Im Baumarkt. Teil 1/3
Eine Glosse von Sabine Kohn
Wenn schreitest du zu großen Taten, lass vorher dich doch mal beraten.
In Kassel gibt’s einige Baumärkte, innerhalb der Stadt und auch im Industriegebiet in Waldau. Toll. Da fährst du hin und nette Menschen, die da arbeiten, helfen dir. Natürlich nur, wenn sie Zeit haben. Und finden musst du sie auch erst mal …
Kennen Sie dieses überwältigende Glücksgefühl, wenn man einen Baumarkt betritt? Wenn einem fast das Herz zerspringt vor Freude beim Anblick von Einschlagbodenhülsen, Kettensägen, Maul- und Ringratschenschlüsseln, Kombizangen, Vierkanthölzern, Dübeln, Schrauben und und und? Alles kannst du hier finden – im Schlaraffenland für Werkel-Freaks. Allerdings gibt’s ein klitzekleines Problem: Je größer der Markt, umso größer das Warenangebot und ergo der Beratungsbedarf. Hallo? Wo ist denn hier ein Mitarbeiter? Wo finde ich denn die Kollegin, die sich mit Schleifmaschinen auskennt? Ich weiß nämlich nicht genau, ob ich einen Schwingschleifer oder einen Exzenterschleifer nehmen soll. Ach super, da hinten läuft jemand, schnell mal hin…. Mensch, jetzt isse weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Mist. Na ja, macht nix. Ich hab heute Zeit mitgebracht, kein Stress, locker bleiben, weitersuchen. Ah, da … zu spät, da war jemand schneller als ich, der kriegt jetzt fachmännische Unterstützung und wie’s aussieht, kann das dauern. Eins .. zwei … drei … vier Eckstein, alles muss versteckt sein, fällt mir da gerade ein und ich summe leise vor mich hin. Das beruhigt die Nerven und lässt Humor ins Leben rein. Den braucht frau. Immer. Vor allem im Baumarkt. Also gut, dann mal zur Information. Nicht besetzt, aber ‘ne Klingel gibt’s. Draufdrücken, warten, sich schämen. Denn da kommt einer, und den hab ich gestört, das kann man sehen, der hat gaaaanz schlechte Laune. Mann, was ist denn jetzt schon wieder los, denkt der. Was will die denn. Miesepetriges Gesicht, ich entschuldige mich schon mal innerlich dafür, dass es mich gibt, hier im Baumarkt, zu dieser frühen Stunde und dass ich auch noch was kaufen möchte. Kommt mir jetzt irgendwie unanständig vor. Soll ich wieder fahren? Später noch mal vorbeikommen? Sei du nur froh, dass du nicht in den USA beschäftigt bist, denke ich, mit diesem Gesichtsausdruck könntest du dich dort keine Woche halten. Bei den Amis werden Kundenservice und Freundlichkeit so großgeschrieben, da kannste in Deutschland nur von träumen. In Kassel sowieso. Soll ich abbrechen? Nein, ich bleibe beharrlich. Der Miesepeter, schon etwas älter, reißt sich jetzt gerade zusammen, erinnert sich anscheinend, dass er hier angestellt ist und für sein Vorhandensein jeden Monat eine feste Summe an Euro auf seinem Konto vorfindet. Er setzt ganz plötzlich ein Wie-kann-ich-Ihnen-helfen-Gesicht auf und entscheidet sich für Barmherzigkeit, hört sich meine Frage höflich an. Während er mit mir spricht, überkommt mich auf einmal so ein heimeliges Gefühl. Genau, der erinnert mich an meinen Vater, der bekam früher auch ab und zu so eine sanfte Stimme und sprach dann betont langsam, wenn er mir als Kind was erklärt hat. Okay, verstehe, dafür kann der Info-Mann nichts, Mitgefühl steigt in mir auf. Die Zeitenwende, also nicht die scholzige, sondern die historische, hat er nicht mitbekommen. Aber wahrscheinlich tue auch ich ihm leid. Wir pädagogeln noch ein bisschen miteinander, bis er anfängt zu strahlen. Geh’n Se mal da hinten hin, Gang acht, da müsste jemand sein. Der weiß dann Bescheid. Super, geht doch, denke ich und Gang acht ist ja auch gleich da vorne. Auf meinem Weg dorthin kommt mir der Gang-Acht-Kollege schon entgegen und lächelt. Kann ich Ihnen helfen? Huch? Wurde ich dem bereits angekündigt? Beeindruckende Kommunikation in dem Laden hier. Der Rest läuft dann wie geschmiert, Beratung, Entscheidung – ich nehm doch den Exzenterschleifer, dazu die passenden Schleifscheiben – Bezahlung, Heimfahrt. Geschafft, Zeitlimit knapp unter einer Stunde. Meine Großmutter hatte recht: Gut Ding braucht Weile, hat die immer gesagt. Stimmt. Die braucht man. Fast immer. Aber vor allem in Kassel. Im Baumarkt.
… to be continued …
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