
Suffizienz als Nachhaltigkeitsstrategie für das tägliche Leben.
Der Ruf nach „weniger“ klingt in einer Welt, die von ständig wachsendem Konsum geprägt ist, wie ein paradoxes Konzept. Doch gerade in Zeiten von Klimawandel und Ressourcenknappheit gewinnt die Idee der Suffizienz als Nachhaltigkeitsstrategie immer mehr an Bedeutung. Sie fordert uns heraus, unser Verhältnis zu Besitz, Konsum und Lebensgewohnheiten zu hinterfragen. Der Slogan „Weniger ist mehr“ bekommt eine ganz neue Dimension: Weniger konsumieren, weniger besitzen, weniger verschwenden – und dadurch mehr gewinnen. Aber was steckt hinter diesem Begriff, und wie können wir ihn in unserem täglichen Leben umsetzen?
Sich vom Überfluss abwenden
Suffizienz kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „genug haben“. Es geht nicht darum, Verzicht zu üben oder sich ständig mit einem „zu wenig“ zufriedenzugeben. Vielmehr bedeutet Suffizienz, bewusst und nachhaltig mit den eigenen Bedürfnissen und den Ressourcen der Erde umzugehen. In einer Konsumgesellschaft, die immer mehr auf Wachstum setzt, stellt Suffizienz einen Kontrapunkt dar: Die Frage, ob wir wirklich alles brauchen, was wir besitzen und ob wir uns in einem ständigen Streben nach mehr nicht selbst überfordern. Ein zentrales Prinzip der Suffizienz ist da her die Abkehr vom Überfluss. Statt immer neue Produkte zu konsumieren, geht es darum, die Dinge zu schätzen, die wir haben, und uns bewusst zu machen, dass weniger oft mehr Zufriedenheit bringt. Weniger Dinge, um die wir uns kümmern müssen, weniger Dinge die aufgeräumt werden müssen, weniger Dinge bei denen wir uns fragen, ob wir sie überhaupt noch brauchen und weniger Dinge, die letztlich Platz wegnehmen.
Weniger konsumieren – weniger Stress
Im Alltag beginnt das mit kleinen, bewussten Entscheidungen: Statt immer das neueste Smartphone zu kaufen, könnten wir uns mit einem Gerät begnügen, das noch gut funktioniert. Anstatt ständig neue Kleidung zu kaufen, können wir den Wert von Second-Hand-Mode schätzen oder Kleidungsstücke länger tragen, reparieren oder tauschen. In der Ernährung bedeutet Suffizienz, sich für regionale StadtZeit Kassel und saisonale Produkte zu entscheiden und weniger Lebensmittel wegzuwerfen. Suffizienz bedeutet aber auch, „weniger“ im Sinne von weniger Stress und weniger Belastung. Die Welt von heute fordert von vielen ein ständiges „mehr“ an Leistung, Erfolg und Zeit. Indem wir lernen, Prioritäten zu setzen, können wir uns bewusst mehr Zeit für das Wesentliche nehmen, das jede und jeder individuell für wichtig hält.
Klein anfangen und die Chance nutzen
Natürlich erfordert der Weg hin zu einer suffizienten Lebensweise ein Umdenken. Und genau darin liegt die Chance: Wer weniger besitzt, muss weniger pflegen und verwalten. Wer weniger nach außen strebt, kann innerlich mehr wachsen. Wer weniger konsumiert, hinterlässt einen kleineren ökologischen Fußabdruck. Aber genau das fällt der Menschheit offensichtlich schwer und Mensch ist auch schnell überfordert damit „alles richtig zu machen“. Trotz dem müssen und können sich Konsumgewohnheiten ändern. Am besten wir fangen heute noch mit einer Sache an, zum Beispiel ein kaputtes Kleidungsstück zur Schneiderei zu bringen oder aus übriggebliebenen Speisen und Lebensmitteln neue Mahlzeiten zu zaubern, anstatt sie zu entsorgen. Dabei behalten wir stets im Hinterkopf: Suffizienz ist kein Verzicht, sondern eine bewusste Entscheidung für ein Leben im Einklang mit den begrenzten Ressourcen unseres Planeten.
14.04.2025
Kolumne von Kristina Gruber und Martina Keller
Beide sind Nachhaltigkeitswissenschaftlerinnen und forschen zur Nachhaltigkeit in der Veranstaltungsbranche und zu nachhaltigen Lebensmittel-Wertschöpfungsketten. Als Projektschmiede Keller & Gruber gestalten sie Nachhaltigkeitsprojekte.
Diesen Artikel auch zu lesen in der StadtZeit-Ausgabe 123, Frühjahr 2025, S.29
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