Neuausrichtung am Staatstheater Kassel

Der designierte Intendant Florian Lutz und die künftigen Spartenleiter:innen stellen ihre Konzeption vor.

Neuer Schwerpunkt auf kooperative, spartenübergreifende, ortsspezifische und partizipative Arbeitsweisen.

Von links: Barbara Frazier, Thorsten Teubl, Ann-Kathrin Franke, Florian Lutz, Kornelius Paede, Patricia Nickel-Dönicke, Francesco Angelico, © Marina Sturm

Nach 17 Jahren erfolgreicher Intendanz von Thomas Bockelmann, der zugleich die Schauspieldirektion innehat, steht am Staatstheater Kassel ab der Spielzeit 2021-22 ein Intendanzwechsel und damit eine künstlerische Neuausrichtung bevor. Im Rahmen einer Pressekonferenz am 10. März hat der designierte Intendant Florian Lutz zusammen mit den künftigen Spartenleiter:innen erläutert, wie Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Konzert und Junges Staatstheater Plus ab der kommenden Spielzeit konzipiert sind und zusammenarbeiten werden.

Ein Schwerpunkt der Neuausrichtung ist ein breites Angebot an partizipativen Projekten, in denen das Publikum zum Teil des künstlerischen Ergebnisses wird; daneben sind Produktionen an ungewohnten Orten außerhalb der angestammten Theaterräume geplant sowie spartenübergreifendes Arbeiten, darunter ein großes interdisziplinäres Projekt aller Sparten von Schauspiel über Musiktheater bis Tanz zusammen mit bildender Kunst und kreativen Technologien anlässlich der documenta 15.
 
Musiktheater: Mit Florian Lutz übernimmt ein profilierter Opernintendant die Bühnenleitung: Seit 2003 hat er sich einen Namen als Opernregisseur gemacht und von 2016 bis 2020 als Intendant in Halle dafür gesorgt, dass sich die Oper Halle zu einem „der aufregendsten Musiktheaterhäuser Deutschlands“ entwickelte (Christine Lemke-Matwey 2017 in der ZEIT). Dementsprechend liegt ein starker Akzent der Neuausrichtung auf der Oper, die Florian Lutz zusammen mit Generalmusikdirektor Francesco Angelico künstlerisch verantworten wird. Sie leiten die Sparte gemeinsam im Team mit Kornelius Paede (Chefdramaturg Musiktheater) und Ann-Kathrin Franke (künstlerische Produktionsleiterin). Sowohl Paede als auch Franke haben bereits in Halle mit Florian Lutz zusammengearbeitet. Die neue Opernleitung steht für ein „Theater des Erlebnisses“, das in neuen Raum-Anordnungen und Bühnen-Konstellationen darauf zielt, über die vielen bereits vorhandenen Musik- und Opern-begeisterten Zuschauer*innen hinaus neue und möglichst auch jüngere Menschen für das Musiktheater begeistern zu können.
Anknüpfend an die große Tradition des Musiktheaters im 19. Jahrhundert, verstehen Florian Lutz und sein Team die Oper als Ort des gesellschaftlichen Diskurses, in dem staatspolitische Fragen erörtert und zugleich unterhaltsam auf die Bühne gebracht werden. Folgende Schwerpunkte werden daher das Programm in den nächsten Jahren prägen: Werke zeitgenössischer Komponist*innen und offene Formen im Musiktheater, Klassiker in starken und prominenten zeitgenössischen Regie-Handschriften sowie partizipative Projekte – Musiktheater für und mit den Menschen der Stadt.
 
Schauspiel: Die designierte Schauspieldirektorin Patricia Nickel-Dönicke, die zugleich auch Chefdramaturgin der Sparte wird, steht für die kontinuierliche Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Autor*innen sowie die Einbindung zeitgenössischer Texte und Themen in den Spielplan und unterschiedliche Festivalkontexte. Mit ihrem Team wird Nickel-Dönicke in verschiedensten Produktionen und Vermittlungsformaten das Profil des Schauspiels klar politisch positionieren. Dabei setzt sie ebenso auf eine Vielfalt künstlerischer Handschriften wie auf neue Erzählformen und neue Perspektiven auf Klassiker wie auf interdisziplinäre Performances und Reihen als Begegnungsmöglichkeiten mit dem Publikum. Ein Beispiel ist die geplante Uraufführung von Michel Decars „Tausend deutsche Diskotheken“, die im Serienformat und in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Kassel dem Clubsterben begegnen wird.
Darüber hinaus sind im Schauspiel mehrere Festivals geplant: Das mit zeitgenössischer Dramatik angereicherte Festival FAST’N’DRAMADAN macht das Theater während des Ramadans zum sozialen Treffpunkt. Ende Mai 2022 verwandelt das transdisziplinäre Festival „INBETWEEN – Theater zwischen Vorstellung und Ausstellung“ die Räume des Theaters zu Ausstellungs- und Performanceorten zwischen darstellender und bildender Kunst auf der Suche nach einer Vision für die Zukunft des Theaters.
 
Tanz: Die maximale Bandbreite zeitgenössischer choreografischer Handschriften, Stilistiken und Ästhetiken zu zeigen, ist das Anliegen des designierten Tanzdirektors Thorsten Teubl. Der Tanz präsentiert sich in Kassel zukünftig als kuratorisches Modell ohne feste:n Chefchoreograf:in. Thorsten Teubl legt seine Schwerpunkte auf die Präsentation der internationalen Vielfalt von Zeitgenössischem Tanz, auf Uraufführungen in den drei Spielstätten Opernhaus, Schauspielhaus und TiF und auf die Umsetzung neuer künstlerischer sowie partizipativer Formate und Strukturmodelle im Sinne von Diversität, Inklusion und Teilhabe. Mit Thorsten Teubl kehrt ein ausgewiesener Tanzexperte ans Staatstheater Kassel zurück, der hier bereits von 2009 bis 2018 als Dramaturg und stellvertretender Tanzdirektor maßgeblich am Aufbau und der Ausrichtung der Sparte beteiligt war.
 
Junges Staatstheater +: Unter der Leitung von Barbara Frazier heißt das Junge Staatstheater künftig JUST + – und das ist vielfältig zu verstehen. Ab der kommenden Spielzeit wird die Sparte verstärkt, es gibt Theaterpädagog*innen für alle Sparten – so, wie auch der Spielplan des JUST + Produktionen aus allen Sparten umfasst und darstellende Kunst in allen Facetten vermitteln und präsentieren will – und dies für die Jüngsten ebenso wie für die Ältesten im Publikum. Das JUST + wird zudem maßgeblich an dem partizipativen Modell des Staatstheaters Kassel mitwirken und in Projekten mit Bürger:innenbeteiligung auf allen Bühnen verwirklichen – und zugleich sich in die Stadt hineinbegeben, um Barrieren abzubauen.

Pressemeldung Staatstheater Kassel