Geschichte und Geschichten zweier bezaubernder Landschaftsparks in Nordhessen
“Immer wieder freitags…”: Die Serie des Vereins der Gäste- und Museumsführer in Kassel und Region e.V.
Nordhessen ist grün. Entspannung , Erholung und Entschleunigung sind hier leicht zu finden. Allein die Park- und Gartenlandschaft in Kassel bietet sehr viele Möglichkeiten zu flanieren und zu staunen.
Doch auch unsere Region erzählt Geschichten, die uns in vergangene Zeiten führen und in ehemals prächtige Parkanlagen. In zwei dieser Landschaftsparks, bzw. -gärten möchte ich zum “mal wieder“ Flanieren einladen. Bei einem realen Besuch benötigen wir zwar eine Portion Vorstellungsvermögen und Fantasie, bekommen aber in beiden Landschaftsparks in Form von Informationstafeln genug Hilfe und Unterstützung durch abgebildete Gemälde und Erklärungen. Auch Hirschfelds: „Theorie der Gartenkunst“ ist ein optimales Rüstzeug für unsere Spurensuche, um zu entdecken und wieder aufleben zu lassen. Wir bewegen uns in der Zeit der frühromantisch sentimentalen Anlagen, ab den 1770er Jahren, in denen Gartenkünstler und Architekten mit Abwechslung und Überraschungseffekten Parks in natürlicher und architektonischer Form gestalteten. In den Landschaftsparks entstanden Kleinarchitekturen/Ruinen/Staffagen, Plätze und Gewässer. Sehr oft wurden für die gestalteten Szenerien Themen wie Liebe, Freundschaft, Tod und Trauer gewählt. Die Anfänge der Entstehung von Landschaftsgärten sind in einer geistigen Bewegung zu finden, weitere Vorbildfunktionen hatten die Bilder der Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts schreiben Modrow und Gröschel: „Im Landschaftsgarten sind somit die Vorstellungen idealer Natur in „begehbaren Bildern“ realisiert, die den klassischen Landschaftsdarstellungen der Dichter und Maler nachempfunden sind.“
Beide vorgestellten nordhessischen Landschaftsparks, die auch in den NVV Wandern & Radeln Broschüren 2016 bzw. 2020 enthalten sind, strahlten in ihrer Zeit über die Region hinaus, so das sie auch die „Kleine Wilhelmshöhe“ und das „Hessisches Sanssouci“ genannt wurden.
Im südlichen Habichtswald, in Riede, einem Ortsteil von Bad Emstal in 25 Kilometer Entferung von Kassel finden wir den Landschaftspark Riede, die „Kleine Wilhelmshöhe“. Lucius Burckhardt unternahm dort 1976 mit Studenten der damaligen Gesamthochschule Kassel (seit 2002 Universität) den Ur-Spaziergang seiner „Spaziergangswissenschaft“ (Promenadologie).
Das alte Rittergeschlecht derer von Meysenbug, ließ in Riede 1563 ein Renaissanceschloss erbauen, das im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut und erweitert wurde. Nach dem Tod Heinrich von Meysenbugs (1742-1810) fiel das Lehen an den Landesherrn zurück. 1815 übertrug Kurfürst Wilhelm I. das Schloss seinem Sohn Wilhelm II, der es in Stand hielt. Nachdem Wilhelm I. seinen Sohn 1819 für vier Wochen samt Mätresse Emilie Örtlöpp dorthin verbannt hatte veräußerte Wilhelm II. das Schloss an den Kammerherr Rudolf von Buttlar zu Elbenberg (1802-1875) und dieser machte ein Familienfideikommiss daraus. 2007 wurde das renovierungsbedürftige Schloss an neue Privatbesitzer verkauft und bis 2014 mit Hilfe öffentlicher Fördermittel und dem Verein zur Förderung von Schloss Riede totalrenoviert. 2012 wurde es mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz ausgezeichnet. Heute befinden sich im Schloss drei separate Wohnungen auf drei Etagen, aber nicht alle der 62 Räume des Baus werden bewohnt. Die Wirtschaftsgebäude des Schlosses sollen als letztes renoviert werden. Im Schlossgarten sind der Gutshof, das Verwalterhaus, die Burgscheune und der ehemalige Klostergarten in ihrer historischen Substanz erhalten geblieben. Das Schloss kann derzeit nicht besichtigt werden.
Für die Besichtigung des Schlossgartens ist eine Anmeldung beim Förderverein erwünscht. Dieser Schlossgarten mit auch heute noch beeindruckenden Baumbestand grenzt direkt nördlich an das Schlossgebäude und bildete den gärtnerisch gestalteten Bereich des Landschaftsparks. 2010 folgte die Restaurierung der Wasserspiele und die Teufelsbrücke ist wieder in ihren ursprünglichen Basaltsteinverbund zu erleben. Nördlich des Schlosses steht der Erinnerungsstein, der Bezug nimmt auf einen Besuch der Familie Landgraf Wilhelm IX. im Juli 1789. Während des 2. Weltkrieges wurde das Denkmal vom Waldrand in den Schlosspark versetzt.
Westlich des Schlosses befindet sich die Offenlandfläche mit dem Tiergarten vor dem Waldrand. 2008 bis 2010 wurden dort 150 Apfel-, Birnen-, und Zwetschgenbäumen alter Sorten aus Nordhessen und dem angrenzenden Westfalen, um ein Stück Authentizität wiederherzustellen, angepflanzt. Im Offenland ist ein Gestaltungselement des Landschaftsparks zu entdecken, das Patte dòi (Gänsefuss), eine_ (Elhaz-Rune) – artige Wegführung mit einer zentralen Sichtachse in Ost-West Richtung (zwischen Gedenkstein im Schlosspark und dem Obelisk im Wald) und zwei abknickenden Zehen die auch aus dem Privatbereich herausführen. So ergeben sich zwei Alleen. Die nördliche Allee ist mit Pyramideneichen bewachsen und führt auf den Klauskopf, die südliche Allee ist mit Kopflinden bewachsen (als sie eine bestimmte Höhe erreicht hatten, wurden sie geköpft, an der Schnittstelle entwickelten sich mehrere Stämmlinge, die dem Baum eine Kugelform verleihen) und führt in den öffentlich zugänglichen Waldpark, Förderverein und Schlosseigentümer pflegen diese Allee gemeinsam.
Ab 1770 bis zu seinem Tod ließ Heinrich von Meysenbug den Landschaftspark mit mehreren Parkgebäuden, Denkmälern und einer aufwendigen Vegetationsstruktur anlegen. Die Gestaltung und die Bepflanzung bot Aus- und Durchblicke in die umliegende Landschaft. Dabei diente der Bergpark Wilhelmshöhe als Vorbild. Der Landschaftspark Riede entstand rund um den Klauskopf und erstreckte sich ursprünglich wohl vom Heiligenberg über der Elbe bis hinunter zum Schloss Riede am Emstal und wurde aufgrund von Lage und Gestaltung die „Kleine Wilhelmshöhe“ genannt.
Der Landschaftspark ist heute nicht mehr als Gesamtheit erhalten, doch seine Parkelemente vermitteln noch viel vom Geist Meysenbugs und der wunderschönen Anlage. Seit 2001 wurden gartendenkmalpflegerische Maßnahmen auf dem Gelände in Gang gesetzt und mit dem „Heinrich von Meysenbug-Pfad“ an den geistigen Vater des Park erinnert. Der Waldpark wurde 2005 vom Gesamtbesitz des Schlossgebietes abgetrennt. Seit 2016 ist die Spurensuche im ehemaligen Landschaftspark über zwei aneinander grenzende gelb markierte Rundwege 1 und 2 möglich. Der Rundweg 1 läd uns ein, südlich des Klauskopfes über die Ried`sche Tränke zu flanieren. Der nördliche Rundweg 2 verläuft um den Klauskopf und bietet uns schöne Ein- und Ausblicke am Rand des Tiergarten, mit Blick auf Schloss Riede und den beeindruckenden alten Baumbestand beim Schloss.
Die Gestaltung des Landschaftsparks wurde von zwei über die Region hinaus bekannten Persönlichkeiten beeinflusst, Johann Heinrich Müntz (1727-1798) und Christian Cay Lorenz Hirschfeld (1742-1792), der im Jahr 1783 dem Park höchstwahrscheinlich einen Besuch abstattete. Seine „Theorie der Gartenkunst“ inspirierte die Gestaltung des Landschaftsparks nachhaltig.
Johann Heinrich Müntz hielt sich mehrere Jahre in England und Holland auf und verbrachte spätestens ab 1786 die Sommermonate bei seinem Freund von Meysenbug in Riede. Der Landschaftsmaler und Zeichner dokumentierte die Umgebung rund um das Schloss, er war aber auch an der Waldparkgestaltung beteiligt. Der leider nur noch als Fundamentrest erhaltene „Tempel der Freundschaft“ geht auf seine Planungen zurück. Er wurde 1790 am Waldrand in elliptischer Grundform aus Holz errichtet und war an der Rückseite geschlossen, die Vorderseite war durch vier Säulen gegliedert. Basaltblöcke rahmten den Tempel ein. Der 1927 eingestürzte Tempel war Diana, der Göttin der Jagd geweiht und gewidmet dem Grafen von Waldeck. Müntz bezeichnete den Landschaftspark Riede auch als Arkadien. 1799 ließ von Meysenbug für seinen, ein Jahr vorher verstorbenen, Freund vom Kasseler Bildhauer Johann Christian Ruhl ein Trauerdenkmal anfertigen und im Waldpark aufstellen, es liegt südwestlich des Klauskopfs. Ebenso waren auch landgräflich-hessische Gartenkünstler und Architekten wie Daniel August Schwarzkopf, Karl Steinhöfer und Heinrich Christoph Jussow im Landschaftspark planend oder beratend tätig.
So baute südlich des Schlosses am Waldrand Heinrich Christoph Jussow 1798 eine neogotische Kapelle mit pyramidenförmigem Zeltdach als Parkstaffage, inspiriert von Vorschlägen Hirschfelds. Im Inneren hatte die Kapelle ein Basrelief (relativ flach gearbeitetes Relief) das Professor Tiedemann, der den Rosen- und Goldkreuzern vorstand, darstellte. Von Meysenbug nutzte das Gebäude mit seinen Freunden zum Meditieren und Philosophieren, deshalb war die Ausstattung der Kapelle bewusst spärlich. Die Lage der Kapelle mit Blick in den Chattengau wurde gezielt ausgewählt. 1825 übernahm die Familie von Buttlar den Besitz. 1848 wurden erste Schäden an der Kapelle gesichtet und ein silbernes Glöckchen wurde durch aufständige Bauern gestohlen. 1883 wurden die meisten Innenausstattungsstücke nach Kassel zur Kunstgewerbeausstellung gebracht, danach kehrten sie nicht zurück. Die Kapelle verfiel nach und nach und wurde 1928 zu einer Grablege der Familie von Buttlar umgewidmet und umgebaut. Die Kapelle bekam ein Satteldach. Die beiden Seitentüren wurden zu Fenstern umgebaut, aber durch die noch vorhandenen Werksteineinfassungen sind die ehemaligen Türen gut erkennbar.
Ungefähr 50 Meter nordwestlich der Kapelle, am Waldrand, wurden 2003 die Fundamentreste der Eremitage freigelegt. Die grob behauenen Tuffsteine bilden ein quadratisches Fundament mit einer Seitenlänge von 3,60 m. Es wurden auch Reste einer Bodenpflasterung aus Kieselsteinen freigelegt. In der Eremitage existierte ein mechanischer Eremit, er saß im langen Gewand auf einem Stuhl aus Birkenholz an einem Tisch, von dem 1924 in der Kasseler Post berichtet wird. Durch das Betreten des Hauses wurde auf der obersten Treppenstufe der Federdruck ausgelöst und durch eine Eisenstange der Mechanismus ausgelöst, so das der Einsiedler dem Besucher die Hand entgegenstreckte. Teile dieser Mechanik wurden beim Freilegen der Eremitage geborgen.
Der Strohtempel wurde an einer Wasserscheide im Waldpark errichtet, wo sechs Wege aufeinander treffen. Sein Dach war tatsächlich mit Stroh gedeckt. Er entstand in Meysenbugs Sinne als Symbol der Weltoffenheit und stand für die Erforschung ferner exotischer Länder. Die Steinbänke aus dem Innenraum befinden sich heute im Schlosspark. Durch Aufschüttung der Wege hat der Strohtempel nicht mehr seine erhabene Stellung, kein Strohdach mehr und wird als Schutzhütte genutzt.
In der Haupt-Sichtachse im Landschaftspark, 150 Meter entfernt vom Strohtempel, steht der 1775 errichtete 6,80 Meter hohe Obelisk. Er wurde 1775 als erstes Gestaltungselement des Waldparks auf einer Basaltkuppe errichtet und erinnert an Meysenbugs 1774, mit 25 Jahren, verstorbene Schwester Caroline Philippine. Von Osten war er am Ende einer mit Fichten gesäumten Sichtachse weit sichtbar. Er besteht aus präzise gehauenen Sandsteinblöcken und ist mit einer aufgesetzten Urne abgeschlossen. Auf dem Urnendeckel saß in früheren Zeiten eine vergoldete Kugel, deshalb nannte man das Denkmal auch „Goldenes Knöppchen“ Der Bildhauer ist leider bis heute unbekannt. Die Inschrift auf vier Seiten: „Der einzigen Schwester geweyet, Caroline Philippine von Meysenbug, geb. den 9. Febr. 1749, gest. den 14.Sept. 1774“. Der Obelisk bildet das Westende der ehemaligen Sichtachse, sein Ostende ist ein ca. 50 Meter vom Schloss entfernter Gedenkstein mit der Inschrift „ALLES UND NICHTS“.
Neogotische Kapelle
Obelisk
Über die Elbe hinweg erreicht man schließlich den Riesenstein, eine natürliche Sandsteinformation. Die Legende besagt, dass ein Riese bei einem Steinwurf die Kirche in Naumburg verfehlt hat und der Stein auf diese Weise an diesen Ort gelangte. Der rot-weiße von Quarzadern durchzogene Sandsteinfels ist fast neun Meter hoch und durch Verwitterung gespalten und zerklüftet. Es könnte sein, dass es sich um eine germanische Opferstätte handelt, denn die Bearbeitungsspuren wie Opferschale, Abfluss und Treppenstufen sind vorhanden. Nahe der Mulde sind Felsritzzeichnungen von Tieren, leider stark verwittert, nur noch zu erahnen. Die Steinformation mit einer Nische in der bergseitigen Felswand könnte Teil des Landschaftsparks von Meysenbug gewesen sein. In seiner Zeit sollen hier alte Rituale wiederbelebt worden und Zeichen in die Steine geritzt worden sein. Der Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende kann am Riesenstein entlang der Achse des Schachtes, wenn der Waldwuchs und das Wetter es zulassen am Horizont beobachtet werden.
Ganz im Osten Nordhessens, im Richelsdorfer Gebirge in der Gemeinde Wildeck im Landkreis Hersfeld-Rothenburg liegt das „Hessisches Sanssouci“, der Landschaftspark Wildecker Tal.
Ausgangspunkt war die zwischen 1150 und 1250 von den Thüringer Landgrafen erbaute Burg Wildeck. Die Burg wechselte mehrfach den Besitzer und gelangte 1406 durch Verkauf an Landgraf Hermann II. Da der Landgraf in seinem Jagdschloss in Friedewald residierte, verfiel die Burg nach und nach zur Ruine. Nachdem der Wald die Zufahrtswege überwuchert hat, soll sich dort laut einer Sagen der Brüder Grimm eine Räuberbande eingenistet haben, deren Anführer „Wilde Sau“ genannt wurde.
Forst und Ruine kamen 1627 in den Besitz von Landgraf Moritz von Hessen-Cassel. Sie dienten der Versorgung der Söhne von Moritz und seiner zweiten Ehefrau Juliane von Nassau-Dillenburg. Das teilsouverän neu geschaffene Fürstentum Hessen-Rotenburg mit dem Amt Rotenburg und dem Bezirk Wildeck war von der Größe her ein Viertel der Landgrafschaft Hessen-Cassels, so entstand der Name Rotenburger Quart (lat.). 200 Jahre, von 1627-1834 existierte das Quart, dann fiel der Besitz wieder an die Hauptlinie Hessen-Cassel zurück. Der letzte Landgraf von Hessen-Rotenburg, Victor Amadeus, starb ohne Nachkommen. Das Talschloss wurde auf Abbruch verkauft, das Bergschloss verfiel zur Ruine. Heute ist nur noch ein 1806 errichtetes Gästehaus erhalten. Was noch brauchbar war wurde in den umliegenden Dörfern verbaut und genutzt. Vom Bergschloss blieb ein Keller an der Nordseite und der markante Torbogen am Zugangsweg. Der Torbogen ist heute Wahrzeichen der Gemeinde Wildeck.
Ehemaliges Jagdschloss Blumenstein
Die Schwester des letzten Landgrafen von Hessen-Rotenburg, Maria Adelheidis Clotildis von Hessen-Rheinfels-Rotenburg, geboren als Prinzessin zu Hessen-Rotenburg und verheiratete Fürstin von Hohenlohe-Waldenburg-Bartenstein läd uns heute ein, auf sieben Informationstafeln in dem ehemaligen Landschaftspark im Wildecker Tal auf Spurensuche zu gehen und vergessene Geschichten zu erfahren. Sie bietet uns an sie Clothilde zu nennen und wir erfahren das sie am 12. September 1787 in Rotenburg geboren wurde und für ihre Zeit das hohe Alte von 81 Lebensjahren erreicht hat. Clothilde starb am 6. Januar 1869 in Mannheim, kinderlos, nach fast 25jährigem Witwenstand. Clothilde erzählt uns dass sie vor 200 Jahren im Wildecker Tal ihren schönsten Aufenthalt und Zufluchtsort gehabt hat. Um sich in den ehemaligen Landschaftspark und sich in die Zeit hineinzuversetzen und Authentizität zu erzeugen untermalen auf den Infotafeln Gemälde aus der Zeit des Landschaftsparks die ehemalige Pracht und lassen unsere Fantasie aufleben und Ein- und Ausblicke suchen.
Clothildes Großvater, Landgraf Ernst III Leopold von Hessen-Rotenburg (1684-1749) hatte 1727 das Tal für seine Jagdfreuden entdeckt und errichtete auf der Ruine Burg Wildeck das Jagdschloss Blumenstein. Es entstand als Fachwerkbau in der Mode der Zeit. Aufgrund des niedrigen Baumbewuchses war das Jagdschloss aus dem Tal gut sichtbar und setzte sich repräsentativ in Szene. Mit dem Wachstum der Bäume wurde es im Jagdschloss, dunkler, kälter und feuchter und immer weniger Gäste kamen zur Jagd und aus diesem Grund entschloss sich Ernsts Sohn Konstantin von Hessen-Rotenburg (1716-1778) ab 1770 das Bergschloss aufzugeben und im Tal ein repräsentatives Sommer- und Lustschloss entstehen zu lassen.
Der Liechtenstein
Landgraf Konstantin, lässt ab 1770 auch das Tal als Landschaftspark gestalten. Die Rotenburger Landgrafenfamilie verbringt hier die Sommermonate und am 9. September 1811 feiert Clothilde ihre Hochzeit mit dem Fürsten Karl August Theodor. Als 1866 das Kurfürstentum Hessen preußische Provinz und das Schloss preußischer Staatsbesitz wurde, wurde es ab 1873 nur noch als Wohnung für Forstbedienstete genutzt und ein Jahr später abgerissen. Über dem ehemaligen Gästehaus des Schlosses wurde ein Forsthaus errichtet. Nur die zweiteilige Treppe an der Gartenseite ist noch vom Sommerschloss erhalten geblieben.
Der Landschaftspark hatte eine Länge von ungefähr einem Kilometer und verlief trapezförmig nach Süden vom Schloss aus. Am Schloss hatte der Park eine Breite von ungefähr 100 Metern und an der südliche Grenze, am Stubbach, hatte der Park eine Breite von 800 Metern. Später wurde direkt an den Park ein Friedhof angefügt.
Drei, als Patte dòi angelegte Allen, Zwetschgen-, Pappel- und Birkenallee sind aus der Zeit des Landschaftspark bis heute beim Flanieren zu erleben. Im ehemaligen Landschaftspark sind wir eingeladen die erhaltenen gestalteten Parkszenerien „den Liechtenstein“ und „den Inselteich mit Gedenkstein“ zu entdecken. Bei gesellschaftlichen Anlässen hielt man sich hier gerne auf und in der warmen Jahreszeit boten sie Aufenthaltsorte für ein ungestörtes „Stelldichein“. Nicht erhalten sind hingegen eine chinesiche Brücke, einen Pavillion der „Clothildenruh“ genannt wurde, weitere kleine Steinbrücken, Grotten, lauschige Ruheplätze mit Moos und Steinbänken, ein Pavillion „Nanettenruh“, wahrscheinlich nach Clothildes Tante Antonia benannt, die Eremitage Heloise, wahrscheinlich nach Landgraf Konstantins zweiter Ehefrau benannt, ein Fass des Diogenes und ein „Regenschirm“.
Clothildes Onkel, Landgraf Carl Emanuel von Hessen-Rotenburg heiratete 1771 die 17jährige Prinzessin Maria Leopoldina von Liechtenstein. Um ihr seine Liebe zu beweisen ließ er „den Lichtenstein“, einen 22 Meter hohen Obelisken aus Sandstein errichten. Die altägyptische Form war in der Zeit modern. Im Inneren ist der Obelisk hohl. Gemeinsam mit mehreren Staffagen, die in der Umgebung standen war der Obelisk Gestaltungselement des Landschaftsparks.
Sehr schön gelegen ist der romantische Inselteich mit seiner „Liebesinsel“, auf der auch heute noch ein 1,35 Meter hoher altarähnlicher Sandsteinblock unsere Neugier weckt. In den Block ist eine herunterhängende umlaufende natürlich aussehende Bordüre gearbeitet. Auf der Vorderseite ist das Relief einer griechischen Amphore zu erkennen. In der Bordüre steht: „ QUAM RAPUIT INVIDA MORS RESTITUTA“ (lat.), was: „die der neidische Tod geraubt hat, ist wieder hergestellt“, bedeutet. Auf dem Block stand wohl eine Statue oder eine Plastik, die sich wahrscheinlich auf die Inschrift bezogen hat. Es ist möglich das es sich bei dem Stein um ein Altar der Diana, Göttin der Jagd handelt, der in verschiedenen Berichten aus der Zeit erwähnt wird. An den Ufern der runden Insel standen zehn Pappeln.
Inselteich
2016 bis 2019 hat die Sanierung der Ruine Blumenstein durch das Land Hessen, als wichtiges Kulturdenkmal der hessischen Geschichte, stattgefunden. Auch für den ehemaligen Landschaftspark gibt es nach 40 Jahren Stillstand, neue Pläne und Ideen. Die parkdurchquerende historische Lindenallee, vom ehemaligen Sommerschloss in Richtung des Inselteichs müsste in Form geschnitten werden, eine hohe finanzielle Investition von 60.000-70.000 Euro, gegen die drohende Versandung des Inselteiches muss vorgegangen werden und auf dem Weg durch das Tal kann eine Allee mit Säuleneichen rekonstruiert werden. Es wäre zu Wünschen, den 1818 schrieb über das Wildecker Tal der Pfarrer Gutberlet zu Schwebda schließlich: „Möchte doch allen wahren Natur- und Jagdfreuden vergönnt seyn, in so reizender ländlicher Einsamkeit des Daseyns reinste Freuden zu genießen. Mich beseligen nirgend frohere Gefühle, als dort, wo ich die erste Lust, den ersten Schmerz empfand.“
Text und Bilder: Dr. Sylvia Schmelzer
Literatur/Kontakt:
– Verein zur Förderung des Schlosses in Riede e. V., Norbert Zimmermann, Telefon +49 5624 6511, zimmermann.bademstal@freenet.de
– www.kvg.de/fileadmin/kvg-ks/dokumente/Flyer/2016/Wandern_und_Radeln.pdf
– www.nvv.de/freizeit-events/ausflugsziele/detail/freizeitzieleMap/Freizeitangebot/show/898
– www.hna.de/lokales/rotenburg-bebra/wildeck-ort312952/sanierung-schlossruine-blumenstein-soll-2019-fertig-werden-11089547.html
– www.hna.de/lokales/rotenburg-bebra/wildeck-ort312952/sanierung-ruine-blumenstein-hat-bisher-250-000-euro-gekostet-13652758.html
– architekturzeichnungen.museum-kassel.de/11650/
– de.wikipedia.org/wiki/Arkadia_(Garten)
– de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Riede
– www.kasselwiki.de/index.php?title=Johann_Heinrich_Müntz
– de.wikipedia.org/wiki/Jagdschloss_Blumenstein
– de.wikipedia.org/wiki/Sommerschloss_Blumenstein
– Heinrich Christoph Jussow, 1754-1825, Ein hessischer Architekt des Klassizismus, Staatliche Museen Kassel, Wernersche Verlagsgesellschaft , Worms, Katalog 1999
– Fürstliches Vergnügen, 400 Jahre Gartenkultur in Hessen, Bernd Modrow, Claudia Gröschel, Schnell & Steiner, Regensburg, 2002
– Haus Hessen – Biografisches Lexikon, Neue Folge Band 34 Hessische Historische Kommission, Darmstadt 2012
– Infotafeln in Riede: Aufst. Gemeinde Bad Emstal, Verein zur Förderung des Schlosses Riede e.V. & Zweckverband Naturpark Habichtswald
– Infotafel Riesenstein: Aufst. Stadt Naumburg & Zweckverband Naturpark Habichtswald
– Infotafeln in Wildeck: Aufst. Gemeinde Wildeck
Immer wieder freitags…
In einer E-Mail an seine Mitglieder schrieb der Vorstand der des Vereins der Gäste- und Museumsführer in Kassel und Region e.V.: “Nachdem nun auch die Wasserspiele bis auf Weiteres abgesagt wurden und tatsächlich nicht abzusehen ist, dass es in den nächsten Wochen Führungen geben wird, haben wir uns im Vorstand überlegt, wie wir diese Zeit dennoch sinnvoll nutzen können. So ist die Idee entstanden, dass wir ab sofort jeweils freitags eine Persönlichkeit, ein Objekt in einem Museum, eine Pflanze oder auch einen etwas unbekannteren Ort vorstellen.”
Gesagt, getan.
Den Auftakt machte ein Beitrag von Claudia Panetta-Möller, den die mittendrin dokumentierte.
Dr. Sylvia Schmelzers Text zur Geschichte und Geschichten zweier bezaubernder Landschaftsparks in Nordhessen
ist bereits der zehnte in der Reihe. Diesen veröffentlicht die mittendrin in Korrespondenz zu seinem Erscheinen. Text 2 und 3 folgen zu einem anderen Zeitpunkt.
Kontakt/Info:
Verein der Gäste- und Museumsführer in Kassel und Region e.V.
Claudia Panetta-Möller
Tel. 0561 / 60290204
Mobil: 0176 / 54466016
info(at)kassel-gaestefuehrer.de
www.kassel-gaestefuehrer.de