
Naturgesetze sind nicht verhandelbar
Mojib Latif wird mit dem Preis „Das Glas der Vernunft“ 2025 geehrt
In diesem Jahr wird zum 34. Mal der Preis „Das Glas der Vernunft“ verliehen. Die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung der Kasseler Bürgerschaft geht an den Meteorologen, Ozeanografen und Klimaforscher Prof. Dr. Mojib Latif.
„Wir werden den Preis einem Wissenschaftler und Wissenschaftsvermittler übergeben, der unermüdlich darauf hinweist, dass wir Naturgesetze nicht verhandeln können und man mit dem Planeten Erde keine Kompromisse schließen kann“, sagt Wilfried Sommer, Vorsitzender des Vorstandes der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Preises. Mojib Latif ist Seniorprofessor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und forscht am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft CLUB OF ROME, Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und einer der bekanntesten Klimaexperten Deutschlands. Vorstand und Kuratorium würdigen, wie Mojib Latif die weckende und reflexive Dimension der Vernunft zusammenführt.
Seit vier Jahrzehnten erforscht Mojib Latif die Wechselwirkung zwischen Ozeanen und Atmosphäre und deren Einfluss auf das Klima. Dabei stellt er sein Expertenwissen für das Alltagsverständnis anschlussfähig dar. Bereits im Jahr 2000 wurde er mit dem Max-Planck-Preis für öffentliche Wissenschaft ausgezeichnet. Die Liste seiner Preise schließt den Deutschen Umweltpreis (2015) und den Verdienstor- den der Bundesrepublik Deutschland (2023) ein. In seinem Buch HEISSZEIT, einem SPIEGEL Bestseller, unterstreicht er seine Position mit einem Zitat des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Barack Obama: „Wenn wir die Luft, die unsere Kinder atmen werden […] und wenn wir die Träume all unserer Nachkommen über unsere kurzfristigen Interessen stellen – ja, dann ist es vielleicht noch nicht zu spät“. Mojib Latif geht es um eine zielführende Klimakommunikation, die kontraproduktive Verzichtsdebatten überspringt und eine Aufbruchstimmung erzeugt.
Die Findungskommission habe, so Sommer, in hohem Maße bewegt, wie der Anspruch der Wahrheit als gesellschaftlicher Konsens erhalten werden kann. „Wir können Wahrheit nicht befehlen und Irrtum nicht verbieten“. Der Anspruch der Wahrheit bleibe aber der Grund, auf dem wir stehen, der Horizont, zu dem wir blicken und die Atmosphäre, in welcher die Vernunft auflebe. In Beziehung auf den Plane- ten Erde bzw. das Mensch-Erde-System bringt Mojib Latif die Herausforderungen der Klimaerwärmung und den Wert wissenschaftlicher Perspektiven direkt zusammen.
Vorstand und Kuratorium des Kasseler Bürgerpreises würdigen, wie Mojib Latif den Zusammenhang von Mensch und Erde wissenschaftlich erforscht, allgemeinverständlich kommuniziert und auf unser aller Verantwortung hinweist. Er zeigt dabei vorbildhaft auf, wie ein globales Bewusstsein in das eigene Nachdenken integriert werden kann.
Der Bürgerpreis „Das Glas der Vernunft“ wird am Sonntag, den 28. September 2025 in einer Spielstätte des Staatstheaters Kassel an Mojib Latif übergeben.

Seit vier Jahrzehnten erforscht Mojib Latif die Wechselwirkung zwischen Ozeanen und Atmosphäre und deren Einfluss auf das Klima. Foto: Jann Wilken/AdWHH
Mojib Latif begann seine wissenschaftliche Karriere in Hamburg, wo er auch promovierte und habilitierte. Am dortigen Max-Planck-Institut für Meteorologie widmete er sich bereits der Vermittlung des Themas der Klimaveränderung in der Öffentlichkeit. 2003 wurde er als Professor an die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel berufen und leitete ab 2004 den Forschungsbereich Ozeanzirkulation und Klimadynamik am damaligen Institut für Meereskunde Kiel, dem heutigen GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Stets hat er seine Expertise auch auf internationaler Ebene eingebracht, unter anderem als Mitautor der Berichte des Weltklimarates der Vereinten Nationen (IPCC).
Seit November 2017 ist er Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome. Die Mitgliederversammlung der Akademie der Wissenschaften Hamburg hat ihn am 19. November 2021 zum Akademiepräsidenten gewählt.
Für seine Forschungsarbeit und seinen unermüdlichen Einsatz für den Klimaschutz erhielt er am 9. Oktober 2023 im Schloss Bellevue von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Latif habe zu den Forschungsergebnissen immer wieder konkrete Vorschläge für eine Umsetzung gemacht und in vielen Büchern den Klimawandel für eine breite Öffentlichkeit verständlich dargelegt, heißt es in der Begründung des Bundespräsidialamtes.
Geschäftsstelle Gesellschaft der Freunde und Förderer des Kasseler Bürgerpreises Das Glas der Vernunft e. V.

© Stadt Kassel; Foto: Harry Soremski
Der Bürgerpreis „Glas der Vernunft“
wurde 1990 von Kasseler Bürger:innen gestiftet. Anlass war die Öffnung der DDR-Grenze im November 1989. Der mit 20.000 Euro dotierte Preis ist seither 33-mal so- wohl an Wissenschaftler:innen, Künstler:innen, Politiker:innen und Naturschützer:innen als auch an Menschenrechts- und Hilfsorganisationen vergeben worden, die sich mit ihrem Wirken den Idealen der Aufklärung – Vernunft, Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Überwindung ideologischer Schran- ken – in besonderer Weise verdient gemacht haben.
Symbolisiert wird der Preis durch eine von dem Kasseler Kunstprofessor und documenta-Künstler Karl Oskar Blase gestaltete Skulptur: Ein Glasprisma im Oktogon. Das Glas steht für Transparenz und Zer- brechlichkeit, das Prisma für Aufklärung durch wissenschaftliche Analyse, das Oktogon für Vollkom- menheit.
Die 1991 gegründete Gesellschaft der Freunde und Förderer des Bürgerpreises hat inzwischen weit über 500 Mitglieder – und zwar nicht nur aus Kassel und der Region, sondern aus nahezu allen Bundes- ländern sowie aus dem Ausland. Durch ihre Beiträge und durch Spenden wird der Preis sowie die Ver- anstaltung zur Preisverleihung finanziert. Der Vorstand des Vereins sowie die Mitglieder des Kuratori- ums arbeiten ehrenamtlich.
Erster Preisträger war 1991 der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher, der die Aus- zeichnung für seine Verdienste um die Öffnung der DDR-Grenze erhielt. 2016 wurde Edward Snowden geehrt: Der ehemalige CIA-Mitarbeiter enthüllte die weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten, vor allem der USA. Er konnte den Preis in Kassel nicht in Empfang nehmen, weil er international mit Haftbefehl gesucht wird. Sein Glas der Vernunft befindet sich noch im Kasseler Stadt- museum. Es steht für die Hoffnung, dass es Snowden eines Tages als freier Mensch in Empfang nehmen kann.
Auf der Homepage www.glas-der-vernunft.de sind alle bisherigen Preisträger aufgeführt.