Gebrauchte Bauteile lassen sich weiternutzen!
Bauschaffende stehen bei der Einsparung von Treibhausgasen im Bausektor vor hohen Hürden. Die Baustoff- und Materialbörse Kassel gGmbH beginnt Strukturen aufzubauen, um die Wieder- und Weiterverwendung von Bauteilen in Kassel und Region zu stärken.
Im vergangenen Sommer treten immer wieder Passant:innen an einen Bauzaun in der Fiedlerstraße. Sie beobachten, wie die Steinfassade eines Gewerbegebäudes unter Getöse in Schutt zerbricht. Oder wie danach malmende Bagger mit langen Hälsen Wände, Fenster und Heizungen herausbrechen und ungewöhnliche Einblicke in die Innenräume schaffen. Bei solchen Abrissprojekten bereitet die “Baustoff- und Materialbörse Kassel gGmbH” (BauMaB) zukünftig den schadensfreien Rückbau von wiederverwendbaren Bauteilen vor, um sie vor der Zerstörung zu bewahren. Die Idee dazu begann im Jahr 2021 als Maßnahmenvorschlag des Klimaschutzrates. Nach drei Jahren der Vorbereitung erhält die Maßnahme nun städtische Fördergelder und kann in Form der gGmbH die Arbeit aufnehmen!
Eine essenzielle Infrastruktur bereitstellen
Zuspruch für die BauMaB kommt vom Architekturbüro foundation 5+ architekten BDA, Kassel. Das Büro hat mit dem „Urban Mining“, also der Wiederverwendung von beispielsweise Heizkörpern oder Fassadenteilen aus alten Bauwerken beim Bauprojekt „Suffizienzhaus U10“ im Martini-Quartier experimentiert. Architekt und Bauherr Matthias Foitzik berichtet: „Das Bauen mit wiederverwendeten oder aussortierten Bauteilen mit vernachlässigbaren Mängeln stellt den Planungsprozess auf den Kopf. Viel Aufwand und Engagement hat uns da vor allem die Beschaffung der Materialien und die Koordination der Zwischenlagerung gekostet. Wir freuen uns daher auf ein wachsendes Angebot der Baustoff- und Materialbörse in Kassel, welches uns ermöglicht, mit gebrauchten Bauteilen effizient und frühzeitig planen zu können.“
Abrissprojekte machen Ressourcenverschwendung eindrücklich erlebbar, wie hier im Sommer 2024 in der Fiedlerstraße.
Foto: Melissa Schmidt
Wege zur Klimaneutralität gemeinsam ebnen
Anfang 2025 öffnet die Baustoffbörse ihre Tore zum Lagerverkauf gebrauchter Bauteile wie Fenster, Holz-, Keramik- oder Metallwaren in der Hafenstraße 76, neben dem unterneustädter OBI-Baumarkt. Zusätzlich arbeitet die BauMaB an der Systematisierung von Vermittlungsdienstleistungen für wieder- und weiterverwendungsrelevante Bauprodukte und konzipiert Lern- und Austauschformate für Personen aus Planung, Handwerk und Forschung. Damit soll der städtische Auftrag erfüllt werden, die Kreislaufwirtschaft im Bausektor strukturell mit aufzubauen und quantifizierbare Treibhausgas-Einsparungen zu erzielen.
Parallel konzipiert die BauMaB einen Lernort, der besonders Kinder und Jugendliche auffordert, Charme und Geschichte gebrauchter Bauteile zu entdecken und kreatives, handwerkliches Geschick zu entwickeln. Ein wichtiger Baustein stellt die Inklusion von Menschen mit Behinderungen und Lernschwierigkeiten in den eigenen Betrieb dar, sowie die langfristige Teilhabe über neue Ausbildungsberufe.
Die Linie zum Kreis biegen
Der Blick hinter den Bauzaun in der sommerlichen Fiedlerstraße deutet auf weitere Aspekte der Linearwirtschaft: Grob sortierte Berge an zerstörten Baumaterialien wachsen, das Bauwerk schwindet. Die aufgewandte Primärenergie, die Ressourcen der Baumaterialien und Landflächen für die Deponierung gehen verloren. Barbara Stahl von der „Deponie Kirschenplantage“ des Landkreis Kassels unterstreicht: „Vor dem Hintergrund sinkender Deponiekapazitäten wird es zukünftig immer wichtiger, Akzeptanz für wiederverwendete Baumaterialien zu schaffen und den raren Deponieraum für gefährliche Baustoffe wie Asbest, oder Mineralfasern vorzuhalten, die vor allem in Bauwerken in der Zeitspanne zwischen den Nachkriegsjahren bis zur Jahrtausendwende vorkommen.“ Es gilt die Linie zum Kreis zu biegen – zirkuläre Bau- und Planungskultur braucht einiges an Umdenken, Umlernen und Umstrukturieren. Die Baustoffbörse in Kassel möchte der Dreh- und Angelpunkt für die Transformation in Stadt und Region sein und freut sich, nun offiziell zu beginnen.
Das Team der Baustoff- und Materialbörse Kassel gGmbH vor dem Eingang zur Lagerhalle – v.l.n.r.: Fabian, Hans, Jan, Melissa, nicht auf dem Bild zu sehen ist Gerhard.
Foto: Jan Heise
An der Hafenstraße 76 eröffnet die BauMaB im kommenden Jahr ihren ersten Lagerstandort und lädt zum Entdecken ein.
Foto: Melissa Schmidt
5.11.2024
Zur Autorin:
Melissa Schmidt ist ausgebildete Tischlergesellin und Studentin der Stadtplanung an der Uni Kassel. Sie begleitet die Entstehung der BauMaB seit knapp zwei Jahren.
Baustoff- und Materialbörse Kassel gGmbH
Hafenstraße 76
34125 Kassel
Email: newsletter@baumab-kassel.de
Website: baumab-kassel.de [online ab 01.12.2024]
Telefon : 0171 1780059