Mehr als Wohnen: Leben in Gemeinschaft
Das Mehrgenerationen-Wohnprojekt Kaufungen bettet attraktive Wohnungen in eine unterstützende Gemeinschaft ein.
Im Mehrgenerationenhaus ist ein gemeinsamer Abend geplant. Manche kommen von der Arbeit und gehen über den Garten zum Gemeinschaftsraum. Einige ältere Bewohner:innen sind schon da. Während die Eltern unterwegs waren, haben sie hier mit den Kindern bunte Bilder gemalt, die nun die Wände schmücken. Eine Gruppe bereitet an der Küchenzeile leichte Snacks vor, andere haben ihre Instrumente mitgebracht und sind bereit, den Tag mit schöner Musik ausklingen zu lassen.
So könnte das zukünftige Leben im Mehrgenerationenhaus aussehen. Seit Februar 2022 entsteht das Wohnprojekt am Kreisel zwischen Nieder- und Oberkaufungen. Dabei sollen auf dem grünen Gelände drei Häuser mit privaten Wohnungen einen separaten großzügigen Gemeinschaftsraum umschließen.
Die zukünftigen Bewohner:innen bilden eine bunte und unterstützende Gemeinschaft: Gemeinsam gründen sie mit dem Wohnprojekt eine Art kleines solidarisches Dorf, in welchem Jung und Alt voneinander lernen, gemeinsam im großen Garten Feste feiern, Ausflüge in den nahegelegenen schönen Steinertseepark unternehmen oder zusammen im Gemeinschaftsraum kreativ werden. Das erste Haus befindet sich bereits im Bauprozess. Die zukünftigen Bewohner:innen des ersten Hauses gründeten die Genossenschaft “Gemeinschaftlich Wohnen in Kaufungen e.G.”, wodurch die Häuser allen Bewohner:innen gemeinsam gehören.
Die Genossenschaft lädt alle Interessierten ein, das Wohnen und Leben im Mehrgenerationenhaus aktiv mitzugestalten und Teil der wachsenden Gemeinschaft zu werden.
Zusammen Gemeinschaft gestalten
Auf dem ehemaligen Festplatz der Gemeinde Kaufungen entstehen auf der ca. 2400qm große Gesamtwohnfläche die barrierearmen Wohnungen zwischen 40-100 qm. Durch die privaten Wohnungen haben die Bewohner:innen Raum für sich und sind durch die Gemeinschaft der Genossenschaft miteinander verbunden.
Ein zukünftiger Bewohner sieht im ungezwungenen Miteinander ein großes Potenzial: “Ich kann Zeit mit den Anderen verbringen, muss es aber nicht. Wenn mir nach Gemeinschaft ist, gehe ich in den Gemeinschaftsraum oder setze mich in den Garten. Und wenn ich für mich sein möchte, dann mach ich einfach meine Wohnungstür zu und bin wieder für mich”. Der geplante Gemeinschaftsraum bildet dabei den zentralen Begegnungsraum. Dabei haben die Bewohner:innen viele Ideen, wie der Gemeinschaftsraum einmal aussehen soll. “Ich male gerne und es wäre schön, das Hobby mit den anderen zu teilen”, überlegt eine Bewohnerin. Für die Bewohner:innen des ersten Hauses, vorwiegend Renter:innen, ist das Wohnprojekt eine bewusste Entscheidung, das Wohnen im Alter gestalten. “Ich habe mich schon länger nach einem passenden Wohnprojekt umgesehen und es hier gefunden”, erzählt ein zukünftiger Bewohner, der sich bereits auf den Einzug freut. Eine Bewohnerin ergänzt: “Ich möchte nicht mehr in einer anonymen Wohnsiedlung leben. Ich möchte meine Nachbarn kennen und auch mal um Hilfe bitten können”.
Miteinander entscheiden
Die zukünftigen Bewohner:innen wollen eine lebendige Gemeinschaft bilden, in der alle die gleichen Rechte und Pflichten haben und gestalten als Mitglieder der Genossenschaft gemeinsam das Wohnen und Leben in den Mehrgenerationshäusern.
Die Mitglieder organisieren sich dazu in verschiedenen Arbeitsgruppen und vertreten die Interessen der Gemeinschaft. So bespricht sich beispielsweise die Arbeitsgruppe Bau mit den Architekt:innen über die geplanten Baumaßnahmen und stellt sicher, dass sich die Häuser nach den Vorstellungen der Bewohner:innen gestalten. Die Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit kümmert sich hingegen um die Außendarstellung, um neue Menschen von dem Mehrgenerationshaus zu begeistern. Damit sich alle mitgenommen fühlen, treffen die Bewohner:innen alle Entscheidungen im Konsens. “Ein konstruktiver und wertschätzender Austausch kann dauern, aber es lohnt sich”, findet ein Mitglied. Ein weiteres Mitglied schließt sich an: “Als es einmal zu einer Meinungsverschiedenheit kam und ich merkte, dass man sich hier bewusst den Raum für eine gemeinsame Lösungsfindung nimmt, wusste ich, dass ich hier richtig bin”.
Ausmisten für den neuen Lebensabschnitt
Es braucht Mut und Ausdauer, um sich an ein solches Projekt zu wagen. Dabei ist den Mitgliedern bewusst, dass nicht alle Menschen warten können, bis die Neubauten bezugsfertig sind. “Wir wünschen uns eine große Vielfalt an Bewohnerinnen und Bewohnern. Gerade junge Leute würden unsere Gemeinschaft sehr bereichern. Aber klar, gerade Familien benötigen meist ab sofort eine neue Wohnung und nicht erst in ein paar Jahren”, weiß ein Bewohner. Außerdem bedeutet der Umzug für einige zukünftige Bewohner:innen eine bewusste Entscheidung für eine Flächenreduzierung des eigenen Wohnraums. “Aber das Aussortieren ist ein spannender Prozess. Ich schaue jetzt, was ich wirklich brauche und was eigentlich mehr materielle Last ist. Das ist überraschend erleichternd”, findet ein Bewohner und fügt lachend hinzu: “Und meine Kinder sind auch froh, wenn sie später meinen Krempel nicht mehr ausmisten müssen”.
Alle können mitmachen
Für eine schöne Durchmischung der Generationen stehen die nachfolgenden Häuser vor allem für Familien mit Kindern offen. So können sich Wohninteressierte für das zweite Haus bewerben. Aktuell sind hier klassische Wohnungen und Clusterwohnungen mit gemeinsamen Wohn- und Küchenbereich angedacht. Damit sich alle Bewohner:innen wohl miteinander fühlen, ist es der bestehenden Gemeinschaft wichtig, neue Bewerber:innen im Vorfeld in Ruhe kennen zu lernen. Die zukünftigen Bewohner:innen sind sich einig: “Wir freuen uns auf das Leben im Mehrgenerationshaus und sind froh, dass wir uns für dieses Abenteuer entschieden haben ”.
Gemeinschaftlich Wohnen in Kaufungen eG
Zwischen Nieder- und Oberkaufungen entsteht in der Anja-Niedringhaus-Straße das Mehrgenerationen-Wohnprojekt. Die Wohnungen sind Eigentum der Genossenschaft “Gemeinschaftlich Wohnen in Kaufungen eG” und gehören so allen Mitgliedern zu gleichen Anteilen. Geplant sind drei Häuser. Seit Februar 2022 wird das erste Haus realisiert und schafft für Einzelpersonen und eine betreute Wohngemeinschaft beeinträchtigter Menschen neuen Wohnraum. Das geplante zweite Haus bietet aktuell noch freie Wohneinheiten, Voraussetzung ist die Mitgliedschaft in der Genossenschaft. Wohninteressierte lernen bei einem Besuch des Info-Cafés und durch ihre Teilnahme an sechs Sitzungen der Genossenschaft die Gemeinschaft kennen und schauen gemeinsam mit den Mitgliedern, ob das Projekt zu ihnen passt.
Nächstes Info-Café:
Freitag, 30. Juni 2023
ab 18 Uhr
Begegnungsstätte Kaufungen, Theodor-Heuss-Straße 15
Genossenschaft
Im 19. Jahrhundert bildeten sich nach den Grundprinzipen der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung die ersten Wohngenossenschaften. Die Mitglieder der Genossenschaften profitieren von einem lebenslangen Wohnrecht zu bezahlbaren Mieten. Jedes Mitglied hat die gleichen Rechte und Pflichten, unabhängig von der Höhe der erworbenen Genossenschaftsanteile und kann mitentscheiden, was in der Wohnungsgenossenschaft passiert, zum Beispiel, ob in neue Objekte investiert wird. Dabei zahlen die Mitglieder zahlen eine Einlage, welche je nach Genossenschaft variiert, zuzüglich zu den Miet- und Nebenkosten.
28.06.2023
Helena Wolff