Contra-Meinung
Contra-Meinung von Hermann-Josef Rapp, pensionierten Forstbeamter und unermüdlichen Werber für Wald, Natur, Naturschutz, Nachhaltigkeit, die Region und deren Entwicklung lesen Sie >> hier
Zwei Positionen: Pro und Contra Windanlagen im Reinhardswald.
Pro-Meinung von Helga Weber
An einem schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien geht kein Weg vorbei!
Die jüngsten Nachrichten des Weltklimarats bestätigen es: Die zerstörerischen Konsequenzen der Erdüberhitzung müssen gestoppt werden. Die Hälfte der Menschheit ist heute schon durch Katastrophen hochgradig gefährdet.
Und jetzt ist noch ein weiteres Argument zwingend geworden: Die Abhängigkeit von russischem Gas, Öl und Kohle darf nicht länger Deutschland erpressbar machen und die Überweisungen nach Russland dürfen nicht länger Putins Krieg finanzieren. Bei aller Dramatik ist dennoch eins sicher: Deutschland kann diese Herausforderungen meistern. Nicht mit längerer Laufzeit der Atomkraftwerke, nicht mit längerer Laufzeit der Kohlekraftwerke. Aber mit Energie aus Wind und Sonne! Ein enormer Ausbau der Erneuerbaren Energien ist erforderlich! Der Zubau von Windkraft muss vervielfacht werden, ebenso der Zubau von Photovoltaik.
Dazu müssen alle Bundesländer ihren Beitrag leisten. Wind offshore und Solarenergie aus dem Süden reichen nicht aus, um den künftigen Bedarf zu decken. Hessen hat zwei Prozent der Landesfläche in den Regionalplänen als Vorranggebiete für Windparks ausgewiesen. Diese Ausweisung erfolgte anhand eines umfangreichen Kriterienkatalogs, der technische, infrastrukturelle, rechtliche, wirtschaftliche und ökologische Aspekte berücksichtigt. Auf anderen Flächen dürfen keine Windräder gebaut werden. Zu den so festgelegten geeigneten Flächen gehören auch die Höhenzüge im Reinhardswald, für die jetzt die Genehmigung für den Bau von 18 Windkraftanlagen erteilt worden ist.
Weniger als ein Tausendstel der Gesamtwaldfläche
Umfangreiche Windmessungen – über die Dauer eines Jahres hinweg – haben ergeben, dass mit hohen Winderträgen gerechnet werden kann; und die zahlreichen gründlichen naturschutzfachlichen Untersuchungen haben festgestellt, dass den Anforderungen an Naturund Landschaftsschutz entsprochen werden wird. Diese Untersuchungen nehmen in der Regel wegen ihrer detaillierten Anforderungen mehr als ein Jahr in Anspruch.
Der WP Reinhardswald wird etwa 90 Prozent des Strombedarfs der Haushalte des Landkreises Kassels erzeugen. Mit weiteren Windparks und dem nötigen Ausbau der Photovoltaik ist also der Bedarf Nordhessens komplett zu decken – auch dann, wenn Wärme und Mobilität künftig Strom brauchen.
Die Flächen, auf denen der Windpark errichtet wird, umfassen weniger als ein Tausendstel der Gesamtwaldfläche des Reinhardswaldes. Auf diesen Arealen, die als „Wirtschaftswald“ in der Nachkriegszeit mit Fichten bepflanzt wurden, um schnelle Erträge zu erzielen, sind durch Sturmschäden und Borkenkäfer in den vergangenen Jahren große Kahlflächen entstanden. Deshalb müssen für den Windpark und die Zuwegung nur wenige Bäume gefällt werden.
Natürlich müssen für die Errichtung der Windanlagen Wege befestigt und Aufstellflächen geschaffen werden. Für die Versiegelung der dauerhaft genutzten Flächen sind Kompensationsmaßnahmen und Ersatzaufforstungen Pflicht.
Das häufig vorgebrachte Argument, die CO2-Speicherfunktion des Waldes stehe dem „angeblichen“ Klimaschutz durch Windräder entgegen, stimmt nicht: Der Windpark spart über 2.000-mal mehr CO2 ein, als die durch den Bau versiegelte Waldfläche jährlich binden würde. Damit nutzt der Windpark dem Klimaschutz und somit indirekt auch dem Erhalt unserer Wälder.
Die alten Buchen- und Eichenbestände des Reinhardswalds, häufig als „Märchenwald“ bezeichnet, werden durch die Windanlagen nicht angetastet und auch die Sababurg ist nicht betroffen.
Filigrane Wahrzeichen für eine Rückgewinnung von Unabhängigkeit
Mit dem Bau dieses Windparks ist in erheblichem Maß wirtschaftliche Wertschöpfung für die Region verbunden: Über die Gewerbesteuereinnahmen für die Haushalte der Gemeinden hinaus werden die Winderträge den Stadtwerken der Region und den Gemeinden Immenhausen, Grebenstein, Fuldatal und Trendelburg, die am Bau und Betrieb des Windparks beteiligt sind, zugute kommen. Ebenso können sich Bürgerinnen und Bürger der Region beteiligen. Damit fließt der Ertrag nicht international aufgestellten Konzernen zu – nicht „Heuschrecken“ und nicht Oligarchen.
Sicherlich werden von verschiedenen Orten aus die Windanlagen sichtbar sein und das Landschaftsbild verändern. Das sehen manche Gegner des Windparks als Verschandelung der Landschaft. Abgesehen davon, dass alle baulichen Eingriffe in die Umwelt Veränderungen hervorrufen – man denke nur an die Auswirkungen durch den Bau der A 44! – können die Windräder am Horizont auch ganz anders wahrgenommen werden: als filigrane Wahrzeichen einer gelungenen Energiewende und als Dokumente für eine Rückgewinnung der Unabhängigkeit in der Energieversorgung.
Die Entscheidung für Wind und Sonne ist unverzichtbar und sie ist unsere große – und einzige – Chance! In Nordhessen, in Deutschland und ebenso weltweit.
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02.06.2022
Helga Weber, ehrenamtliche Stadträtin der Grünen und Mitglied im Vorstand der Bürger Energie Genossenschaft Kassel & Söhre eG
Auch in der StadtZeit 109, April/Mai-Ausgabe zu lesen >> hier