Im Bistro
Mit dem neusten Komm-uff unn anneren Marlästen auf du und du…
“Es ist Feierabend und die Arbeit ist vorbei, rück den Kies raus, Junge, und du bist dabei…”
So sangen es die Scherben damals in ihrem Feierabend-Lied und der Boomer fragt sich, ob sich daran eigentlich was Wesentliches geändert haben soll.
Wie auch immer: Es ist Freitag und nach Abschluss der wöchentlichen Bruttosozialproduktsteigerung steht eine gepflegte Verabredung zum Spaziergang auf der Agenda. In der Aue. Damit es nicht so anstrengend wird. Das Ganze “ruff un runner im Berchpark”, wie es der “Nochthesse” so schön zu sagen weiß. Wird ja auch nicht leichter…
Unter “Gott und die Welt” machen wir es beim Spazierengehen natürlich nicht und als die Aue-Runde sich ihrem Ende neigt, beschließen wir einvernehmlich, unser Gespräch bei einem aromatischen Heißgetränk fortzusetzen. Kommt die Frage auf, wo wir das denn tun.
Keiner von uns ist so wirklich auf der Höhe, was das innerstädtische Gastronomiegeschehen angeht, weil: Was soll man schon in der Innenstadt?
Wir sondieren also per Augenschein – und nicht über eine Online-Landkarte, wie es uns die Jungen vormachen – die Lage.
Tatsächlich kommt eine Lokalität ins durch die Gleitsichtbrille eingeschränkte Blickfeld, die Terra incognita ist, und die von außen erstmal einen sympathischen Eindruck macht. Also, rein da.
Wir finden einen schönen Platz und, wie damals üblich, kümmert sich die Krone der Erschöpfung um die Bestellung der Heißgetränke. Die kleinen merkwürdigen Bildschirmdinger, die auf allen Tischen platziert sind, ignoriert der Bestellwillige geflissentlich und steuert den Tresen an, um zeitnah beim Tresenpersonal die Bestellung für zwei Café olé aufzugeben.
Geht nicht, wird er dann belehrt.
Die Bestellung sei über das Bildschirmding auf dem Tisch zu machen. Wie jetzt?
Die nochmals deutlich jüngere Mitarbeiterin der offenbar in diesem Etablissement allein mit Entscheidungskompetenzhintergrund ausgestatteten Tresenfrau, nimmt das Stirnrunzeln des Bestellwilligen wahr und bietet an, die Bestellung der Einfachheit halber kurz aufzunehmen.
Wobei Sie die Rechnung aber ohne die Tresenumfeldbestimmerin gemacht hatte. “Wir können das nicht machen. Wenn wir alle Bestellungen so annehmen, funktioniert das hier nicht mehr”, sprach sie zu ihrer Mitarbeiterin.
Kriseninterventionstechnisch kamen die beiden Damen dann überein, dass die junge Frau den Bestellwilligen an den Tisch begleitet und mit dem Bildschirmding die Bestellung klarmacht. Betreutes Bestellen, auch schön.
Sie arbeitet sich also durch gezieltes Anstupsen an der richtigen Stelle durch die unermesslichen Möglichkeiten des Bestellkosmos.
Ist ziemlich gut, dass die junge Frau das mit ihren zarten Fingern tut, dann die obere Menüleiste ist so schmal und die Schrift so klein, dass es dem Bestellwilligen kaum gelungen wäre, die Order für sich und seine Begleitung ordnungsgemäß durchzuführen.
Nach kurzem Hin und Her wandert unsere Bestellung dann in den Warenkorb und wir können endlich unser Gespräch fortsetzen.
Es bleibt angeregt und nach einem kleinen Snack, den wir intelligenterweise direkt bei der jungen Dame mitbestellt hatten, um uns nicht weiter mit diesen neumodischen Elektriktricks auseinandersetzen zu müssen, stellte sich, zumindest bei einem von uns, Bierdurst ein.
Der Bestellwillige bedeutet der Bestellaufnehmerin von vorhin per Handzeichen, das es hier noch ein von ihr zu erfüllendes Begehr gibt. Komischerweise bewegt sie sich nicht auf den Tisch zu, sondern deutet, wiederum per Handzeichen, auf die Frau mit dem Tresenentscheidungskompetenzhintergrund, die den Konsumwilligen vorhin ihr Bestellsystem aufgezwungen hat, statt sich kundenorientiert flexibel zu zeigen.
“Könnte eng werden mit dem Bier”, denkt der Bestellwillige. Wurde es dann auch tatsächlich. “Wir machen gleich zu und bitten Sie zu bezahlen”, kam die Botschaft vom Tresen.
Supersache, hier. Wir können es kaum abwarten, wiederzukommen…
18.5.2023
Text: Georg Schreiber
Lob und Widerspruch:
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