
Die Bedeutung der Trauer für die Lebenden
Trauer ist eine der tiefsten menschlichen Erfahrungen – und es gibt viele Wege, mit ihr umzugehen. Die von der evangelischen Kirche Kassel neu eingerichtete Kontaktstelle für Trauerkultur hilft Menschen, ihren individuellen Umgang zu finden.
Auf dem Friedhof stehen zwei Frauen vor einem Grab. Die eine schmückt dieses mit Blumen, während die andere leise von früher erzählt. Für sie bedeutet Trauer Erinnerungen zu teilen – für ihre Freundin, das Grab mit Leben zu füllen. So individuell wie die Trauernden selbst, sind auch die Arten der Trauerbewältigung. Verschiedene Faktoren, wie das Alter, die Lebensumstände oder die persönliche Bindung zur verstorbenen Person nehmen Einfluss darauf. Einige suchen Trost in der Routine des Alltags, andere brauchen Gespräche oder Aktivitäten mit der Familie, Freunden oder den Mitarbeitenden der Kontaktstelle. „Je mehr unterschiedliche Bezugsgruppen wir haben, desto vielfältiger wird die Trauer und umso differenzierter sind die Bedürfnisse“, erklärt Antje Hartmann, Diakonin der Kontaktstelle.
Wie Trauernde ihren eigenen Weg finden
Aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet zeigt sich, dass der Trauerprozess oft aus vier Phasen besteht. Diese beinhalten den Verlust als real wahrzunehmen, den Schmerz zu verarbeiten, sich schrittweise an ein Leben ohne die verstorbene Person anzupassen und eine neue Verbindung zu dieser aufzubauen. „Dabei ist es wichtig, den Verbleibenden einen Raum zu öffnen; dieser kann sowohl ein realer, als auch ein emotionaler sein. Dort können sie Trost finden, etwas Wertvolles beitragen oder ihn nach ihren eigenen Bedürfnissen gestalten”, beschreibt Antje Hartmann. Ihre Aufgabe ist es, auf die Bedürfnisse unterstützend und begleitend zu reagieren. Das geschieht beispielsweise durch die Mitorganisation der Trauerfeier oder das Schaffen weiterer Orte für Trauer oder Trauerhandlungen.
Besonders wichtig für die Arbeit der Kontaktstelle ist die Zusammenarbeit mit regionalen Netzwerken, wie Schulen, Nachbarschaftszentren oder beispielsweise der evangelischen Jugend. Auch die Kasseler Friedhöfe als zentrale Orte des Gedenkens spielen eine Rolle. Diese Zusammenarbeit ermöglicht es, die individuellen Bedürfnisse der Trauernden nachhaltig zu erfüllen. Auch ein interreligiöser Austausch ist für die Kontaktstelle wichtig. „Wir sind zwar in kirchlicher Trägerschaft, aber uns geht es darum, die Religionen zu verbinden und zu fragen, was wir uns Gutes tun können.“, erklärt die gelernte Sozialpädagogin.

Kerzen und Blumen schmücken das Grab und füllen es mit Leben. Foto: Lisa Marie Fink
Trauerbegleitung geht neue Wege
In den letzten Jahren durchlebte die Trauer- und Bestattungskultur in Deutschland einen Wandel. War die Bestattung früher vor allem ein Ritual für die verstorbene Person, bekommen heute auch zunehmend die Bedürfnisse der Trauernden Raum. Das zeigt sich in neuen Bestattungsformen, Musikstücken und der Gestaltung der Feier. Darüber hinaus werden Kinder und Jugendliche aktiver in den Trauerprozess einbezogen.
Dieser Wandel war auch ein ausschlaggebender Faktor in der Entstehung der Kontaktstelle im Frühjahr 2024. Als Gemeinschaftsprojekt der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, des Evangelischen Stadtkirchenkreises Kassel und der Stiftung Kurhessischen Diakonissenhaus Kassel entwickelt sich die Kontaktstelle seither stetig weiter. Über die Gewinnung neuen Personals hinaus, ist auch eine Änderung des Namens geplant, um die Kontaktstelle zugänglicher und einprägsamer zu machen. Zudem sind für das Jahr eine Reihe an Veranstaltungsangeboten vorgesehen. Dazu gehört ein „Walk and Talk“, eine Spaziergangs-Reihe an verschiedenen Orten Kassels, bei dem Trauernde gemeinsam unterwegs sind, sich austauschen oder einfach die Bewegung in der Natur genießen können. Darüber hinaus wollen die Mitarbeitenden mit einem Lastenrad die Friedhöfe besuchen, um dort mit Menschen über Trauer, Tod und den Umgang damit ins Gespräch zu kommen. Auch monatliche Gedenkfeiern für Verstorbene sind in Planung, um Menschen in ähnlichen Lebenssituationen zusammenzubringen.
08.03.2025
Weitere Artikel zum Thema „Abschied nehmen“ auch zu lesen in der StadtZeit-Ausgabe 123, Frühjahr 2025, Seite 4.
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