Es war toll ohne Autos!
Mit dem Freiluftexperiment Kirchditmold zeigten sich schöne neue Möglichkeiten, den Ortskern zu bespielen. Nun gilt es, die Erfahrungen, Wünsche und Kritik aus ganz Kirchditmold aufzunehmen und in die weiteren Planungen einzubinden.
Am Sonntag, dem 21. Mai endete das Freiluftexperiment Kirchditmold. Zum Abschluss des Experiments versammelten sich gut gelaunte Kirchditmolder:innen dort, wo das Freiluftexperiment am 22. April begonnen hatte:
Mitten im Ortskern Kirchditmolds, am Rande der Bahnschienen und mit dem Geruch der Pizzeria Urfa-Grill in der Nase, tauschten sich über ihre Erfahrungen während des Experiments aus. Dabei ließen Ortsvorsteherin Elisabeth König, der designierte Oberbürgermeister Sven Schoeller und Samson Kirschning von Raamwerk das vierwöchentliche Freiluftexperiment Revue passieren und bedankten sich bei den Ämtern, Planenden und Bürger:innen, die das Experiment mitgestaltet hatten. “Der Austausch, die Aktionen, das gemeinsame Essen und Singen, all das hat viel Spaß gemacht”, freute sich Kirschning.
Verkehr gerechter gestalten
Das Wetter war wieder freundlich gestimmt und begleitete den Austausch der doch recht überschaubaren Gruppe von Kirchditmolder:innen mit viel Sonnenschein. Mit dem Freiluftexperiment und den begleitenden Beteiligungsaktionen unternahm die Stadt Kassel einen wichtigen Schritt, um Maßnahmen für mehr Aufenthaltsqualitäten und einen sicheren und nachhaltigen Verkehr, auszuloten. “Es kann nicht sein, dass der Individualverkehr den Raum dominiert”, fasst König zusammen, wohin die Reise Kirchditmolds gehen solle. “Wir müssen zeigen, dass das Leben auch ohne starken Autoverkehr funktioniert und dadurch nicht eingeschränkt wird.” Schoeller schloss sich König an und kritisierte den hohen Stellenwert des Autos. Dabei sprach er sich für eine gerechte Verteilung der Verkehrsflächen aus. Dazu müsse der Radverkehr genauso sicher und einfach sein, wie der Autoverkehr. Allein die parkenden Autos würden viel öffentlichen Raum einnehmen, der stattdessen für Aufenthaltsbereiche nutzbar sei. Anschließend kamen die Kirchditmolder:innen zu Wort. “Im ersten Schritt werden wir den Verkehr los, im Zweiten den Beton.”, lautete dazu das Statement eines Bürgers, der mehr Grün im Ortskern forderte.
Zusammensitzen bei guter Laune
Während des Freiluftexperiment nahmen viele Kirchditmolder:innen den Ortskern als positiv veränderten Raum wahr, da die Bürger:innen die Straßen für sich zurückerobert hätten. “Es trauten sich mehr Leute auf die Straße. Die Sitzgelegenheiten luden zum Austausch ein und es herrschte gute Laune”, sagte ein Kirchditmolder. Dabei schufen die Bänke aus Getränkekisten mit rosa Brettern neue Aufenthaltsmöglichkeiten. So hätten sich mehr Schüler:innen der Friedrich-List-Schule während ihrer Pausen im Ortskern auf den mobilen Sitzgelegenheiten aufgehalten. “Ich finde es gut, dass ich auf meinem Schulweg nicht mehr auf die Autos aufpassen musste. Ich musste nur ab und zu auf die vorbeifahrenden Fahrräder achten”, freute sich ein Kind. Ein anderes Kind schloss sich an: “Ich wünsche mir mehr Fahrradwege und Radabstellflächen!”
Das Experiment mit den begleitenden Aktionen schien nicht für alle Kirchditmolder:innen gleichermaßen anziehend zu sein. Kamen Bürger:innen aus ganz Kirchditmold gerne im Ortskern zusammen, zeigten sich die direkten Anwohner:innen hin und wieder irritiert über die Veranstaltungen vor ihrer Haustür.
Allen Meinungen Gehör schenken
An einer Stellwand pinnten die Anwesenden der Abschlussveranstaltung ihre Rückmeldungen zum Freiluftexperiment fest. “Es war toll ohne Autos! Eine super Idee für alle” oder “Schade, dass es vorbei ist”, ließ sich dort lesen und zeichnete ein durchweg positives Stimmungsbild.
Dabei kam das Experiment nicht bei allen gut an. Einige Bürger:innen beschwerten sich über zeitraubende Umwege und suchten oftmals vergeblich nach Parkplätzen. Des Weiteren klagten einzelne Geschäfte während des Freiluftexperiments über finanzielle Einbußen, da ihre Geschäfte größtenteils von Kundschaft mit Autos angefahren werden. Damit auch diese Erfahrungen in den weiteren Planungen Berücksichtigung finden, betonte eine Anwohner:in, dass die Bedürfnisse aller Bewohner:innen, auch jene mit kritischen Stimmen, in den weiteren Planungen ernst zu nehmen seien. Ebenso notwendig sei auch ein Umdenken der Fortbewegungsmöglichkeiten, sodass zukünftig beispielsweise die Kundschaft eventuell auch ohne Autos gerne in den Ortskern zum Einkaufen komme. “Solche Experimente lehren uns Gelassenheit im Umgang mit anderen Meinungen. Es ist wichtig, dass alle Stimmen gehört werden und man gemeinsam im Austausch über mögliche Lösungen bleibt.”, betonte die Ortsvorsteherin.
Gemeinsam dranbleiben
Hatten manche Bürger:innen ihre Bedenken geäußert, ob das Experiment langfristig überhaupt etwas verändern könne, so zeigte sich König zuversichtlich: “Wir Kirchditmolderinnen und Kirchditmolder sind dafür bekannt, dass wir dranbleiben.” Denn mit dem Freiluftexperiment hört die Stadtteilentwicklung von Kirchditmold keinesfalls auf, ebenso wenig die Einbeziehung der Kirchditmolder:innen. Die Vorstellung der Auswertung der gewonnen Eindrücke, Umfragen und Verkehrszählungen vor und während des Experiments beim Ortsbeitrat Kirchditmold, ermöglicht es den Bürger:innen sich auch weiterhin mir ihren Anregungen einzubringen. “Nach den Auswertungen schauen wir, wie es weiter geht und was es dafür braucht, um unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen”, fasste der zukünftige Oberbürgermeister zusammen.
Bis dahin bleiben die bunten Veranstaltungen für Groß und Klein, wie der wöchentliche Feierabendmarkt, das Zusammenkommen im Büchereicafé oder das gemeinsame große Dinner auf der Zengtrafenstraße, im Gedächtnis, ebenso wie die rosafarbenen Sitzgelegenheiten und Blumenkästen und das Engagement der Gemeinde. Und eine große Bitte der Kirchditmolder:innen: “Der Feierabendmarkt soll bleiben!”
24.05.23
Text:
Helena Wolff
In der SprechZeit erläuterte Stadtbaurat Christof Nolda die Beweggründe der Stadt Kassel für das Freiluftexperiments Kirchditmold.
Nach Abschluss des Experiments zogen Ortsvorsteherin Elisabeth König und der designierte Bürgermeister Sven Schoeller ihr Fazit.