Kennen Sie eigentlich die Deutsche Post in Kassel?
Eine Glosse von Sabine Kohn
Wieder mal zwanzig Leute vor dir in der Schlange, nur ein Schalter besetzt, der Kontoauszugsdrucker meldet Papierstau, der Geldautomat gibt keine Scheine raus, zieht dafür aber deine EC-Karte ein …
Den Laden, der alle Herzen höher schlagen lässt? Der für ordentlich Puls sorgt, wenn der Kontoauszugsdrucker mal wieder Papierstau anzeigt, falls überhaupt Papier drin ist? Nein? Das ist der mit den vielen Menschen, die lange anstehen müssen, um bedient zu werden. Manchmal stehen die sogar bis zur Straße raus, weil drinnen nur ein Schalter geöffnet ist. Bisschen wie in der DDR früher, wenn‘s Bananen gab. Ach der, werden Sie sagen. Klar, den Laden kenne ich. Der ist irgendwo in der Innenstadt, oder? Da bin aber selten, ich geh immer zum Kiosk, zu ‘ner Postbank Filiale oder zu REWE, da gibt’s DHL, das reicht mir. Gut für Sie. Aber ich meine keine Postbank-Filialen, sondern Die Post, die mit dem Horn. Wo man hin muss, wenn’s mal wichtig wird im Leben. Wenn du eine Unterschrift für dein Postgirokonto beglaubigen lassen musst, dein Name sich geändert hat, du deine Kontoauszüge ausdrucken lassen möchtest, wenn du also mehr willst als Briefmarken kaufen oder Geld abheben. Dann musst du da hin. Zur Post? Ja, zur Post. Da müssen Sie dann extra in die Stadt? Genau. In Kassel gibt es nur noch eine Post, die nennt sich Hauptpost. Das suggeriert, es gäbe noch Neben-Posten, oder? Ich kann Sie beruhigen, das stimmt nicht. Die gab’s zwar mal, die wurden aber aufgelöst. Wegen des Geldes munkelt man. Die Post hat nicht so viel davon, die muss sparen. Am Personal, an Gebäudemieten, an allem halt. Die muss schließlich auch sehen, wo sie bleibt, die Post. Ja, und jetzt? Keine Ahnung. In Kassel gibt’s circa 200.000 Einwohner, da reicht eine Post, also eine Hauptpost, oder? Schließlich kommen ja nicht 200.000 Leute auf einmal. Heute geht auch alles online, da braucht es keine Schalter mehr. Und Menschen, die einen beraten, auch nicht. Kann man doch alles googeln heute. Wenn’s in jedem Stadtteil eine Post gäbe, so wie früher, stellen Sie sich das mal vor. Das ginge doch gar nicht. Das wäre doch für die Menschen viel zu einfach. Die in Wilhelmshöhe gingen früher zur Post in die Rolandstraße (die wurde zugemacht), in der Stadtmitte gab es die Post in der Friedrich-Ebert-Straße (die wurde … genau) und so weiter. Gut so, das führte sowieso nur zu Verwirrungen damals. Jetzt gibt’s nur die eine, da wissen alle Bescheid. Rein in die Bahn, in den Bus, ins Auto und los geht’s. Das belebt auch die Innenstadt, wissen Sie? Denn wenn ich schon mal am Königsplatz bin, kann ich doch gleich noch bisschen shoppen gehen. Oder im Dezember auf den Weihnachtsmarkt. Und ich kann beim Schlange stehen entschleunigen – slow down heißt das auf Englisch – ganz kostenfrei. Da brauchen Sie gar nicht lachen, für Slow-Down-Kurse zahlt man sonst richtig Geld. Also, Sie sehen, die Post hat sich was dabei gedacht. Die will uns nur Gutes, die denkt mit. Und vielleicht, ganz vielleicht legen die irgendwann auch Yogamatten im Wartebereich aus, das wäre doch toll. Dann könnten wir beim Warten Bhujangasana machen, die Cobra.
06.03.2023
Eine Glosse
von Sabine Kohn
Bild: onlinestreet.de