Der Neuling
Dr. Sven Schoeller setzt voll auf Klimapolitik. Er will Kassel nachhaltig machen und etwas mehr Sozialpolitik.
Eine konsequente Fortführung seiner Entwicklung in der Kommunalpolitik – so beschreibt Dr. Sven Schoeller seinen Weg zum Oberbürgermeisterkandidaten der Kasseler Grünen. Dabei dürfte seine Kandidatur selbst Kenner der Kasseler Stadtpolitik überrascht haben.
Parteiämter hatte der grüne OB-Kandidat vorher jedenfalls nicht inne. Sven Schoeller sieht sich deshalb als politischer Quereinsteiger. Die Kasseler Grünen wählten ihn dennoch mit 95 Prozent der Stimmen zu ihrem Oberbürgermeisterkandidaten. Begünstigt wurde dieses Ergebnis wohl aber dadurch, dass andere geeignete Kandidatinnen ihren Hut nicht in den Ring warfen, wie die HNA berichtete.
Große Klimaziele, unklare Details
Sven Schoellers Programm steht ganz im Zeichen des Klimaschutzes. Seine Vision ist es, Kassel zur ersten deutschen Großstadt machen, die ihren Energiebedarf vollständig aus regionalen Energiequellen deckt. Schoeller fordert deshalb, dass die städtischen Werke künftig günstige Pachtmöglichkeiten für Solaranlagen anbieten. Hausbesitzern will er damit hohe Investitionskosten für Photovoltaikanlagen ersparen. Der Grünen-Politiker plant zudem, das Kasseler Fernwärmenetz auszubauen und Haushalte konsequent an das Fernwärmenetz anzuschließen.
Zur Finanzierung seiner Pläne fordert der grüne OB-Kandidat einen „nachhaltigen“ Haushalt. Nachhaltig bedeutet für Schoeller, den Erfolg des Haushaltes am Erreichen konkreter Nachhaltigkeitsziele zu messen und nicht mehr an Haushaltsüberschüssen. Unklar bleibt dabei, ob Schoeller damit mehr Kreditfinanzierung fordert oder eine andere Priorisierung bei der Verteilung von Haushaltsmitteln plant.
Schoeller plant zudem eine Verbesserung des Rad- und Fußgängerverkehrs. Diesen möchte Schoeller sicherer machen, so dass sich Menschen auf umweltfreundlichem Wege genauso komfortabel fortbewegen können, wie mit dem Auto. Für den öffentlichen Nahverkehr fordert Schoeller eine deutliche Erweiterung des Netzes. Eine Strategie zur Gewinnung neuer Fachkräfte, die dafür dringend benötigt werden, fehlt indes.
Mehr grüne Wirtschaft und etwas Sozialpolitik
Schoeller möchte die regionalen Unternehmen fit für die Anforderungen der Zukunft machen. Dafür plant er einen „regionalen Zukunftsrat“. Wirtschaftsverbände und Forschungseinrichtungen sollen hier eng kooperieren und Strategien für die Zukunft entwickeln. Mit dem Bau eines Erneuerbare-Energien-Gewerbezentrums, möchte Schoeller den Klimaschutz zudem als „Marktchance” für Kassel nutzen.
In der Sozialpolitik will Schoeller der Kinderarmut den Kampf ansagen. Ein bedarfsgerechter Ausbau von Wohnungen soll für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen. Die Bildung plant Schoeller durch mehr Fachkräfte und Ganztagsbetreuung zu verbessern.
Arbeitsmarktpolitische Forderungen bleiben indes eine Randerscheinung in Schoellers Programm. Auch zum Thema Obdachlosigkeit und zu sicherheitspolitischen Fragen, findet sich im äußerst umfangreichen Programm des grünen OB-Kandidaten nichts. Dr. Sven Schoellers Fokus ist der Klimaschutz. Er ist die übergeordnete Prämisse, die das gesamte Programm formt. Leerstellen mögen sich wohl auch daraus erklären.
Biografie
Dr. Sven Schoeller wurde 1973 in Göttingen geboren und arbeitet als Rechtsanwalt für Strafrecht. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Kirchditmold und ist seit 2010 Mitglied der Kasseler Grünen. Bei der Kommunalwahl 2021 errang er ein Mandat als Stadtverordneter und ist seitdem verkehrs- und rechtspolitischer Sprecher der grünen Fraktion.
15.02.2023
Porträts zur OB-Wahl
Die Kandidatinnen- und Kandidatenporträts sind ein Kooperationsprojekt der Redaktion des StadtZeit Kassel Magazin mit Prof. Dr. Wolfgang Schroeder, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel. Angehende Politikwissenschaftler:innen, die bei Prof. Dr. Schroeder studieren, haben die Porträts unterstützt von der StadtZeit-Redaktion verfasst.
Der Autor:
Leon Kaiser studiert Politikwissenschaft und Soziologie. Daneben arbeitet er als studentische Hilfskraft am Fachbereich „Poltisches System der BRD“ an der Universität Kassel. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit den Themenbereichen Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik und Rechtsextremismus.