Klimaangst – wie ein Gefühl eine Generation bewegt
Die Klimakrise belastet auch unsere Psyche. Das Phänomen der Klimaangst betrifft viele junge Menschen. Doch ist sie auch ein potenzieller Ansporn, um positiven Wandel voranzutreiben.
Es ist Samstagabend, ich fläze mich in meinem Drehstuhl, in meiner Hand mein Smartphone. Darauf teilen sich vier kleine Bewegtbilder meiner Freund:innen den Bildschirm. Das regelmäßige Videotelefonat ist, seitdem wir uns immer weiter in alle Ecken der Welt verstreuen, ein Ritual geworden. Ein kleines Stück Heimat und Erinnerungen an alte Zeiten, auf dem Bildschirm, zum Mitnehmen. Wir reden über die Uni, die Arbeit, Gott und die Welt. Wir erzählen von unseren Erfahrungen der letzten Wochen, und da die meisten von uns mehr oder weniger engagiert im Klimaaktivismus sind, führen unsere Gespräche immer wieder zu einem Thema: der Klimaangst.
Eine neue Angst
Es ist ein relativ neuer Begriff, der das Gefühl von Angst und Sorge vor den Konsequenzen der Klimakrise beschreibt. Alternative Bezeichnungen wie „Climate Anxiety“ oder „Eco-Anxiety“ fassen ein Gefühl in Worte, welches die meisten 16 bis 25-jährigen Menschen empfinden.
Dass die Klimakrise sich, durch Hitzewellen und extreme Wetterbedingungen, negativ auf die Gesundheit von Menschen auswirkt, ist längst bekannt. Zum Phänomen, Klimaangst, welches sich auf die psychische Gesundheit konzentriert, ist die Studienlage jedoch dünn. Fest steht, diese Angst ist vor allem unter jungen Menschen besonders verbreitet. Im Gegensatz zu anderen üblichen Phobien, ist sie komplett rational begründet. Eine Ebene ist die Sorge, um die Auswirkungen von, Fluten, Dürren und weiteren Extremwetterphänomenen. Gefühle von Machtlosigkeit und fehlender Selbstwirksamkeit sind weitere Faktoren, die bei der Klimaangst eine große Rolle spielen.
Die Sorge ist begründet
Eine Studie der University of Bath stellte in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Hochschulen fest, dass 75 Prozent der Menschen zwischen 16 und 25 Jahren die Zukunft als beängstigend beschreiben würden, 59 Prozent sogar große Angst vor der Klimakrise haben. Zehn Prozent der Befragten, meinten, dass sie aufgrund der Klimakrise ihren Kinderwunsch überdenken.
Eine solche Entwicklung in der Jugend, sollte unserer Gesellschaft zu denken geben. Was wir in Prozentsätzen verschlüsselt vor uns sehen, ist eine zunehmend hoffnungslose Generation. Eine Generation, die in eine Zukunft blickt, in der die eigenen und zukünftigen Lebensgrundlagen zerstört sind. Was uns allen Angst machen sollte: Die Sorgen der jungen Menschen sind gerechtfertigt. Denn mit dem aktuellen Kurs steuern wir sehenden Auges auf eine katastrophale Zukunft, weit über dem 1,5-Grad-Ziel zu.
Achtung, bitte an dieser Stelle noch nicht den Kopf in den Sand stecken. Das hier soll keine Panikmache sein. Nein, dieser Text möchte dazu aufrufen, diese Sorgen ernst zu nehmen und darauf nicht nur leere Worte, sondern politische Entscheidungen folgen zu lassen.
Eine privilegierte Angst
Wichtig zu erwähnen ist jedoch auch, dass Klimaangst in gewisser Weise auch Ausdruck eines Privilegs ist. In vielen Regionen der Welt, vor allem im Globalen Süden, sehen sich Menschen nicht mit vagen Zukunftsszenarien, sondern mit den realen und längst angekommenen Folgen der Klimakrise konfrontiert. Der Blickpunkt, der in diesem Artikel gewählt wird, ist ein privilegierter, europäischer. Dieses Wissen hilft bei der akuten Bekämpfung der Klimaangst zwar nicht weiter, es ist jedoch immer wichtig sich diese Realitäten vor Augen zu halten. Dass wir in Deutschland die meisten Konsequenzen der Klimakrise nicht am eigenen Leib erleben müssen, ist ein großes Privileg und gleichzeitig eine große Ungerechtigkeit.
Eine motivierende Angst
Wie kann ich mit meiner Klimaangst umgehen? Prof. Dr. Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie, gibt folgende Ratschläge: Als erster Schritt ist es wichtig die Angst anzuerkennen und in gewisser Weise zu akzeptieren. Essenziell sei auch mit Menschen aus dem eigenen Umfeld darüber zu sprechen und seine Gefühle zu teilen. Manchmal kann die Klimaangst auch nützlich sein, als Motivation aktiv zu werden. Aktionen in Gruppen, wie beispielsweise Klimastreiks oder Demonstrationen helfen gegen das Gefühl der Sorge anzukämpfen. Die Psychologists for Future befürworten es, die Klimaangst als Motor für Engagement zu betrachten.
Und um die Klimaangst ein für alle mal zu beenden hilft natürlich nur eines: echter Umweltschutz. Im Endeffekt geht es nicht darum diese Angst zu überwinden, sondern ihre Ursache, die Klimakrise.
Meine Freund:innen und ich werden deshalb auch weiterhin auf Demonstrationen, Aktionen und Streiks auftauchen, denn unsere Ängste sollten nicht in unseren Telefonaten bleiben. Nein, wir tragen sie auf die Straße, bis die Politik sie nicht mehr ignoriert.
Illustration: Edda Rumpel
Autorin:
Edda Rumpel, 19, studiert an der Kunsthochschule Kassel Visuelle Kommunikation. Thematisch beschäftigt mensch sich mit Klimagerechtigkeit, Kunst und Kultur, Literatur und verschiedenen Ungerechtigkeitsproblemen. Die gebürtige Fränk:in ist in Kassel in der Klimagerechtigkeitsbewegung, und mit dem Fahrrad im Auepark unterwegs.