Vom Betonklotz zum Leuchtturm für Musik und Kultur
Ehemaliger Hochbunker in Bettenhausen wird zum Bandprobenzentrum.
Mit dem Babylon-Musikbunker zieht bald ein neuer musikalischer „Wind“ durch den Kasseler Osten. Als professionelles Bandprobezentrum strahlt ein alter Hochbunker von Nordhessen aus in die Region und darüber hinaus. Im Beisein von Kulturdezernentin Susanne Völker und Stadtbaurat Christof Nolda fiel am 8. Juli der offizielle Startschuss.
Startschuss für den Babylon-Musikbunker (v.l.n.r.): Susanne Völker (Kulturdezernentin der Stadt Kassel), Christof Nolda (Stadtbaurat), Rainer Mielke (Mielke+Freudenberg Vermietung GbR), Thilo Trumpoldt und Klaus Macpolowski (Rockbüro Kassel e.V.)
Foto: Soremski
Auch der Hessische Rundfunk war am 8. Juli dabei. >>Hier zu sehen. (ab 10 min, 20 sec)
SprechZeit-Podcast mit Susanne Völker (Kulturdezernentin der Stadt Kassel), Rainer Mielke (Mielke + Freudenberg, Architekt und Miteigentümer) sowie Klaus Macpolowski (Rockbüro Kassel e.V.). >>Hier zu hören.
Ein Ort für handgemachte Musik
Musikalisch vielfältig, bisweilen laut und offen für Jung und Alt geht es ab sofort hinter den extrem dicken Außenmauern eines sechsgeschossigen Hochbunkers im Kasseler Stadtteil Bettenhausen zu. Regelmäßige Musikpräsentationen, qualifizierte Probe- und Produktionsräume, ein Tonstudio, ein gutes Zusammenspiel mit dem Stadtteil, die Förderung von Nachwuchsbands: Mit dem Babylon-Musikbunker haben der Verein Rockbüro Kassel und das Bremer Investorenduo Claus Freudenberg und Rainer Mielke in den vergangenen zwei Jahren einen Ort für handgemachte Musik konzipiert und aufgebaut, der nun seine kulturelle Strahlkraft entwickeln kann. Auf über 1.200 Quadratmetern Nutzfläche und 2.000 Quadratmetern Gesamtfläche ist Platz für alle Facetten des musikalischen und kreativen Schaffens, alle musikalischen Strömungen sind im Babylon willkommen.
Babylon Musikbunker: Detailansicht bezugsfertiger Proberaum, Foto: N. Klinger
70 Musik- und Proberäume
Nach fast 15-monatigem Umbau und der Modernisierung bietet der ehemalige Zivilschutzbunker im Kasseler Osten genau das, was viele Bands und Solomusiker als Grundlage für ihr Schaffen benötigen: 70 solide Proberäume mit Größen zwischen sechs und 42 Quadratmetern, ein Tonstudio und einen Präsentationsraum.
Ein neuer Fahrstuhl sorgt für Barrierefreiheit und dafür, dass sich auch schweres Equipment problemlos in alle Räume transportieren lässt.
Die Anbindung des Musikbunkers im Stadtgebiet ist ideal: Weniger als fünf Minuten liegt er von der Tramhaltestelle entfernt und verfügt über ausreichend eigene Stellplätze für Autos und Fahrräder.
Die heutige bauliche Qualität des Gebäudes bringt Rainer Mielke, Architekt und Mitinhaber, im Gespräch auf den Punkt: „Seine meterdicke ‚Schale’ sollte früher das Innere des Gebäudes vor dem Äußeren schützen. Nun ist es umgekehrt: Die Schale schützt das äußere Umfeld vor der regelmäßigen musikalischen Lautstärke, die mit dem Bandbetrieb einhergeht.“
Der Bunker im Dormannweg kam Ende 2016 in den Besitz der Bremer Investoren, deren Architekturbüro bundesweit zu den Pionieren gehört, was die Umnutzung dieser Spezialbauten angeht. Sowohl Wohnnutzungen wie auch kulturelle Nutzungen haben Mielke und Freudenberg in den vergangenen Jahrzehnten bereits realisiert.
Babylon Musikbunker: Ansicht Dormannweg (Nord-West-Ansicht), Foto: N. Klinger
Kulturelle Stadtentwicklung mit nationaler Wahrnehmbarkeit
Über das Kulturamt der Stadt Kassel, das die kulturelle Entwicklung des Standorts seit 2017 intensiv begleitet und unterstützt, waren die Investoren seinerzeit zu der lokalen Kooperation mit dem Rockbüro Kassel gekommen. Diese ziehen nun ihre bisherigen Proberäume von der Agathofstraße in den Dormannweg um und fungieren auf rund der Hälfte der Fläche als Ankermieter.
Eine inhaltlich und strukturell gelungene Partnerschaft, wie Kulturdezernentin Susanne Völker hervorhebt: „Der heutige Auftakt des Babylon Musikbunkers macht die erfolgreiche Zusammenarbeit der Bremer Investoren Mielke und Freudenberg mit dem Rockbüro e.V. und der Stadt Kassel weithin sichtbar. Neben den Musikerinnen und Musikern, die hier ihre neue Heimat finden werden, profitiert unsere Stadt als Ganzes nachhaltig von dieser kulturellen Stadteilentwicklung. Dafür gilt allen Beteiligten herzlicher Dank.“
Im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts Kasseler Osten nimmt die Umnutzung des voluminösen Gebäudes eine besondere Rolle ein.
„Unterstützt durch das Förderprogramm „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ ist es uns als Stadt möglich, eine nachhaltig positive Entwicklungen in den Stadtteilen Unterneustadt und Bettenhausen anzustoßen oder herausragende Projekte mit besonderer nationaler Wahrnehmbarkeit und hoher Qualität umzusetzen. Der Babylon Musikbunker setzt hierzu, was die Etablierung von Projekten aus dem Bereich Kultur betrifft, ein deutliches Signal“, wie Stadtbaurat Christof Nolda betont. Mit Städtebaufördermitteln ließ sich die notwendige Ausweitung des Strom-Netzanschlusses finanzieren, damit die Musikräume im Parallelbetrieb jederzeit über ausreichend Strom verfügen.
Babylon Musikbunker: Detailansicht Eingangsbauwerk, Foto: N. Klinger
Ein musikalisches Produktionszentrum für alle
Eine Menge Arbeit liegt mittlerweile hinter den Kooperationspartnern, ebenso viel noch vor ihnen. Nach dem öffentlichen Auftakt am 8. Juli geht es nach Abschluss letzter Feinarbeiten im August richtig los.
Für den Verein Rockbüro Kassel kommt mit der Inbetriebnahme eine langgehegte Vision auf die Zielgerade: langfristig gesicherte Musik- und Proberäume in attraktivem Zustand und mit guter stadtweiter Anbindung.
Thilo Trumpoldt und Klaus Macpolowski vom Vorstand des Vereins sehen das besondere Potential des Babylons auch im Aufbau eines kulturellen Netzwerks, was die Nutzer untereinander sowie den Musikbunker mit dem Stadtteil und anderen Kultureinrichtungen im Stadtteil und in der Stadt verbindet.
So bieten die 70 Musikräume hinreichend Kapazität für rund 100 Bands, da manche Musiker ihre Räume gerne mit Kolleginnen und Kollegen teilen. Mehr als 300 musikbegeisterte Profis und Hobbymusikerinnen und -musiker aller Richtungen und nahezu aller Generationen werden wohl im Babylon zusammenkommen.
Keller-, Erd- und erstes Obergeschoss mit über 30 Proberäumen übernimmt das Rockbüro in Eigenregie für die aktuellen und für zukünftige Mitglieder, die sich vor Ort starker engagieren wollen. Für die übrigen drei Geschosse übernimmt der Verein vor Ort die Verwaltung im Auftrag von Mielke und Freudenberg. Diese Räume werden von den Bremern direkt vermietet.
Über den jährlichen Bandcontest hinaus sind regelmäßige Vernetzungstreffen, ein jährliches öffentliches “Babylonfest” sowie Musikpräsentationen der Bands vor Ort geplant. Für Stadtteilfeste und andere Anlässe sieht sich der Verein als idealer Kooperationspartner für das Musikprogramm und beispielsweise die Koordination der Technik.
Klaus Macpolowski und Thilo Trumpoldt freuen sich, dass ihr Verein seine über 20-jährige Kulturarbeit im Stadtteil Bettenhausen fortsetzen und mit dem großen Standort sowie der positiven Eigentümerkooperation jetzt inhaltlich deutlich ambitionierter gestalten und ausweiten kann.
Babylon Musikbunker: Detailansicht leerer Proberaum, Foto: N. Klinger
Noch freie Proberäume!
Wer einen Raum sucht, um an seinen Sounds zu feilen, für Theater oder Bläserensemble, zum 24/7 Schlagzeug spielen oder um Dienstags um 4 Uhr morgens mal die Bässe so richtig hoch zu fahren, meldet sich im Rockbüro!
Kontakt: mail(at)rockbuero-kassel.de
Babylon Musikbunker: Das Initiatorenteam
v.l.n.r. : Thilo Trumpoldt und Klaus Macpolowski (Rockbüro Kassel e.V.),
Claus Freudenberg und Rainer Mielke (Mielke+Freudenberg Vermietung GbR) vor dem „internationalen Schutzzeichen des Zivilschutzes“ am Bunker, Foto: N. Klinger
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Der Babylon-Musikbunker
Das Bremer Architektenduo Mielke und Freudenberg spezialisierte sich nach ersten Projekten in Bremen auf Bunkerumnutzungen und verfügte vor dem Kasseler Projekt bereits über Erfahrungen mit dem Betrieb von „Musikbunkern“. Wegen seiner inneren Struktur und den beiden vorhandenen Treppenhäusern bot sich der Bunker im Dormannweg als ideal für ein solches Projekt an.
Mit dem Rockbüro Kassel e.V. fanden die Investoren den idealen Partner für den Betrieb des Musikbunkers, der im Vergleich zu anderen Projekten inhaltlich weit über eine normale Raumvermietung hinausgeht.
Name und Logo „Babylon Musikbunker“ entstanden in Zusammenarbeit mit dem Kasseler Büro Krastev+Krastev und basieren visuell auf dem prägnanten Grundriss des Gebäudes mit seinen Eingangs-Schutzbauwerken. Das sprichwörtliche „babylonische Sprachgewirr“ im einstigen urbanen Zentrum des Altertums ist hier adaptiert auf die Mischung aus unterschiedlichen Musikinstrumenten und Musikstilen, die den Standort wesentlich prägen werden. Die dezente Farbpalette orientiert sich an markanten Eigenheiten des Standorts: der Gelbton im Logo beispielsweise ist dem (denkmalgeschützten) phosphorisierenden Leuchtstreifen der Bunkerflure entnommen.
Info: www.rockbuero-kassel.de
Der Rockbüro Kassel e.V.
Hauptaufgabe des 1993 gegründeten Vereins ist die Förderung der Jugendkultur im Bereich Musik. Dies leistet der Verein, den die Stadt Kassel 1999 mit ihrem Kulturförderpreis auszeichnete, hauptsächlich durch das Managen vom Proberäumen (bisher 180 Musikerinnen und Musiker im Bunker Agathofstraße), durch Altersgruppen übergreifende Vernetzungsangebote sowie durch den Verleih von Technik.
Durch einen jährlich stattfindenden Nachwuchsmusikwettbewerb fördert der Verein in Kooperation mit anderen Akteuren und der Stadt Kassel junge Musikschaffende darüber hinaus.
In die seit 2015 laufendes Planungen zum Umbau des Hochbunkers im Dormannweg war der Rockbüro Kassel e.V. von Beginn an eingebunden. Zum Sommer hin bezieht der Verein die neuen Räumlichkeiten im Dormannweg.
Info: www.rockbuero-kassel.de
Der Hochbunker im Dormannweg
… ist einer von sechs Hochbunkern im Stadtgebiet in Kassel. In den 1930er-Jahren gebaut, ahmt das sogenannte Schutzbauwerk mit seinen über zwei Meter dicken Betonwänden und seiner angedeuteten Etagengliederung ein großes städtisches Haus nach. Seine Erbauer wollten damit die Erkennbarkeit als Schutzraum verhindern, um solche Objekte nicht zu leicht zum Ziel von Luftangriffen zu machen.
Während des Kalten Krieges erfuhr der massive „Betonklotz“ noch in den 1980er-Jahren eine umfassende Modernisierung zum Schutz vor Angriffen mit ABC-Waffen und war damit technisch auf dem Stand der Zeit.
Nach Ende des Kalten Krieges wurden solche Bunker in den 1990er-Jahren bundesweit aus dem Zivilschutz entlassen, was neue Nutzungsmöglichkeiten eröffnete. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) vermarktet diese Liegenschaften.
Babylon Musikbunker: Detailansicht (Nord-West-Ansicht), Foto: N. Klinger
Babylon Musikbunker: Detailansicht denkmalgeschützte Eingangstür, Foto: N. Klinger