Wem der öffentliche Raum gehört…
Von Andreas Schmitz
Für die Einen der große Genuss, für die Anderen eine nervende Belästigung:
das Rauchen. Ein Diskussionsbeitrag.
Die Frage ist eigentlich schnell beantwortet: Natürlich gehört der öffentliche Raum allen. Der öffentliche Raum, das sind unsere Straßen, Plätze, Wege, Grünanlagen und Parks, die allen zur gleichen Nutzung zur Verfügung stehen.
Ganz so einfach und harmonisch scheint es aber dann doch nicht zu sein, wie sich am mittlerweile sehr beliebten Rudolphsplatz zeigt. Vor über zehn Jahren hatten sich Anwohner, Bürger aus dem Vorderen Westen und der Verein Kassel-West e.V. dafür eingesetzt, dass aus der riesigen Asphaltwüste des “Verkehrsknotens” Germania-/Goethestraße ein für alle nutzbarer Platz wird: der heutige Rudolphsplatz. Mittlerweile sind der Platz und die anliegende Gastronomie okkupiert von Raucherinnen und Rauchern.
Im Bevölkerungsdurchschnitt sind nur noch 22 bis 27 Prozent, je nach Untersuchungsmethodik, der Bevölkerung intensive oder gelegentliche Raucher. Nach meiner nicht repräsentativen Erhebung sind von denjenigen, die sich auf dem Rudolphsplatz aufhalten, aber 80 Prozent und mehr Raucher. Chancen, dort an einem milden Herbsttag den Sonnenuntergang zu genießen, hat man nicht, setzt sich jemand an den Nachbartisch und steckt sich ungeniert eine Zigarette oder, was besonders cool ist, gar eine Zigarre an. Der vorsichtige Hinweis, man möchte gerne an der frischen Luft und nicht in Abgasfahnen sitzen, wird schroff gekontert: „Hier darf man rauchen. Setzen Sie sich doch woanders hin.”
Rauchende Spaßbremsen nehmen einem die Freude, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten. Allem Anschein nach hat hier eine Minderheit den öffentlichen Raum okkupiert und die große Mehrheit von der Nutzung vertrieben. Mit Rücksichtnahme scheint es ja nicht zu funktionieren. An windstillen Sommerabenden liegt eine Dunstglocke von Zigarettenrauch über dem Rudolphsplatz, so dass Nachbarn die Fenster nicht mehr öffnen.
Das Verbot für die Einen
ist die Freiheit für die Anderen
Die Diskussion in Deutschland scheint absurd. Als letztem Land in der EU – auch in Bulgarien ist mittlerweile die Tabakwerbung verboten – wird hier auf großen Plakaten der coole Lebensstil des Rauchens propagiert. In anderen Ländern wie den Niederlanden, Frankreich und Skandinavien wird die Qualität des öffentlichen Raums und die Nutzbarkeit für alle ganz anders gesehen: In Paris darf auf den etwa 500 Spielplätzen und in 52 Parks nicht geraucht werden, weitere Grünflächen sollen hinzukommen. Außerdem sollen 19 rauchfreie Straßen eingerichtet werden. Das Bußgeld bei Zuwiderhandeln beträgt 38 Euro. In Schweden gelten seit dem 1. Juli 2019 strenge Nichtraucherschutzgesetzte: Das Rauchen ist in Straßencafés und Restaurants mit Außenanlage genauso verboten wie in den Innenräumen. Es dürfen draußen auch keine Raucherecken eingerichtet werden. Neben Türen, die von der Öffentlichkeit genutzt werden, gilt ebenso Rauchverbot. In Rotterdam und Gronningen sollen ganze Straßen rauchfrei werden, auch wegen der rumliegenden Kippen. In Neuseeland soll das Rauchen in der Öffentlichkeit bis 2025 gänzlich verboten werden.
Ein rauchfreier Rudolphsplatz für unser bestes Zuhause
Die Überlegung zu rauchfreien öffentlichen Räumen sollte auch hier geführt werden. Rechtsgrundlage ist, solange Bund und Land nicht tätig werden, die Gefahrenabwehrverordnung der Stadt Kassel. Wenn alkoholfreie Zonen beschlossen werden können, ist dies erst recht mit rauchfreien Zonen möglich. Die Gefahrenlage, gerade für Dritte, ist hier viel größer. Zwar scheint ein generelles Rauchverbot, beispielsweise an allen Haltestellen, nicht durch kommunale Satzung möglich. Dies ist möglich, wenn die Verkehrsbetriebe das Hausrecht haben. Singuläre Rauchverbote sind allerdings nach einer Expertise des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags auf Grundlage kommunaler Gefahrenabwehrverordnungen möglich.
Irgendwie ist es auch anachronistisch: Freitags gibt es Demonstrationen gegen den Klimawandel, also vordringlich gegen Luftverschmutzung, und auf dem Rudolphsplatz ist die Welt am Donnerstag stehen geblieben.
Diskriminierungsfreie
Außengastronomie
Um Außengastronomie einzurichten, bedarf es einer Sondernutzungserlaubnis. Die Außengastronomie am Rudolphsplatz hat einen immensen Standortvorteil durch die Investitionen der öffentlichen Hand in den Platz. Deswegen sollte es doch selbstverständlich sein, dass in den Sondernutzungsgenehmigungen die Nutzbarkeit der Lokalität für alle festgeschrieben wird: also als Nichtraucherbereich und damit diskriminierungsfrei.
Wie weiter?
Was in anderen europäischen Städten umgesetzt wird, sollte auch in Kassel möglich sein. Oder wird freitagsabends ein hoher Repräsentant unserer Stadt, in der rechten Hand eine Bratwurstbrötchen, in der linken eine Zigarette, auf dem Rudolphsplatz stehen und unser bestes Zuhause loben? Abwarten und abends auf dem Rudolphsplatz ein Glas Wein trinken. Ab November gilt zumindest im Chacal ein ganzabendliches Rauchverbot.
Andreas Schmitz ist Anwohner am Rudolphsplatz und war 13 Jahre Vorsitzender von Kassel-West e.V.