Apothekerin streicht das M-Wort aus dem Namen ihres Ladens
In Berlin ist es die M-Straße, anderswo heißen Apotheken so. Doch das M-Wort gilt als rassistisch: In Nordhessen wird nun eine Apotheke ihren Namen ändern.
Die Apothekerin Cordula Stark begann ihre Tätigkeit in der M-Apotheke Hofgeismar im Jahre 2014, damals als Filialleiterin. Schon zu dieser Zeit gab es Überlegungen die Apotheke umzubenennen, aber das Apothekenteam entschied sich damals mehrheitlich dagegen. Auch im Jahre 2019, als Frau Stark Eigentümerin der Apotheke wurde, überwog noch die Skepsis.
Die Bedenken speisten sich auch aus diesen Geschichten, die schon seit Jahrzehnten kursieren. Die Ehrung afrikanischer Medizin beispielsweise, oder die Huldigung des Heiligen Mauritius. Gemeinsam mit dem Hinweis „es wäre doch gut gemeint“ dienen sie als Standartrechtfertigungen für das M-Wort in Apothekennamen.
Zudem gab es ihres Wissens auch nie eine Beschwerde, zumindest in Hofgeismar schien sich also kein Mensch am Namen der Apotheke zu stören. Außerdem gibt es in ganz Deutschland M-Apotheken, Hofgeismar ist da keine Ausnahme. Nicht zu vernachlässigen sind natürlich auch die Kosten, die mit einer Umbenennung einhergehen. So wurden die Pläne einer Umbenennung immer wieder zurückgestellt.
Im Sommer 2020, als die „Black Lives Matter Bewegung“ in Deutschland auf ihrem Höhepunkt war, wurden auch die Stimmen der Kritiker*innen wieder lauter. Diese blieben auch von der Apothekerin nicht ungehört.
Nun kamen auch Zweifel an diesen seit Jahrzehnten kursierenden Geschichten in ihr auf, schließlich stehen sie zueinander im Widerspruch und keine lässt sich zweifelsfrei belegen. Sich diesem Thema nicht zu widmen, nur weil noch andere M-Apotheken existieren, kam für sie nicht mehr in Betracht.
Cordula Stark wählte einst ihren Beruf um Menschen dabei zu unterstützen ihre Gesundheit zu erhalten. Der Gedanke daran es bestünde die Möglichkeit Menschen durch den Namen der Apotheke verletzen zu können bereitete ihr zunehmend Sorge. So entschloss sie sich tiefgehender mit dieser Thematik zu befassen. Zudem bot sie über die Homepage ihrer Apotheke die Möglichkeit an, sich diesbezüglich mit ihr in Verbindung zu setzen. Dieses Signal, vorgebrachten Argumenten offen und vorbehaltlos zu begegnen, richtete sich vor allen an die Betroffenen. Und es blieb nicht unbemerkt.
Wenn der Gang zur Apotheke zur rassistischen Erfahrung wird.
Schon bald darauf meldete sich eine junge Schwarze Frau aus Hofgeismar bei ihr. Sophia Longwe schrieb in ihrer E-Mail an die Apothekerin welche Gewaltwirkung vom M-Wort ausgeht und wie verletzend der Apothekenname für Schwarze Menschen ist. Frau Stark berührte diese Nachricht und die beiden Frauen verabredeten sich zu einem persönlichen Gespräch.
Ähnlich wie zuvor bei dem Bonner Apothekeninhaber Rüdiger Hartong leitete also auch hier der Dialog mit einer betroffenen Person den Wandel ein. Nach dem persönlichen Austausch mit Frau Longwe entschloss sich Cordula Stark ihre Apotheke umzubenennen.
Im Juni 2021 wurde in der benachbarten Großstadt Kassel offiziell anerkannt, dass jegliche Verwendung des M-Wortes, also auch in Apothekennamen, rassistisch ist. Der Antrag zur Ächtung des M-Wortes wurde von den demokratisch gewählten Vertreter*innen der gesamten Kasseler Bürgerschaft beschlossen.
Seit Frau Stark Eigentümerin der Apotheke ist kam es zu Umbenennungen in Kiel, Gütersloh, München, Bonn und Frankfurt. In Berlin wird die M-Straße samt U-Bahn Haltestelle umbenannt, vieles ist im Wandel.
All diese und weitere Nachrichten bestärkten Cordula Stark in ihrem Entschluss die Apotheke umzubenennen. Die Kosten dafür ist sie bereit zu tragen, auch der erhebliche Arbeitsaufwand der damit auf sie zu kommt schreckt sie nicht ab.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar, nicht ohne Grund ist dieses Menschenrecht das höchste Gut unserer Verfassung. Finanzielle Interessen dürfen dem nicht vorstehen, kein Mensch soll durch den Namen meiner Apotheke entwürdigt werden. Es ist höchste Zeit für eine Umbenennung.“ Dies war das Statement von Cordula Stark in unserem letzten Gespräch.
Im Juni 2022 wird die Apothekerin heiraten und ihre damit verbundene Namensänderung nimmt sie zum Anlass auch den Namen ihrer Apotheke zu ändern. Wer mehr über Frau Stark, ihre Beweggründe und den neuen Namen ihrer Apotheke erfahren möchte, sollte sich am 20. Mai um 19:00 Uhr nichts vornehmen.
Neuer Name wird im Mai verkündet
An diesem Abend findet eine Vortragsveranstaltung „Sprache und Rassismus – und warum wir darüber sprechen müssen“ mit Frau Professorin Dr. Susan Arndt im ruruHaus der documenta15 in Kassel statt. Frau Stark verkündet an diesem Abend erstmals den neuen Namen ihrer Apotheke und erläutert ihre Motivation den Namen ihrer Apotheke zu ändern.
Veranstalter sind das Amt für Chancengleichheit der Stadt Kassel und die Projektinitiative SIDE BY SIDE Nordhessen.
Zur Teilnahme an dieser Veranstaltung ist eine Anmeldung über die Stadt Kassel erforderlich:
Stabsstelle „Amt für Chancengleichheit“ E-Mail-Adresse: chancengleichheit@kassel.de
Bitte geben Sie bei der Anmeldung an, ob Sie die Veranstaltung im ruruHaus besuchen oder Online teilnehmen möchten.
Autor dieses Artikels ist Thomas Hunstock. Der Artikel erschien ursprünglich am 25.4.2022 in der Berliner Zeitung.
26.04.2022
Beitrag des mittendrin Autors Thomas Hunstock
Herr Hunstock schreibt als Gastautor für die Frankfurter Rundschau, den Stern und die Berliner Zeitung