„Die heilige Familie mit dem Vorhang“
“Immer wieder freitags…”: Die Serie des Vereins der Gäste- und Museumsführer in Kassel und Region e.V.
„Die heilige Familie mit dem Vorhang“ von Rembrandt Harmensz. van Rijn, 1646, MHK, Gemäldegalerie Alte Meister
Rembrandts „Die heilige Familie mit dem Vorhang“ (1646) ist ein bedeutendes und zugleich ungewöhnliches Werk in Rembrandts Gesamtwerk. Es gilt als das erste holländische Gemälde auf dem ein gemalter Vorhang zu sehen ist. Der gemalte Vorhang war seinerzeit ein außergewöhnliches Bildelement. Noch heute ist seine Bedeutung und seine Funktion nicht gänzlich geklärt.
Foto: Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister
Ich möchte einen Überblick der unterschiedlichen Interpretationsansätze geben, die sich mit der Bedeutung des Bildvorhangs an sich auseinandersetzen sowie mit der religiösen Bedeutung des Vorhangs. Lange Zeit wurde „Die heilige Familie mit dem Vorhang“ unter dem Namen „Die Holzhackerfamilie“ in den Bestandslisten geführt.
Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606 – 1669) ist dafür bekannt religiöse Themen in seinen Werken profan erscheinen zu lassen. Dem Thema der Heiligen Familie maß er große Bedeutung zu. Er stellte die heilige Familie in unterschiedlichen Fassungen dar. Zudem variierte die Ausgestaltung des biblischen Themas erheblich. Eine Vielzahl von Gemälden, Graphiken und Zeichnungen fertigte Rembrandt zu diesem Thema an. Das in der Gemäldegalerie der alten Meister der MHK in Kassel hängende Bild „Die heilige Familie mit dem Vorhang“ ist wohl das herausragendste Bild aus dieser Reihe. Landgraf Wilhelm VIII von Hessen – Kassel erwarb das Bild am 18. Juni 1752 für 735 Gulden von dem Kunsthändler Willem Lormier aus Den Haag.
Bildbeschreibung
„Die heilige Familie mit dem Vorhang“ ist ein weitgehend gut erhaltenes Bild. Es ist 46,8 x 68,4 cm groß und auf ein Eichenbrett gemalt dessen maximale Dicke 1,4 cm beträgt. Die obere Kante des Brettes ist trapezförmig zugeschnitten. Die weiße Grundierung, auf die das Gemälde aufgetragen wurde, besteht aus Kreide , Bleiweiß, Proteinen und Öl. Es wurde ein mehrschichtiger Firnis aufgetragen, der im Laufe der Zeit vergilbt ist und somit etwas von seiner Transparenz eingebüßt hat.
Auf dem Bild ist ein gemalter Vorhang zu sehen sowie ein gemalter Rahmen, der das Bild umschließt. Der gemalte Goldrahmen ist sehr detailreich dargestellt und vor allem am unteren Bildrand aufwendig ornamentiert. Seine Prunkhaftigkeit wird zusätzlich durch Lichtreflexe, die durch das auf den Rahmen fallende Licht hervorgerufen werden, unterstützt. Das Glänzen des Goldes wird dadurch fast greifbar. Zusätzlich erhöht das Spiel mit dem Licht die Plastizität des Bildes. Es wird eine stärkere Tiefenwirkung erlangt. Am linken Bildrand ist eine eckige Säule zu sehen, die das Bild begrenzt. Basis und Kapitell der Säule sind verziert. Am rechten Bildrand verdeckt ein roter Vorhang den Rahmen, so dass über die Begrenzung keine sichere Aussage getroffen werden kann. Der rote, samtartige, schwerfallende Vorhang verdeckt ein Drittel des Bildes. Er ist an einer schmalen Metallstange mit Metallringen befestigt. Auf der Stange sowie auf den Metallringen sind Lichtreflexe zu sehen. Die Metallstange stellt eine Parallele zum unteren Goldrahmen dar. Der rote Vorhang fällt über den unteren Goldrahmen. Seine Abschlusskante ist noch im Bild zu sehen. Er wirkt wie ein Bühnenvorhang der eben zur Seite geschoben wurde, da er nicht senkrecht nach unten fällt, sondern seitlich etwas eingeschlagen über dem Rahmen liegt. Durch diese besondere Art des Fallens des Vorhangs wird der Eindruck einer Bühne erweckt. Dadurch erhöht sich die Tiefenwirkung des Bildes. Der obere Bildabschluss hat eine ungewöhnliche Form. Er ist an den Ecken abgerundet und unterstützt den Eindruck einer dargestellten Bühne. Der Blick des Betrachters wird über den Vorhang in das Bild gelenkt. Dem Betrachter wird der Blick auf die dargestellte Szene gestattet. Zuerst fällt der Blick auf Maria mit dem Jesusknaben im Arm im linken Bildteil. Maria trägt ein dunkles Gewand mit einem weißen Halstuch aus Spitze. Auf dem Kopf trägt sie eine weiße Spitzenhaube, die mit blauen und roten Bändern gehalten wird. Sie sitzt auf einer reich verzierten Bank oder einem Sessel mit Armlehne. Über die Rückenlehne sind Tücher gelegt und eine braune Decke ist leicht um ihre Beine geschlagen. Sie ist barfuß. In ihren Armen hält sie liebevoll das Jesuskind. Sie drückt ihre Wange zärtlich an seine Stirn. Das Jesuskind ist mit einem roten Anzug bekleidet und sein blonder Lockenkopf schimmert im Lichtschein. Es berührt mit seiner linken Hand die Mutter. Die Gesten zwischen Mutter und Kind wirken sehr vertraut und zärtlich. Vor dem Sitzmöbel steht eine Korbwiege, die mit weißen, durch das einfallende Licht leuchtenden Tüchern ausgelegt ist. Die Szenerie wird einzig durch ein im Zentrum des Raumes brennendes Feuer und ein leicht von links einfallendes Licht erhellt. Durch das lodernde Feuer, das sowohl als Lichtquelle wie auch als Wärmequelle dient, bekommt das Bild eine warme, friedliche, gemütliche Atmosphäre. Das Lichtzentrum liegt auf Maria und dem Jesuskind sowie der Korbwiege. Der Rest der dargestellten Szenerie bleibt schemenhaft im Schatten verdeckt. Vor dem wärmenden Feuer hockt eine Katze und eine Breischüssel mit einem Löffel steht vor dem Feuer im Bildmittelpunkt. Der rechte Bildteil sowie der Hintergrund ist sehr dunkel gehalten und auf den ersten Blick nur als braun-graue Fläche zu erkennen. Bei näherer Betrachtung sieht man im rechten Bildteil Josef mit einer Axt in der Hand Holz hacken. Seine Umrisse sind nur wage zu erkennen, da keinerlei Lichtschein auf ihn fällt. Er tritt förmlich in den Schatten zurück. Er befindet sich eine Stufe unterhalb der restlichen Szenerie und wird von einer niedrigen Holzwand bis zur Hüfte verdeckt. Auf dieser kleinen Holzwand ist am oberen Rand Rembrandts Signatur zu erkennen und die Jahreszahl 1646. Im Hintergrund sieht man eine Holzsäule sowie ein gotisches Gitterfenster. Dahinter wiederum sind schemenhaft Bäume zu erkennen. Die Zimmerdecke ist mit Holz getäfelt. Links hinter Maria sind die Pfosten eines eingebauten Bettes zu sehen. Es scheint so, als ob eine hölzerne Wohnstube in eine gotische Ruine eingebaut wurde. Die Wohnstube ist mit zeitgenössischem Mobiliar ausgestattet.
Die vorherrschenden Farben in diesem Bild sind dunkle, erdige Töne. Rembrandt verwandte viele verschiedene Brauntöne sowie Gelb- und Grautöne. Zudem setzte er Akzente durch das strahlende Weiß. Das Rot des Vorhangs korrespondiert mit dem Rot des Anzugs, den das Jesuskind trägt. Durch die vielen Gelb- und Goldtöne wirkt das Bild sehr warm und sanft. Der Farbauftrag ist sehr fein und pudrig.
Betrachtet man nur die Darstellung des Zusammenseins der Heiligen Familie ohne den gemalten Vorhang und den gemalten Rahmen, ist das Bild sehr flächig. Der gemalte Vorhang sowie der Rahmen sind notwendig und unverzichtbar für das Bild, da mit diesen Elementen eine höhere Tiefenwirkung erreicht wird. Die verschiedenen hintereinander gelegten Ebenen, Vorhang und Rahmen, Innenraum der Holzhütte und Außenbereich mit Bäumen im Freien, geben dem Bild Räumlichkeit und Tiefe. Zudem trägt der gemalt Vorhang sowie der gemalte Rahmen zu der Illusion bei, ein Bild im Bild zu sehen. Die Szenerie wirkt wie ein Ausschnitt eines gezeigten Bühnenstücks.
Der Bildvorhang
Um später auf die Bedeutung des gemalten Vorhangs in Rembrandts Werk „Die heilige Familie mit dem Vorhang“ richtig eingehen zu können, muss zuerst der Bildvorhang als solcher thematisiert werden.
Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert war es in den Kunstsammlungen der Adelshäuser und denen der privaten Sammler, meist wohlhabende Handelsleute, üblich, einige Bilder mit einem Bildvorhang zu verdecken. Der Bildvorhang war meist aus leichtfallendem dünnen Stoff und wurde in erster Linie nicht zum Schutz des Bildes vor Staub und Lichteinfall verwendet, sondern vielmehr zur Erweckung der Aufmerksamkeit des Betrachters. Der Aufbau der damaligen Kunstkammern unterscheidet sich erheblich von dem Aufbau heutiger Gemäldegalerien und Museen. Die Gemälde wurden nicht einzeln und in Augenhöhe des Betrachters präsentiert wie es heute in Museen üblich ist, sondern die ganze Wand wurde mit Gemälden und Graphiken bedeckt. Die Art und Weise wie die Bilder angebracht waren glich einer Tapete. Bis unter die Zimmerdecke sind die diversen Bilder und Gemälde dicht neben- und übereinander gehängt worden. Sie bedeckten die komplette Wand. Somit war es nötig einige Bilder durch einen Bildvorhang hervorzuheben. Dies waren nicht immer die wertvollsten und kostbarsten Bilder. Vielmehr gewannen die Bilder an Wert und Bedeutung durch den Bildvorhang. Das Bildmotiv sowie der Bildinhalt waren nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Somit wurde das Interesse des Betrachters geweckt nachzusehen, was sich hinter dem Vorhang verbirgt. Die Neugier des Betrachters wird geweckt. Gleichzeitig ruft der Bildvorhang ein Gefühl des Entdeckens, des Lüftens eines Geheimnisses hervor. Der Betrachter wird zum Entdecker. Darüber hinaus schwingt immer etwas Verbotenes mit, da hinter einen Vorhang geschaut wird, der die Aufgabe hat, etwas Bestimmtes zu verdecken, geheim zu halten. Ein halb aufgeschobener Vorhang weckt beim Betrachter den Eindruck des Auserwähltseins, des Teilnehmendürfens an dem gezeigten Geschehen. Somit kann die Aufmerksamkeit und das Interesse des Betrachters auf bestimmte Bilder gelenkt werden.
Bedeutung des Vorhangs im Bild „Die heilige Familie mit dem Vorhang“, 1646
Wie im vorherigen Abschnitt erläutert war der Bildvorhang ein gebräuchliches Requisit in den Kunstkammern der damaligen Zeit. Rembrandt nimmt dieses Requisit in seinem Bild „Die heilige Familie mit dem Vorhang“ auf und erweitert den Bedeutungshof des Vorhangs, indem er nicht nur ein Bild bedeckt, sondern selbst zum Bild wird. Durch den gemalten Vorhang wird das Bild zu einem illusionistischen Kunststück. Die Besonderheit des gemalten Vorhangs wie auch des gemalten Rahmens zeichnet das Bild aus und gibt ihm seinen Wert. Der gemalte Vorhang in der Darstellungsweise wie sie hier zu sehen ist, als Bühnenvorhang, ist ungewöhnlich und neu. Hierin besteht die Qualität des Bildes und die Kuriosität, die es zu einem sammelwerten Werk macht. Die damaligen Kunstkammern waren mit allerlei Kuriositäten und bizarren Objekten ausgestattet. Somit fand auch Rembrandts „Die heilige Familie mit dem Vorhang“ als Gemälde Interesse. Durch den gemalten Vorhang wird die Neugier des Betrachters geweckt. Gleichzeitig wird der Betrachter durch den so real wirkenden Vorhang verblüfft. Darüber hinaus fällt das Bild durch das kräftige Rot schon aus einiger Entfernung auf. Der Betrachter wird förmlich angezogen von dem Bild. Zur Seite geschoben lässt der Vorhang den Betrachter am stillen Beisammensein der Heiligen Familie teilhaben. Ihm wird der Einblick in eine stille, friedliche, gemütliche, warme Stube gestattet. Der Betrachter befindet sich aber nicht in der Rolle eines Voyeurs, sondern als stiller Teilhaber, dem der Blick in die Stube gewährt wird. „Der Vorhang steigert die Intimität des einfachen Bildgeschehens; indem er etwas sehen läßt [!], was auch ohne unsere Gegenwart weitergehen würde“ , so Wolfgang Kemp. Die gezeigte Szenerie ist ganz in sich geschlossen und vermittelt eine Atmosphäre der Ruhe und Besinnung. Die Darstellungsweise des biblischen Themas wirkt wie eine Inszenierung im Theater. Die Szenerie wirkt idealisiert. Der Eindruck der Inszenierung wird durch den Vorhang verstärkt.
Die Bedeutung des Vorhangs beschränkt sich aber nicht nur auf die Ebene des Vorhangs als Illusionsmittel und als Konstrukt zur Erlangung einer besseren Tiefenwirkung, sondern lässt auch eine religiöse Lesart zu. Jedoch ist der religiöse Sinn des Vorhangs umstritten. Es existieren verschiedene Ansichten über die religiöse Bedeutung des Vorhangs. Zum Einen gilt der Vorhang in der klassischen ikonographischen Lesart als ein Attribut der Maria, der Mutter Christi. Diese Lesart scheint hier jedoch nicht sinnvoll zu sein. Wahrscheinlicher ist die Möglichkeit, dass der Vorhang als Verweis auf das Alte Testament fungiert. Er gibt den Blick auf den nur schemenhaft zu erkennenden Josef frei, der das Alte Testament verkörpert und der mit der Geburt des Jesuskindes, dem Beginn des Neuen Testaments, in den Schatten rückt. So steht also das Alte Testament im Schatten des Neuen Testaments.
„Die heilige Familie“ vs. „Die Holzhackerfamilie“
Rembrandts Werk „Die heilige Familie mit dem Vorhang“ wurde lange Zeit in den Bestandslisten unter dem Namen „Die Holzhackerfamilie“ geführt. Dadurch ergibt sich die Frage, ob hier die Heilige Familie dargestellt ist oder nur eine profane Familienszene gezeigt wird. Rembrandt hat es vermieden religiöse Symbole oder Attribute offensichtlich im Bild zu platzieren. Das Interieur entspricht dem zeitgenössischen Stil und die Personen sind nicht eindeutig als Maria, Josef und Jesus zu erkennen. Keine der Personen wurde mit einem Heiligenschein versehen oder einem sonstigen Attribut, das auf eine biblische Gestalt hinweist. Ebenso gut könnte eine einfache Arbeiterfamilie dargestellt sein. Dennoch wird heute die Ansicht vertreten, dass die hier gezeigte Familie die Heilige Familie ist und nicht eine profane „Holzhackerfamilie“.
Rembrandt widmete dem biblischen Thema der Heiligen Familie große Aufmerksamkeit und schuf eine Reihe von Gemälden, Grafiken und Zeichnungen. Die zwei bedeutensten Werke aus dieser Serie sind „Die heilige Familie“ von 1640, die in Paris im Louvre zu sehen ist sowie „Die heilige Familie“ von 1645, die in St. Petersburg in der Eremitage zu sehen ist . In beiden Werken sind den dargestellten Personen religiöse Attribute zugeordnet. In dem Gemälde der Pariser Heiligen Familie ist eine vierte Person zu sehen, die die Mutter Marias darstellen soll wodurch Maria sicher identifiziert werden kann. In dem Gemälde der St. Petersburger Heiligen Familie ist eine kleine himmlische Heerschar von Engeln über der Heiligen Familie dargestellt. Dies ist ein noch deutlicherer Hinweis auf die Heilige Familie. Das Kasseler Bild der Heiligen Familie ist in diese Serie einzuordnen, da viele Elemente und Darstellungsweisen wiederholt werden. Die Kernfamilie sowie die Art des Interieurs bleibt weitgehend gleich. Josef hackt holz, Maria kümmert sich um das Jesuskind. Zudem ist immer eine Wiege im Vordergrund zu sehen und das wärmende Licht des Feuers fällt auf Maria und das Jesuskind, wohingegen Josef im Schatten zurücktritt. Betrachtet man also die Kasseler Heilige Familie in diesem Kontext, so ist es wahrscheinlich, dass auch hier die Heilige Familie dargestellt ist. Jedoch hat Rembrandt in diesem Werk nahezu auf biblische Verweise und religiöse Symbole verzichtet. Einzig der rote Vorhang als Verweis auf das Alte Testament gibt einen Hinweis auf eine biblische Handlung. Diese Ambivalenz zwischen religiöser und zeitgenössischer Darstellungsweise ist typisch für Rembrandt. Ein biblisches Thema wird in einem profan wirkenden Umfeld dargestellt. Der Übergang zwischen religiösem Bild und Genremalerei ist fließend. Das Fehlen an deutlichen religiösen Symbolen ist darauf zurückzuführen, dass Rembrandt protestantisch war und somit den typischen ikonographischen Stil der katholischen Kirche vermied, ja sogar ablehnte.
Zusammenfassung
Im ausgehenden 17. Jahrhundert fiel die Kirche als Auftraggeber weg. Die Maler mussten sich zunehmend auf private Auftraggeber einstellen. Diese wollten für ihre Wohnstuben und Kunstkammern keine ausschließlich religiösen Bilder. Somit veränderte sich die Darstellungsweise biblischer Themen. Sie wurden immer öfter in Genremalerei eingebettet.
„Die heilige Familie mit dem Vorhang“ wurde auch für einen privaten Betrachter angefertigt. Das Gemälde ist für die Nahsicht bestimmt. Obwohl der Betrachter schon von weitem durch den roten Vorhang aufmerksam wird, sind die Bilddetails nur aus der Nähe zu erkennen. Der Betrachter muss das Bild aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten, um die Fülle an Details und Feinheiten vollständig zu entdecken. Auf den ersten Blick fallen nur Maria und das Jesuskind ins Auge. Bei weiterem Betrachten des Bildes werden die anderen Bildelemente sichtbar.
Ein Auftraggeber ist nicht bekannt und es ist auch unklar für welchen Gebrauch das Bild ursprünglich gedacht war. Zum Einen stellte es eine Kuriosität dar und entsprach dem zeitgenössischen Kunstgeschmack. Zum Anderen hat das Bild, wie zuvor erläutert, eine tiefere religiöse Bedeutung. Dadurch, dass Rembrandt die Heilige Familie in zeitgenössischen Gewändern darstellt vergegenwärtigt er das biblische Thema. Es wird greifbar, nahezu real. Somit hat das Gemälde den Charakter eines Andachtsbildes. Es soll den Betrachter erinnern und ermahnen. In vielen kleinen Details wird Bezug auf die Kirche genommen. Das gotische Kirchenfenster, die Heilige Familie an sich, der Vorhang als Hinweis auf das Alte Testament sind alles Verweise auf die Kirche. Der Vorhang ist und bleibt jedoch der raffinierteste Verweis, da er zum Einen ein äußeres Konstruktionsmittel zur Erlangung einer besseren Tiefenwirkung und zugleich ein Verweis auf die Bibel ist. In diesem Bildelement treffen sich Darstellungs- und Betrachtungsebene. Des Weiteren zeigt der Maler hier sein Können. Mit der täuschend echten Wiedergabe des Vorhangs stellt der Maler seine Fertigkeit unter Beweis. Schon in der Antike maßen sich die Maler darin Bildgegenstände täuschend echt wiederzugeben.
Text: Julia Ronge
Literaturauswahl:
Bockemühl, Michael: Rembrandt. Köln: Taschen, 2007
Kemp, Wolfgang: Rembrandt : Die heilige Familie mit dem Vorhang. Kassel 2003
Staatliche Museen Kassel (Hrsg.): Schloss Wilhelmshöhe Kassel. München: Prestel Museums Führer, 2000
Staatliche Museen Kassel, Michael Eissenhauer (Hrsg.): Rembrandt-Bilder : Die historische Sammlung der Kasseler Gemäldegalerie. München: Hirmer 2006
https://altemeister.museum-kassel.de/33765/36917/r/147/b13/0/0/objekt.html (15.07.2020)
Immer wieder freitags…
In einer E-Mail an seine Mitglieder schrieb der Vorstand der des Vereins der Gäste- und Museumsführer in Kassel und Region e.V.: “Nachdem nun auch die Wasserspiele bis auf Weiteres abgesagt wurden und tatsächlich nicht abzusehen ist, dass es in den nächsten Wochen Führungen geben wird, haben wir uns im Vorstand überlegt, wie wir diese Zeit dennoch sinnvoll nutzen können. So ist die Idee entstanden, dass wir ab sofort jeweils freitags eine Persönlichkeit, ein Objekt in einem Museum, eine Pflanze oder auch einen etwas unbekannteren Ort vorstellen.”
Gesagt, getan.
Die mittendrin dokumentiert diese Beiträge, in denen sich die Expertise der Gästeführerinnen und -führer zu Kassel und der Region widerspiegeln.
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