Kassel ächtet das M-Wort!
Während sich der Magistrat der Stadt Kassel mit der Umsetzung des demokratischen Beschlusses der Ächtung des M-Wortes seit nunmehr 18 Monaten sehr schwertut, wurde der Beschluss und das zugrunde liegende bürgerschaftliche Engagement vom “Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt (BfDT)” in Berlin als vorbildlich ausgezeichnet.
Demokratie stärken
Am 23. Mai 2000 gründeten die Bundesministerien des Innern und der Justiz das „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt (BfDT)”. Die Gründungsressorts wählten bewusst den Jahrestag der Verkündigung des Grundgesetzes der Bundesrepublik, um der normativen Kraft unserer Verfassung als Grundlage allen staatlichen und gesellschaftlichen Handelns Ausdruck zu verleihen. Die in unserer Verfassung niedergelegten Freiheitsrechte, Rechtsgrundsätze und Werte sind darüber hinaus auch die Basis für die Zusammenarbeit des Bündnisses mit den zivilgesellschaftlichen Partnern in den verschiedenen Feldern der praktischen Demokratie- und Toleranzförderung. Seit 2011 ist die Geschäftsstelle des BfDT Teil der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Das Ziel des Bündnisses ist zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und Toleranz in unserem Land sichtbar zu machen und möglichst viele Mitbürgerinnen und Mitbürger zum Einsatz für unsere Demokratie zu ermutigen und anzuregen.
Aktiv für Demokratie und Toleranz 2022
Auch in diesem Jahr fand der Aktiv-Wettbewerb des BfDT “Aktiv für Demokratie und Toleranz” statt und bundesweit wurden insgesamt 57 Projekte als vorbildlich und nachahmbar eingestuft. Von einer Jury aus Vertreter:innen der Zivilgesellschaft, der Bundesregierung, der Politik und der Wissenschaft wurden auch drei Projekte aus Hessen ausgewählt. Unter den Preistragenden waren auch Ruth und Thomas Hunstock mit ihrem Projekt der „Ächtung des M-Wortes in Kassel“, welches von der Jury als vorbildlich ausgezeichnet wurde. Auf der Homepage des BfDT heißt es dazu:
Mit ihrem Projekt “Ächtung des M-Wortes in Kassel” haben Ruth und Thomas Hunstock aus Kassel (HE) durch eine Eingabe in der Kasseler Stadtverordnetenversammlung einen demokratischen Beschluss zur Bekämpfung von Rassismus erwirkt. Auf Grundlage der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Abstammung hat das Ehepaar erreicht, dass die Stadt Kassel als erste und bisher einzige Kommune Deutschlands jegliche Verwendung des M-Wortes offiziell als rassistisch anerkennt. Damit verdeutlicht das Projekt, dass sich neben dem Wahlrecht jede*r, auch ohne parteipolitisches Engagement, an der Gestaltung demokratischer Prozesse beteiligen kann. Der Ächtung des M-Wortes wurde in der Kasseler Stadtverordnetenversammlung am 14. Juni 2021 mit über 60 Prozent zugestimmt. Durch das Projekt konnte nicht nur Respekt gegenüber Betroffenen, sondern auch das Bewusstsein für diskriminierungssensible Sprache in Kassel und Umgebung gefördert werden. So benannte sich im Anschluss an die erfolgreiche Eingabe u.a. eine M-Apotheke im Nachbarort um.
Der Magistrat der Stadt Kassel ist sich der Bedeutung nicht bewusst
Um zu verstehen welche Bedeutung dieser Beschluss in sich trägt und welche Aufträge sich daraus für den Magistrat der Stadt Kassel ergeben, lohnt sich ein Blick auf unsere demokratischen Grundregeln sowie unsere demokratischen Werte. Generell legt Politik Regeln und Entscheidungen für Gruppen fest, dementsprechend legt die Kommunalpolitik Regeln und Entscheidungen für die Gemeinde fest. Es gilt das demokratische Mehrheitsprinzip. Zu unseren demokratischen Werten gehört es demokratisch gefasste Beschlüsse zu akzeptieren und umzusetzen, auch wenn sie der eigenen Meinung nicht entsprechen. Demokratie bedeutet nicht, dass immer alle zufrieden sind.
In Kassel haben die Bürger:innen, stellvertretend durch ihre demokratisch gewählten Vertreter:innen, die Verwendung des M-Wortes in jeglicher Konstellation als rassistische Fremdbezeichnung geächtet. Die Ausnahmslosigkeit der Ächtung lässt keinen Interpretationsspielraum mehr die Gewaltwirkung des Begriffes wegzuerklären. Jegliche Verwendung des M-Wortes, auch die für Apotheken- und Produktbezeichnungen, ist in Kassel offiziell rassistisch und stellt demnach eine Menschenrechtsverletzung dar.
Missachten oder ignorieren Personen diesen Beschluss stellt das kein passives Verhalten, Neutralität oder Gleichgültigkeit dar, sondern ein aktives antidemokratisches Handeln welches sich auch nicht mit dem Hinweis auf Freiheitsrechte legitimieren oder rechtfertigen lässt.
Daraus ergeben sich gleich mehrere Aufträge für den Magistrat der Stadt Kassel. Er muss die bekannten Personen aufklären und über den Sachverhalt informieren. Umbenennungen können nicht angeordnet, müssen aber im Namen der Kasseler Gemeinde gefordert werden. Unterstützungen für Umbenennungen sollten angeboten werden, schließlich liegt ein gültiger demokratischer Beschluss des höchsten Organs der Gemeinde vor. Das Amt für Chancengleichheit der Stadt Kassel wurde für solche Aufgaben im Sommer 2021 geschaffen, der längst überfälligen Umsetzung des Beschlusses steht also nichts im Wege.
10.12.2022
Pressemitteilung
Projekt-Initiative SIDE BY SIDE