Junge Menschen, große Ideen
Kinder und Jugendliche wollen ihre Umwelt mitgestalten. Beteiligungsprojekte unterstützen sie dabei, ihre Ideen umzusetzen.
Einen neuen Spielplatz gestalten, das Jugendzentrum ausbauen oder Maßnahmen für einen sicheren Schulweg erdenken: All das sind spannende Projekte, bei denen Expert:innen gefragt sind.
Wahre Spezialist:innen sind hier die Kinder und Jugendlichen. Sie haben eine Vielzahl von Ideen für die Gestaltung ihres Lebensumfeldes, die ihre Stadt bunter machen, und es lohnt sich, sie in die planerischen Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Gerade bei Projekten, die sie unmittelbar betreffen, bereichern sie durch ihre Neugier und Kreativität die Planungen. Denn Kinder und Jugendliche wollen sich einbringen und ihre Stadt mitgestalten. In Kassel unterstützen sie Beteiligungsprojekte dabei, ihre Interessen in die Stadtgesellschaft einzubringen. Auf Augenhöhe und mit viel Spiel und Spaß sammeln beispielsweise die Mitarbeitenden des Beteiligungsmobils der Roten Rübe gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen Ideen, die ihre Lebenswelt lebendiger machen und helfen ihnen bei der Umsetzung.
Einmischen erwünscht!
Denn Kinder und Jugendliche haben eine Stimme, die zählt. Offizielle Übereinkommen wie die UN-Kinderrechtskonvention halten Maßnahmen fest, die sie in ihrer Entwicklung zu einer selbstbestimmten und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unterstützen. Das Recht auf Beteiligung ist dabei eine wichtige Maßnahme, welche die sie dazu ermutigt, ihre Meinung zu äußern. Wie Kinder- und Jugendbeteiligung in Kassel aussehen soll und wann sie stattfindet, legte 1997 die Stadtverordnetenversammlung fest. So ist bei allen Planungen und Entscheidungen zu Baumaßnahmen, die sie betreffen, ihre Meinung gefragt. Bei einem Schulhofausbau etwa, braucht es die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen, weil sie am besten wissen, was sie brauchen, damit die Pausen an der frischen Luft Spaß machen und welche Spielgeräte schon längst nicht mehr spannend sind. Eine solche Einbindung im Vorfeld vermeidet ärgerliche Fehlplanungen und schafft darüber hinaus eine Identifikation mit dem Ort. So beteiligt, übernehmen Kinder und Jugendliche für Orte, die sie mitgestaltet haben, gerne mehr Verantwortung, sodass diese länger nutzbar bleiben. Über Beteiligungsformaten für konkrete Vorhaben hinaus, gibt es das Kinder- und Jugendforum, in welchem die Kinder und Jugendlichen ihre Ideen für selbst initiierte Projekte vortragen. Vom Kinder- und Jugendbüro organisiert, präsentieren Kinder und Jugendliche dort ihre Anliegen den zuständigen Politiker:innen und der Stadtverwaltung und bitten diese um Unterstützung, sodass ihre Ideen Einzug in die Planungs- und Entscheidungsprozesse der Stadt finden.
Spielerisch sichere Schulwege schaffen
So brachten die Kinder der Grundschule Am Lindenberg im Forstfeld 2021 ihre Wünsche für ihren Schulweg in das Kinder- und Jugendforum ein und zeigten, dass es ihren Blickwinkel braucht, um eine attraktive und lebenswerte Stadt für alle zu schaffen.
Breite, unübersichtliche Straßen und schnelle Autos: Als ein Auto einen Schüler auf dem Schulweg streifte, war klar, dass sich etwas ändern muss. Gemeinsam mit den Mitarbeitenden des Rote Rübe- Beteiligungsmobils erarbeiteten sie Maßnahmen für einen sicheren Schulweg. Während einer gemeinsamen Schulwegsbegehung untersuchten sie die verbesserungsbedürftigen Orte. Mit bunter Kreide malten sie Zebrastreifen und Verkehrsschilder auf die Straßen und verdeutlichten, was es aus ihrer Perspektive heraus braucht, damit sie mit einem guten Gefühl den Schulweg meistern können. Zudem drehten sie mit den Mitarbeitenden der Roten Rübe einen Kurzfilm über die brenzligen Verkehrssituationen, die ihnen tagtäglich begegnen und tauschten sich anschließend darüber aus. Wie viel Raum die Autos eigentlich einnehmen, zeigte sich dann mit der eintägigen Sperrung der Straße vor der Schule. Temporär verwandelten die Kinder diese in eine fröhliche Spielstraße und regten an, die Straße langfristig für den Autoverkehr zu sperren.
Ruckzuck Veränderungen bewirken
Die Kinder wünschten sich eine beruhigte Verkehrssituationen, die es ihnen ermöglicht, statt mit dem Elterntaxi, selbstständig zur Schule zu gehen. Um alle Anliegen zusammenzufassen, brauchte es ausreichend Zeit für den kreativen Austausch. So sammelten die Kinder zu Beginn, einem “Kick-Off”, ihre Ideen. Durch sogenannte “Ruckzuck-Maßnahmen”, der schnellen Realisierung von Ideen ohne großen Aufwand, konnten die Kinder bereits nach kurzer Zeit erste Umsetzungen ihrer Ideen ausprobieren. So fühlten sich die Kinder angesichts der raschen Errichtung der sehnlich gewünschten Rollerständer gehört und wertgeschätzt.
“Wir begleiten die Kinder immer von der Idee bis zur konkreten Umsetzung. Das kann dauern, aber wir bleiben mit ihnen in Kontakt, damit sie sehen, dass ihre Interessen nicht vergessen sind”, erklärte Constanze Richter von der Roten Rübe. Im Verlauf des Beteiligungsprozesses stellte sich heraus, dass nicht alle Wünsche realisierbar waren, aber die Mitarbeitenden der Roten Rübe nahmen jede noch so phantasievolle Idee ernst. So erforschten sie gemeinsam die Chance und Grenzen der Überlegungen und fanden, wenn nötig, schöne Alternativen. So stehen beispielsweise langfristig noch die Aufstellung von Absperrpfosten im Überquerungsbereich vor dem Schulgebäude an.
Wertschätzung und Selbstwirksamkeit erfahren
Durch Beteiligungsformate wie die der Roten Rübe erhalten die Kinder und Jugendlichen eine gezielte Teilhabe an öffentlichen Projekten. “Durch das Mitwirken an echten Projekten entwickeln sie ein Bewusstsein für ihre Rechte und lernen ihre Wirksamkeit kennen, da sie eine Menge bewegen können. Das ist motivierend und schön zugleich und stärkt die Demokratie.”, betont Richter. “Denn machen Kinder und Jugendliche die Erfahrung, dass ihre Ideen und Anliegen Gehör finden, stärkt sie das in ihrem Selbstvertrauen und erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit, dass sie als Erwachsene ebenso aktiv und kreativ die Gesellschaft mitgestalten.”
In diesem Sinne tragen die Beteiligungsprojekte zu einer bunten Gemeinschaft bei, in der sich Klein und Groß wohl fühlen.
Spielmobil Rote Rübe e.V.
Seit 1990 bietet der Verein Kindern vielfältige Spiel- Sport- und Kreativangebote.
Das Spielmobil fährt dabei in die Kasseler Stadtteile, bringt Kinder zusammen und lädt sie zum Spielen unter freiem Himmel ein. Mit Unterstützung des Beteiligungsmobils untersuchen die Kinder für sie wichtige Orte, etwa Spielräume oder öffentliche Treffpunkte. Durch Methoden wie Forschungsstreifzüge oder Spielbaustellen erarbeiten sie gemeinsam Verbesserungsideen.
Nach jeder Beteiligungsaktionen steht ein großes Fest an, welche die tolle Leistung der Kinder feiert.
05.07.2023
Text:
Helena Wolff
Auch im StadtZeit Kassel
Magazin, Ausgabe 116,
Juni/Juli 2023