchtigt sich auf den weiten, grünen Wiesen, die die Siedlung umgeben. In der Nähe plätschert ein Bach und ein paar Vögel singen. Es ist idyllisch ruhig in dem kleinen Ort. Einzig die schnellen Schritte und die konzentrierten Handgriffe eines Mannes, der in seine Arbeit vertieft ist, sind zusätzlich zu hören. Ein großer weißer Elektrolieferwagen mit dem Emblem des Grünen Boten steht vor einer imposanten Holzhalle. Das Auto wird mit grünen Kisten beladen. Vorne, dort wo bei anderen Autos der Beifahrersitz verbaut ist, ordnet der Fahrer fein säuberlich die Brote für seine Auslieferungstour. Er wird gleich wieder über die Dörfer der Umgebung fahren und die Lieferungen bei Bedarf bis zum Küchentisch tragen. Knapp 70 Kilometer umfasst das Liefergebiet des Grünen Boten, das ist gleichzeitig auch der Radius, aus dem die regionalen Produkte kommen, die vom Grünen Boten verkauft werden. Peter Lubberich einer der beiden Geschäftsleiter ist diese Begrenzung auf Nordhessen und Südniedersachen wichtig: „Wir verstehen unter Regionalität, anders als Supermärkte tatsächlich nur ein ganz kleines Gebiet. Dort kommen regionale Produkte häufig von viel weiter her, etwa aus Bayern oder Baden-Württemberg. Wir kennen jeden unserer Erzeuger persönlich. Wir sind oft vor Ort, wissen wie die Tiere gehalten werden und kennen die Wünsche und Sorgen der Menschen.“

Der Vorteil von direkt gelieferten Biokisten: Die Produkte werden nicht am Marktstand oder im Supermarkt zwischengelagert. Das sorgt für besonders frisches Gemüse. Foto: Grüner Bote
Produkte des alltäglichen Lebens, mit einem Klick
Der Grüne Bote liefert von Uslar bis Bebra, von Eschwege bis Bad Wildungen. Damit teilt er sich einen Teil des Liefergebietes mit dem Bio-Lieferservice Lotta Karotta, die in Nordhessen ein Gebiet zwischen Kassel und Bad-Sooden-Allendorf anfahren. Das Unternehmen aus Gleichen im Landkreis Göttingen ist ein reiner Familienbetrieb. Genauso wie der Grüne Bote bietet auch Lotta Karotta ein Vollsortiment an. Das bedeutet, dass über frisches Gemüse, Milchprodukte, Eier, Essig und Likören hinaus auch Trockenprodukte, Kosmetik, Getränke und Haushaltswaren wie Klopapier und Zahnpasta angeboten werden, die Grüner Bote bei Bedarf mit in die Kiste kommen. Steffi Heidenreich von Lotta Karotta erklärt: „Wer sich dafür interessiert, woher die Produkte kommen, kann auf unserer Website die Steckbriefe der regionalen Erzeuger finden. Die Region hat viel zu bieten, denn auch nicht heimische Pflanzen wie Beluga- oder rote Linsen, Quinoa und Kichererbsen wachsen im direkten Umland.“ Was nicht in der Region wächst oder produziert wird, kommt von biozertifizierten Unternehmen und vom Großhändler. Lotta Karotta bezieht die zusätzlich angekauften Produkte auch aus dem europäischen Ausland: „Wir legen großen Wert darauf, dass die Lieferketten möglichst kurz und komplett nachvollziehbar sind. Bei uns gibt es keine Flugware. Wenn Produkte von weiter wegkommen, dann ist das bei uns Schiffsware. Es ist wichtig zu verstehen mit welchem Aufwand und Emissionen Flugware verbunden ist und es ist für uns ein kleiner Hebel, kenntlich zu machen, zu welchem Preis das passiert. Das hilft den Menschen dabei eigenständige Entscheidungen zu treffen.“ Lotta Karotta engagiert sich in der Gemeinwohl-Ökonomie. Das bedeutet, dass der Betrieb der Gesellschaft einen Mehrwert bieten möchte, in dem er sich in Projekten für ein klimafreundlicheres Wirtschaften beteiligt und sich ehrenamtlich in Ernährungsräten betätigt: „Das Prinzip der Gemeinwohl-Ökonomie ist nicht die Maximierung des Gewinns; es geht darum sich zu fragen, was man zurückgeben kann: Unseren Kunden zum Beispiel wollen wir Transparenz und Kundenservice bieten aber wir fragen uns auch welche Preise brauchen unsere Lieferanten, damit sich etwa der Kohl auf dem Feld lohnt, welche Absprachen können wir dafür treffen? Da geht es um Planungssicherheit für die Betriebe“, sagt Steffi Heidenreich.

Um regionale Kreisläufe zu fördern, achten beide Lieferdienste auf faire Löhne für Mitarbeitende und Planungssicherheit für die Betriebe. Foto: Grüner Bote
„Wir kennen unsere Kunden“
Lotta Karotta, wie auch der Grüne Bote bieten weiterhin die Möglichkeit, Biokisten telefonisch zu bestellen, um älteren oder sehbehinderten Kunden die Bestellung zu erleichtern. Peter Lubberich freut sich, dass dieses Angebot den Menschen nachhaltig hilft: „Das macht uns besonders. Wir haben drei Kundenbetreuerinnen, die die Woche über von morgens bis abends erreichbar sind. Das gibt es in dieser Form kaum noch. Das schöne ist, dass sie die Kundinnen und Kunden kennen, sie wissen mit wem sie reden. Besonders für ältere Menschen auf dem Dorf, ohne Anbindung an einen Supermarkt ist das eine super Sache. Denn wir liefern selbst Getränkekisten bis nach Hause – und das auch in den vierten Stock.“ Den Grünen Boten gibt es seit über 40 Jahren. In der Gärtnerei mit Gemüseanbau entstand sehr bald die Idee den Verkauf am Marktstand aufzugeben und stattdessen Abokisten zu vertreiben. Familien, Einzelpersonen, Kitas oder Firmen bestellen täglich individuelle Biokisten oder auch vom Grünen Boten zusammengestellte Abokisten. „Die Kundinnen und Kunden haben natürlich die Möglichkeit in den Abokisten Produkte auszuschließen oder zusätzlich zu wählen. Wenn ich also keine Pastinaken mag, werden mir diese auch nicht geliefert“, erklärt Peter Lubberich. Besonders wenn es in der Nähe keine Möglichkeit gibt, Bioprodukte zu erwerben, ist die Kiste seiner Meinung nach eine klimaschonende Möglichkeit, denn: „Wir fahren zwar alles durch die Gegend aber der Individualverkehr wird viel weniger. So muss nicht jeder mit seinem Auto los, um einzukaufen. Das ist für Leute in der Provinz und für gestresste Familien gut. Zusätzlich können wir eine Frische anbieten, die kein Supermarkt er reichen kann. Wir verstehen uns als Netzwerk zwischen den Betrieben und der Kundschaft. Wir wollen damit eine Lücke schließen.“ Über die Region hinauswachsen wollen Lotta Karotta und der Grüne Bote nicht: „Die Basis sollte sein das Gleichgewicht zu halten und da bei authentisch zu bleiben“, meint Peter Lubberich.

Beide Lieferanten sind ihrem Ursprung als Bio-Gärtnereien treu. Ihr saisonales Gemüse kommt direkt vom Feld. Foto: Bioland-Gärtnerei Lotta Karotta
25.04.2025
Die Autorin Johanna Groß
ist Filmemacherin, Fotografin und Geschichtenerzählerin. Sie interessiert sich für die tiefen Belange menschlichen Lebens und beobachtet gern Alltagsmomente. Bibliotheken durchforstet sie mit Freude nach neuen Inspirationsquellen.
Diesen Artikel auch zu lesen in der StadtZeit-Ausgabe 123, Frühjahr 2025, S.14
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