
Die Gärten der Zukunft anlegen!
Neue Anbauformen für Gemüse und Obst gewinnen mit dem
Klimawandel an Bedeutung. Eine davon ist der Schlüssellochgarten.
Mein Zuhause ist ein winziges Dorf auf dem Land. Hier gibt es viele Familiengärten, in denen der Gemüsebedarf selbst angebaut wird. Die Herausforderungen unserer Zeit sind natürlich auch in dieser scheinbaren Idylle präsent. In der dörflichen Yogagruppe tauschen sich alle vor Beginn gerne aus, die Themenvielfalt ist so bunt und blühend wie die Beete in den Gärten des Dorfes. Seit einer Weile drehen sich viele Gespräche um die Wasserknappheit. Regionale Lösungen werden gesucht, denn die zunehmende Hitze und fehlende Feuchtigkeit erfordern dringend eine neue Gartenkunst. Die Gedanken ranken sich auch um ein anderes Verständnis von Pflanzen und um ein besseres Wissen über den Erfindungsreichtum der Natur. Als der Respekt vor der Weisheit der pflanzlichen und tierischen Mitwelt zur Sprache kommt, wird es kurz leise. Es scheint wohl notwendig, der klimatischen Veränderung auf mehreren Ebenen zu begegnen und die eigene innere Einstellung zur Natur zu prüfen. Es schwebt ein klein wenig Ratlosigkeit im Raum herum. Wir beschließen, in der Yogasession diesem Thema eine längere Meditation zu widmen. Dann wird es wieder lebhafter, denn wir erinnern uns an ein vergangenes Gartengespräch, in dem bereits schon einmal eine neue, alte Idee aufgetaucht war. Die Schlüssellochgärten!
Die Natur ist klug und zeigt uns, wie es geht.
Je deutlicher die Wirkungen des Klimawandels sind, je erfindungsreicher wird der Gemüseanbau angepasst. Gleichzeitig entwickelt sich eine intensive Aufmerksamkeit für Zusammenhänge. Zum Bei spiel mit der Permakultur, die seit den 1970er Jahren ein Konzept für Landwirtschaft und Gartenbau etabliert. Ökosysteme und natürliche Kreisläufe werden beobachtet und die Erkenntnisse auch für die Gewinnung von pflanzlicher Nahrung genutzt. Die nachhaltige Lebensweise und Landnutzung bildet in der Permakultur den Mittelpunkt und bringt fortlaufend aktuelle Ergebnisse ins Spiel. Seit einer Weile treten in diesem Kontext Schlüssellochgärten als Alter native zu den hier bekannten, klassischen Hausgärten in Erscheinung. Der „Keyhole Garden“ ist global weit verbreitet: Regionen, denen wenig Wasser zur Verfügung steht, schätzen diese kostengünstige und ertragreiche Selbstversorgerlösung.
Die besten Ideen verwirklichen.
Die Beete werden als Hochbeete meistens rund angelegt, mit einem Durchmesser von etwa drei Metern und einer Höhe von etwa 80 Zentimetern. Es gibt in der Mitte ein Element, das wie ein Trichter bis zum Grund des Beetes reicht und dessen Befüllung mit pflanzlichen Abfällen die Versorgung des umliegenden Erdreiches mit der notwendigen Düngung gewährleistet. Diese Mitte kann über ihre Funktion hinaus optisch ganz wunderschön gestaltet werden. Jedes Beet hat einen Einschnitt, der den Weg zum Zentrum bildet, ähnlich einer Torte, der schon ein Stück fehlt. Oder eben wie ein stilisiertes Schlüsselloch. Die Wände der Konstruktion können aus Holz, Metall, Steinen, Ziegeln und ähnlichem sein, je nachdem, was zur Verfügung steht oder als schön empfunden wird. Die Befüllung erfolgt in Schichten. Zunächst eine Drainage aus Schutt, Gestein oder groben Ästen. Es folgt eine Schicht aus Häckselgut um die Drainage nach oben hin abzuschließen. Dann eine Lage Grünabfälle und darauf Kompost oder Dung. Und nun die Muttererde, angereichert mit Feinkompost oder Holzasche. Der Komposttrichter in der Mitte braucht zuerst ein paar Steine und etwas Holz. Nun können die Ab fälle nach und nach eingefüllt werden, wobei von tierischen Fetten, Fleisch oder Knochen unbedingt abgeraten wird, da sich sonst unangenehme Gerüche entfalten, die vermehrt Aasfresser anlocken.
Regenerative Lösungen sind einfach.
Das Wunder zum Schluss: Die Bewässerung erfolgt ausschließlich über die Trichtermitte. Dafür wird sehr wenig Wasser benötigt. Das Brauchwasser aus dem Haushalt genügt. So kann beispielsweise Wasser, das zum Putzen von Gemüse benutzt wird, gesammelt und zur Gartenbewässerung verwendet werden. Im Beet verteilt es sich kontinuierlich mit den kompostierten Nährstoffen aus dem Trichter in die Erde und gelangt direkt an die Wurzeln. Günstig ist auch eine ganzjährige Bodendeckung, wie zum Beispiel Rindenmulch. Das beugt übermäßiger Verdunstung vor und fördert die biologische Vielfalt im Mikrokosmos des Beetes. Mit einem Schlüssellochgarten gelingt fruchtbarer Anbau unabhängig von der Bodenbeschaffenheit des Standortes. Ganzjährig gedeiht allerfeinste Nahrung auf kleinster Fläche ohne künstliche Düngung oder Pestizide und ohne intensive Bewässerung. In der Yogagruppe ist es beschlossene Sache. In diesem Jahr wird es ausprobiert. Und schon beginnen die Gespräche darüber, welche Gemüsesorten sich mögen und welche nicht und wer, wann, wo und mit wem…. Vorfreude!
02.05.2025
Die Autorin Eva Keller
steht mit ihrer Initiative forum8 für regenerative Lebensformen, innere und äußere Transformation, für Sterbekultur und für die gemeinsame Entwicklung von Zukunftskompetenzen. Dafür öffnet sie Vertrauens- und Lernräume und bietet Workshops und Coachings an.
Diesen Artikel auch zu lesen in der StadtZeit-Ausgabe 123, Frühjahr 2025, S.44
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