Die Freiheit zu sterben?!
Soll jeder ein Recht haben, sich Hilfe – auch ärztliche Hilfe – holen zu können, um aus dem Leben zu scheiden? Das Bundesverfassungsgericht hat das in seinem Urteil vom Februar 2020 bejaht.
Suizid, Gedanken dazu und assistierter Suizid sind noch immer Tabu-Themen, über die wir als Gesellschaft zu wenig im Dialog sind. Besonders umstritten ist die Hilfe zum Suizid.
Um sich diesem komplexen Thema anzunähern, vorab einige Zahlen und Hintergründe: Laut Statistischem Bundesamt sank in den vergangenen Jahren die Zahl der Suizide insgesamt: Suizidierten sich 1980 pro Tag 50 Menschen, waren es – ohne Dunkelziffer – 2021 noch 25. Aktuell steigt die Suizidrate wieder an, wenn auch nur minimal. 2022 ist die Zahl der Suizide in Vergleich zum Vorjahr um neun gestiegen und lag damit bei 9.215.
Faktoren wie Flucht, Krieg, Jobverlust und andere belastende Lebensereignisse sowie psychische Erkrankungen wie Depressionen oder auch Suchterkrankungen gelten als Risikofaktoren. Auch körperliche Erkrankungen mit chronischen Schmerzen sowie wenige oder keine sozialen Kontakte können das Risiko erhöhen. All das sind Lebenssituationen, von denen in den letzten Jahren mehr Menschen betroffen waren oder in die diese hineingeraten sind.
Die Zahl der sogenannten „harten“ Suizide, bei den sich Menschen ohne ärztliche Hilfe, meist auf gewaltsame Art, das Leben nehmen, lag im Jahr 2021 bei über 9.000. Im Vorfeld kommt es oft zu mehreren Suizidversuchen. Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention geht von zehn- bis 20-mal mehr Versuchen als tatsächlichen Suiziden aus. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt es seit Februar 2020 in Deutschland eine Neuerung, was den nach wie vor umstrittenen assistierten Suizid angeht: Er ist nicht mehr strafbar.
Die Karlsruher Richter legten dem Parlament seinerzeit nahe, ein Schutzkonzept zu verabschieden, um Missbrauch zu verhindern. Fraktionsübergreifend erarbeiteten Abgeordnete, außer denen der AfD, zwei Gesetzentwürfe für ein neues Sterbehilfe-Gesetz, die sich in den Vorgaben und Details der Beratung, vor allem aber in der Strafandrohung unterschieden. Bei der Abstimmung am 6. Juli 2023 scheiterten beide. Damit bleibt eine rechtliche Grauzone bestehen. Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben e.V. (DGHS) und der Verein Sterbehilfe vermittelten im Jahr 2022 in insgesamt 366 Fällen eine Suizidhilfe mit Medikamenten.
Fachleute beziehen Stellung im StadtZeit Kassel Magazin Nr. 117
Im Rahmen der Debatte zu diesem gesellschaftlich wichtigen und gleichermaßen kontrovers diskutierten Thema kommen sechs ausgewiesene Fachleute als Autorinnen und Autoren zu Wort und legen ihre Perspektive auf den assistierten Suizid dar.
Das breite Spektrum an Meinungen, Haltungen und Ansichten zeigt verschiedene Blickwinkel auf den assistierten Suizid und bildet darüber hinaus die aktuelle gesellschaftliche Diskussion ab. Diese dokumentierten Beiträge lassen sich für die Leserinnen und Leser der folgenden Texte als eine Annäherung an dieses vielschichtige Thema betrachten. Die Beiträge stammen von Dr. Nina-Kristin Eulitz, leitende Oberärztin des im April 2020 eröffneten palliativmedizinischen Zentrums im Marienkrankenhaus Kassel, Meike Gerber, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Medizin der TU Dresden, die zur Suizidassistenz promoviert, Dr. Insa Rohrschneider, Pfarrerin und Studienleiterin am Religionspädagogischen Institut in Kassel, Dr. Jürgen Gehb, ehemaliger Richter und Kasseler Bürgermeister, jetzt als Rechtsanwalt tätig, Prof. Dr. med. Reinhard Lindner vom Institut für Sozialwesen der Universität Kassel, Deutschlands profiliertester Suizidologe und Leiter des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (NaSPro) sowie Prof. Dr. Alfred Simon, der als Medizinethiker die Akademie für Ethik in der Medizin an der Universität Göttingen leitet.
Zu Lesen auch online, Magazinseiten 40-45 >> hier zu lesen
02.10.2023
Fachleute beziehen Stellung
im StadtZeit Kassel Magazin Nr. 117, Rubrik “Debatte”, Magazinseiten 40-45 .
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