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Bundestagswahl 2025: Acht Fragen an Boris Mijatovic, Bündnis 90/Die Grünen
Die mittendrin-Serie mit Kassels Kandidatinnen und Kandidaten zur Bundestagswahl am 23. Februar.
Welche politischen Ziele halten Sie für die kommende Legislaturperiode als unverzichtbar und warum?
Drei Schwerpunkte sehe ich: Wirtschaft anpacken und neue Ideen umsetzen, mit Klimaschutz können wir Wohlstand für alle generieren. Ich finde, dass wir die notwendigen Veränderungen mit Engagement und Zuversicht angehen sollten. Das Zweite ist: Wir brauchen mehr Europa, nicht weniger. Wer jetzt wieder Schlagbäume und Grenzen hochziehen möchte, wickelt die EU ab. Das ist nicht gut für Deutschland, und das ist auch nicht gut für unsere persönliche Freiheit. Und das Dritte ist die Investition in unsere Infrastruktur, sei es unsere Bildung oder der Verkehr. Wir haben zwar die Schuldenbremse in den letzten Jahren gehalten, aber das auf Kosten von Schulen, Brücken und unserem Bahnverkehr. Darum müssen uns überlegen, wie wir heute in die Sicherheit, die Energieversorgung und die Bildung investieren, damit unser Land wieder funktioniert.
Wie möchten Sie dabei sicherstellen, dass Ihr Wahlkreis von den bundespolitischen Entscheidungen profitiert?
Zum einen möchte ich erreichen, dass Kassel und Nordhessen noch stärker von der Lage im Herzen der Republik profitiert. Das beginnt beim Schienennetz der DB, mit Deutschland-Ticket und guten Anbindungen. Kassel ist gut erreichbar für nachhaltige Ideen, gute Jobs, wichtige Konferenzen und mit sehr attraktiven Kulturräumen ausgestattet. Ich bin ein großer Kassel Fan und werbe für den Herkules, wo ich kann. Dafür ist zum zweiten das Engagement der Menschen einfach herausragend und schon heute gut geeignet, um bundesweit Anziehungskraft zu erzeugen. Ich will diese Kasseler Initiativen in Berlin mit der Politik verknüpfen und so das Engagement an der richtigen Stelle weiter stärken. Das gilt im Regionalmanagement für Unternehmen genauso, wie im sozialen Bereich für positive Projekte und die großartige Arbeit vieler Einrichtungen.
Was bedeutet der Wahlkreis Kassel für Sie persönlich? Gibt es eine besondere Geschichte, die Sie mit der Region verbinden?
Nordhessen hat eine großartige Naturlandschaft und mit den Märchen der Brüder Grimm die passenden Erzählungen. Mir macht es großen Spaß, mit dem Fahrrad diese Region zu durchradeln, auch wenn es mal hoch und runter geht. Oder auch die Fulle entlang nach Hann. Münden zum Eis essen oder schwimmen gehen. Für mich bleiben die Erlebnisse auf den Fußballplätzen in den Umlandgemeinden bleibende Erinnerungen, weil wir mit Dynamo Windrad beim Auswärtsspiel in Eiterhagen auf der Söhrewaldkampfbahn oder in Helsa immer eine besondere Begrüßung hatten.
Die Wahlbeteiligung ist ein wichtiges Thema. Wie wollen Sie vor allem junge Leute und potenzielle Nichtwähler*innen motivieren, an der Wahl teilzunehmen?
Indem ich klar mache, dass Politik eben kein fernes Geschäft in geheimnisvollen Zirkeln ist. Politik beginnt in unserem Lebensalltag. Wenn Jugendliche ihre Interessen nach einem Basketballplatz oder Schutzräumen für junge Frauen benennen, machen sie eine politische Forderung auf. Diese Forderung müssen wir in der Politik aufnehmen und diskutieren. Ich bin sehr froh, dass wir mit dem Jugendgremium eine weitere Möglichkeit geschaffen haben, dass junge Menschen sich und ihre Anliegen in politische Debatten in der Stadt einbringen können. Genauso wichtig ist es, die Ausbildung junger Menschen weiterhin zu fördern und die erste Ausbildung staatlich zu finanzieren. Ich möchte nicht, dass der Lebensweg nur vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Wer eine Ausbildung anfängt oder studiert, muss genug zum Leben und Lernen haben. Dafür ist das Bafög weiter zu reformieren, ist die Ausstattung mit Lehrmitteln zu verbessern und die Mietsituation dringend zu erleichtern.
Am Ende geht es um die eigene Zukunft. Da macht es schon einen Unterschied, welche Parteien regieren. Und wer im Kanzleramt arbeitet. Entsprechend kann ich allen jungen Menschen nur zurufen: Nutzt diese Chance! Und ich bin dafür, dass wir das Wahlalter auch für Bundestagswahlen auf 16 Jahren absenken.
Welche Rolle spielt für Sie politische Kompromissbereitschaft, wo ziehen Sie die Grenzen davon?
Kompromisse gehören zum Leben. Das gilt in der Politik ebenso wie in der Schule oder in der Familie. Du kannst nicht Deinen Willen zum einzigen Maßstab machen. Ohne Kompromisse ist ein soziales Leben gar nicht vorstellbar. Genauso ist es in der Politik. Demokratische Parteien müssen miteinander reden und politische Entscheidungen aushandeln. In Österreich sehen wir derzeit, was passiert, wenn wir Kompromisse nicht mehr schaffen und damit Ergebnisse und Entwicklungen verhindern. Am Ende legen extreme Parteien in den Wahlen zu und vermitteln den Eindruck, dass muss jetzt mal eine starke Hand machen. Das darf nicht passieren. Nicht in Österreich, nicht in Deutschland, nicht in Europa. Daher werbe ich sehr dafür, dass wir im demokratischen Rahmen immer gesprächsfähig bleiben und nicht alle möglichen Koalitionen ausschließen. Die Grenze liegt natürlich bei extremen Parteien, die sich gegen das Grundgesetz stellen. Diese dürfen niemals wieder Teil einer Regierung werden.
Gibt es ein Erlebnis aus Ihrer Kindheit oder Jugend, das Ihre politische Haltung geprägt hat?
Nicht wirklich ein einziges Erlebnis. Eher so eine Reihe von Ereignissen. Ich habe eine intensive Zeit in der Schule gehabt und mich sehr für die Geschichte der NS-Zeit interessiert. Wie konnte es zum industriellen Massenmord an Menschen jüdischen Glaubens, an Asozialen, an Homosexuellen und vielen anderen Gruppen kommen? Woher kam dieser Führerwahn? Und dann natürlich die Kriege im ehemaligen Jugoslawien. Das war grausam zu sehen, wie Bomben an Orten in Sarajevo einschlugen, die ich kannte. Wie Menschen fliehen mussten, vor Krieg und Zerstörung. Menschen, die ich zum Teil kannte oder deren Verwandte vermisst oder sogar getötet wurden. All das mit der Frage, woher kommt der Hass? Woher diese gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit? Wieso töten sich Menschen, die gerade noch Nachbarn waren?
Wenn Sie einem politischen Vorbild aus der Geschichte eine Frage stellen könnten, wer wäre es, und was würden Sie fragen?
Haha, das gäbe es sicher viele. Aber sicher sehr weit oben auf meiner Liste stünde Desmond Tutu, der südafrikanische Erzbischof, der in der 1990er Jahren die Wahrheitskommission geleitet hat. Ich habe großen Respekt vor solchen Prozessen und finde es bis heute eine der spannendsten Lektüren zu Fragen der Versöhnung und Aussöhnung in Gesellschaften, die kurz zuvor noch in Apartheid gelebt haben. Leider ist er 2021 im Alter von 90 Jahren verstorben. Dennoch würde ich ihn gerne fragen, was sein Geheimnis war, diese schwierige Situation mit so großer Weisheit und Anmut leiten zu können. Seine Antwort würde vermutlich sehr trivial ausfallen, etwa „Trink jeden Tag eine gute Tasse Tee“ aber das würde ich gerne überprüfen. Desmond Tutu durfte ich einmal treffen und es war ein sehr spaßiges Erlebnis, ihm zuzuhören.
Stellen Sie sich vor: Wir schreiben das Jahr 2029. Ihre Legislaturperiode neigt sich dem Ende zu und es wird ein Blick auf ihre Arbeit im Bundestag geworfen. Mit welchem Wort oder Satz sollte diese aus ihrer Sicht beschrieben werden?
„Engagement und Zuverlässigkeit: Bei allem Wandel, auf Boris Mijatovic war und ist Verlass – in Berlin wie in Kassel.“
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Boris Mijatovic, Bündnis 90/Die Grünen, Foto: Rafael Michel
12.02.2025
Wahl-O-Mat
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat auch zur diesjährigen Bundestagswahl den Wahl-O-Mat veröffentlicht. Alle 29 Parteien, die zur Wahl antreten, haben die 38 Wahl-O-Mat-Thesen beantwortet. Das Online-Tool ermöglicht den Vergleich eigener politischen Standpunkte mit den Antworten der Parteien. Es handelt sich jedoch um keine Wahlempfehlung, sondern dient lediglich als Informationsangebot über Wahlen und Politik. Er soll die politische Meinungsbildung unterstützen, ersetzt aber nicht die ausführliche Auseinandersetzung mit den Programmen und Kandidierenden der Parteien.