Bonifatius, Apostel der Deutschen und der Bildhauer Werner Henschel
„Immer wieder freitags…“: Die Serie des Vereins der Gäste- und Museumsführer in Kassel und Region e.V.
Bonifatius gewaltsamer Tod bei den Friesen jährt sich am 5. Juni zum 1.266. Mal. Da hatte er seinen bequemen Bischofsitz schon wieder mal verlassen.
Anders als die irischen und schottischen Mönche ein Jahrhundert zuvor setzte der im englischen Crediton (Königreich Wessex) als Wynfreth (Winfried) geborene Missionar und Kirchenreformer im Frankenreich als päpstlicher Legat und Missionserzbischof auf die militärische Hilfe der fränkischen Hausmeier.
Um 673 geboren trat er dem Benediktinerorden bei und wurde mit ca. 30 Jahren zum Priester geweiht. Mit Mitte Vierzig begann er zu missionieren, zunächst bei den Friesen, war zwar genauso erfolglos wie Willibrord, dem zu Ehren im luxemburgischen Echternach jedes Jahr am Dienstag nach Pfingsten, außer Corona bedingt an diesem 2. Juni nicht, die Springprozession (immaterielles UNESCO-Welterbe seit 10 Jahren) stattfindet, schaut sich bei ihm aber einige Tricks ab.
Zunächst wird er zwar Abt in seinem alten Kloster in England, aber schon 718 gibt er dieses Amt wieder auf, reist nach Rom und holt sich von Papst Gregor II. einen „Kampfnamen“ sowie den Auftrag „ungläubigen Völkern das Geheimnis des Glaubens bekannt zu machen“. Als Bonifatius (Gutes-Schicksal-Bringender) führt seine Expedition um die Lage zu sondieren über Friesland, Mittelhessen, Thüringen und Franken, dann wieder nach Rom.
Er holt sich für seine weitere Missionstätigkeit vom fränkischen Hausmeier Karl Martell 723 einen Schutzbrief und kehrt an die fränkische Grenze am Ederfluss in die fränkische Reichsfestung Büraburg zurück (erste archäologische Grabungen 1717 durch J.H. Schmincke im Auftrag Landgraf Carls). Am gegenüberliegenden Flußufer verehren die Chatten bei Gaesmere (Geismar) auf dem Hügel eine dem Gott Donar (Thor) geweihte Eiche. Nachdem Bonifatius diese Eiche gefällt hat bleibt eine göttliche Strafe aus. Bonifatius läßt das Holz ein Jahr lagern, zu Brettern und Balken verarbeiten und dann eine kleine Kirche errichten. Dort steht seit über 900 Jahren (ab 1085 erbaut) der Fritzlarer Dom St. Peter, seit 2004 zur „Basilica minor“ erhoben. Seinen Schüler Wigbert setzt er als ersten Abt und Schulvorsteher der neuen „Friedenslehre“ (Fritzlar) ein.
Fritzlarer Dom St. Peter
Übrigens reklamiert auch der Hülfensberg (Mons Sancti Salvatoris) im thüringischen Eichsfeld, in der Gemeinde Geismar, für sich, der Ort der ehemaligen Donareiche zu sein, die „Pfarrstelle St. Salvator auf dem Stuffenberg“ ist aber erst seit Mitte des 14. Jahrhunderts belegt. Eine dort 1867 entdeckte, vorgeschichtliche Begräbnisstätte und Wallanlagen wurden nicht archäologisch untersucht.
Jedenfalls lassen sich im Jahr 754 die tief beeindruckten Chatten, darunter auch anwesende Friesen, taufen und Bonifatius erhält 746 das Bistum Mainz, wo später sein Schüler Lullus sein Nachfolger wurde, als Sitz. Über 80 jährig macht er sich schließlich 754 zu einer Firmungs-Feier nach Friesland auf, wo er am 5. Juni, zusammen mit Begleitern, bei Dokkum (NL) am Fluss Boorne von Missionsgegnern oder Räubern erschlagen wird. Dieser „Märtyrertod“ als Abschluß seiner Missionstätigkeit wurde ein Grund für die Heiligsprechung.
Seine sterblichen Überreste holt sein Schüler Sturmius nach Fulda, wo er, neben Frankenkönig Konrad I. (881-918) bis heute in der Krypta vom Dom St.Salvator beigesetzt ist. Im Dommuseum Fulda ist sein Kopf als Reliquie, der Dolch seiner Ermordung und eine Kopie vom Buch das er dabei vor sich hielt ausgestellt.
Fuldaer Dom St.Salvator
Im Jahr 1842 wurde in Fulda das Bonifatius-Denkmal errichtet. Hier hält er auch das Buch, aber nicht als Schutz mit dem Dolch darin vor sich, wie zuvor in vielen anderen Darstellungen, sondern erhobenen Hauptes, das Buch offen präsentierend und ein Kreuz gen Himmel streckend steht er am Rande der Altstadt. „Verbum domini manet in aeternum“ – „Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit“ steht im Sockel eingemeißelt.
Der Kasseler Künstler Johann Werner Henschel schuf ab 1830 für 8.000 Gulden diese Darstellung als erstes von der Fuldaer Bürgerschaft (500 Gulden Spendenbeitrag) finanziertes Standbild. Schon 1828 wurde mit dem Sammeln begonnen, auch König Ludwig I. von Bayern, die Städte Ingolstadt, Passau und Bayreuth sowie protestantische Adelige geben ihre Anteile.
Der Guß der über 5 Meter hohen und 3 Tonnen schweren Statue kann im Henschel-Werk Kassel nach neun Jahren beginnen. Aus einzelnen Bronzegußteilen, mit Schrauben und Stahlbändern (seit der Restaurierung vor über 15 Jahren aus Edelstahl) im Inneren verstrebt, kann die Figur im August vor 178 Jahren als Henschels Hauptwerk aufgestellt werden.
Werner Henschel, in Kassel 1782 geboren, hatt als Sohn von Georg Christian Carl Henschel auch Stück- und Glockengießen gelernt, aber an der Kunstakademie Kassel (die auch sein Bruder Carl Anton besuchte)) und in Paris wächst er zum Bildhauer. Seit Gründung der väterlichen Firma 1810 im Unternehmen beschäftigt, kann er bald auch als Künstler arbeiten.
Auf der Suche nach Ton zum modelieren entdeckt er dabei 1820 auch Braunkohlelager und gründet 1822 seine „Ziegel- und Braunkohlenwerke Möncheberg“, zudem schuf er in dieser Zeit eine halbkniende Charitas mit zwei Kinder für Wilhelmine von Preußen (ab 1815 Königin der Niederlande und Schwester der damaligen Kurprinzessin Auguste), Gipsbüsten der Kurfürstlichen Familie, das Grabdenkmal für Graf Wilhelm Reichenbach 1822 sowie die Grabmäler für Schwester Lotte und Marie, erste Ehefrau seines besten Freundes Ludwig Emil Grimm, auf dem Altstädter Friedhof.
Fuldaer Bonifatius-Denkmal
Ab 1826 ist er ausschließlich Künstler und wird 1832 wie Lui Grimm Professor an seiner Alma Mater. Nachdem er am Bonifatius gearbeitet hat gestaltete er das Grabmal für Auguste von Hessen (1780-1841). 1843 wird er nach Rom gerufen, um dort aus Carara-Marmor für den Romantiker auf dem Preußenthron, Friedrich Wilhelm IV., das Brunnenpaar, Hermann & Dorothea genannt, für die Römischen Bäder in Park Sanssouci in Potsdam zu schlagen, die als Bronzegusskopie auch vor Schloss Schönfeld stehen.
Eines seiner letzten Werke ist der Toilettentisch für Herzogin Elisabeth Marie von Sachsen-Meiningen, von 1849, der 2009 für 23.000 Euro an das Stadtmuseum Kassel ging. In Rom verstirbt Henschel an den Folgen einer Lungenentzündung im August 1850. Er wird auf dem protestantischen Friedhof, nahe der Cestiuspyramide beigesetzt, fast wie im Bergpark.
Nicht versäumen zu erwähnen will ich aber auch ein weiteres Bonifatius-Standbild in unserer Region, das in Fritzlar, zum 1275-Jubiläum des fällens der Donar-Eiche im Vorjahr, der Kulturverein Fritzlar als Bronzeplastik bestellte. Dieses vom in Stuttgart arbeitenden, in Biedenkopf 1955 geborenen Künstler Ubbo Enninga am 5. Juni vor 21 Jahren enthüllte Denkmal stellt den Moment nach dem Fällen der Eiche dar. Bonifatius auf dem Baumstumpf stehend hält noch die Axt in der einen Hand, plant mit der anderen aber schon den Bau einer Kirche. Das Modell der Kirche über einem dorischen Säulenstumpf ist durch ein Metallgeflecht mit der Donar-Eiche verbunden. Dieses Denkmal steht gegenüber dem Fritzlarer Dom St. Peter.
Fritzlarer Bonifatius-Denkmal
Text und Fotos: Dr. Wolfgang Schmelzer
Literatur:
– „Kurfürstin Auguste von Hessen in ihrer Zeit (1780-1841)“ 1995, (Hrsg.) Lauer, Bernhard
– „Das Residenzpalais in Kassel“ 2000, Bidlingmaier, Rolf
– „Dom St.Peter zu Fritzlar – Stift, Kloster und Domschatz“ 2002, Hinz, Berthold
– Osthessen-News vom 12.5.2003 „Bonifatius-Denkmal restauriert – am 27. Mai wieder auf dem Sockel“
– „Von der Henschelei zur Hochschule“ 2004, (Hrsg.) Ulbricht, Annette
– HNA vom 21.4.2009 „Die Rückkehr eines Schatzes“
– HNA vom 17.6.2012 „Vertreter von Naturreligionen protestieren gegen Bonifatius-Denkmal“
– „Lebenserinnerungen des Malerbruders Ludwig Emil Grimm“ 2015, (Hrsg.) Boehncke, Heiner und Sarkowicz, Hans
– www.kulturvereinfritzlar.de
Immer wieder freitags…
In einer E-Mail an seine Mitglieder schrieb der Vorstand der des Vereins der Gäste- und Museumsführer in Kassel und Region e.V.: „Nachdem nun auch die Wasserspiele bis auf Weiteres abgesagt wurden und tatsächlich nicht abzusehen ist, dass es in den nächsten Wochen Führungen geben wird, haben wir uns im Vorstand überlegt, wie wir diese Zeit dennoch sinnvoll nutzen können. So ist die Idee entstanden, dass wir ab sofort jeweils freitags eine Persönlichkeit, ein Objekt in einem Museum, eine Pflanze oder auch einen etwas unbekannteren Ort vorstellen.“
Gesagt, getan.
Den Auftakt machte ein Beitrag von Claudia Panetta-Möller, den die mittendrin dokumentierte.
Dr. Wolfgang Schmelzers Text zu Bonifatius und dem Bildhauer Werner Henschel zum Kloster Haina ist bereits der siebte in der Reihe. Diesen veröffentlicht die mittendrin in Korrespondenz zu seinem Erscheinen. Text 2 und 3 folgen zu einem anderen Zeitpunkt.
Kontakt/Info:
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Claudia Panetta-Möller
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