Opernthriller in der Raumbühne ANTIPOLIS
Giuseppe Verdis „Otello“ als Neuproduktion im Opernhaus
Giuseppe Verdis vorletzte Oper „Otello“ schlägt mit spannungsgeladenem, romantischem Orchesterklang unmittelbar in ihren Bann – und das von Beginn an.
Inmitten eines tobenden Sturms kehrt Otello als siegreicher Feldherr zurück nach Zypern – ein gefeierter Held, auf den die jubelnde Menge und die schönste Frau des Landes warten. Ehrfürchtig umringen ihn seine Mitstreiter, doch Otello unterläuft ein Fehler, der ihm zum Verhängnis werden soll: Er befördert den Falschen.
Eng an Shakespeares berühmtem Drama entlang zeichnen Verdi und sein Librettist Arrigo Boito die Demontage des Helden bis zur völligen Vernichtung nach. Fremd in Zypern und unter ständigem Legitimationszwang, vertraut Otello ausgerechnet Jago, den er bei der Beförderung übergangen hat. Jago schürt nicht nur gezielt Otellos Eifersucht, er spinnt ein ganzes Intrigennetz, um Otellos Glück zu zerstören und ihn gesellschaftlich zu ruinieren. Am Ende stehen der Frauenmord an Desdemona und Otellos Selbstmord, vielleicht als ein letzter verzweifelter Versuch der Selbstheroisierung. Doch das Ende des Helden ist besiegelt.
Anika Rutkovsky, eine der aktuell spannendsten Regiebegabungen, hat den Opernthriller in der Raumbühne ANTIPOLIS inszeniert. Dem geteilten Zypern der Shakespeare’schen Vorlage und der Gegenwart entspricht hier die Teilung in eine zypriotische und eine venezianische Perspektive der Bewohner:innen und der Kolonialherrschaft. Die unterschiedlichen Perspektiven lassen die Blickwinkel der Besatzer und der Kolonialisierten aufeinanderprallen und machen sie unmittelbar erlebbar, während Otellos Demontage zugleich psychologisch genau erzählt wird. Anika Rutkofsky ist Gewinnerin des internationalen Regiewettbewerbes Ring Award Graz 21 und Alumna der Akademie Musiktheater heute der Deutsche Bank Stiftung. Zuletzt inszenierte sie „Katja Kabanova“ an der Oper Graz, „Herzog Blaubarts Burg“ am Luzerner Theater und „L’Elisir d’amore“ an der Staatsoper Stuttgart.
In der Titelpartie ist als Gast der spanische Tenor Eduardo Aladrén zu erleben und als Desdemona die norwegische Sopranistin Margrethe Fredheim, die seit 2021/22 Ensemblemitglied am Staatstheater Kassel ist und hier bereits in etlichen großen Partien begeistert hat. In der Rolle des Jago alternieren als Gast Mihail Bachtadze und Ensemblemitglied Filippo Bettoschi.
Nach der Premiere schrieb die HNA: „Eindeutige Gewinnerin in der Publikumsgunst war Margrethe Fredheim als Desdemona. Sie verstand es, den Charakterkern der scheinbar klischeehaft weiblichen Rolle zu bergen, gestaltete in lyrischen wie dramatischen Passagen wandelbar und anrührend. (…) Das Orchester agierte brillant. Opernchor, Extrachor, Kinder- und Jugendchor komplettierten ein pralles, saftiges musikalisches Erlebnis von Format.”
Karten für die nächsten Vorstellungen am 9., 12., 17. und 24. Mai sind erhältlich an der Theaterkasse, Tel. (0561) 1094-222, und online unter www.staatstheater-kassel.de.
Musikalische Leitung: Francesco Angelico / Mario Hartmuth, Regie: Anika Rutkofsky, Bühne: Uta Gruber-Ballehr, Kostüme: Marie Sturminger, Nina Samadi, Video: Stefan Bischoff, Dramaturgie: Teresa Martin, Chor: Marco Zeiser Celesti
Mit: Eduardo Aladrén als Gast (Otello), Mihail Bachtadze als Gast / Filippo Bettoschi (Jago), Margrethe Fredheim (Desdemona), Ilseyar Khayrullova (Emilia), Björn Edelmann (Cassio), Don Lee (Ludovico), Serhii Moskalchuk (Montana), Hyunseung You / Seong Ho Kim (Rodrigo), Hakan Çiftçioğlu, Michal Kuzma, Szczepan Nowak (Ein Herold)