Im Baumarkt. Teil 3/3
Eine Glosse von Sabine Kohn
Im Westen nichts Neues*, aber im Osten.
In Kassel gibt’s einige Baumärkte, innerhalb der Stadt und auch im Industriegebiet in Waldau. Toll. Da fährst du hin und dir wird von netten Menschen geholfen. Natürlich nur, wenn sie Zeit haben und die Verständigung klappt. Du kannst aber auch ganz andere Wege gehen …
Obwohl … ich bin öfter mal in Leipzig. Da gibt’s auch Baumärkte, besonders einen mag ich. Wenn du da reinkommst, springt ein freundlicher Mensch auf dich zu, begrüßt dich und fragt dich, ob er dir weiterhelfen kann. Hä? Das erste Mal war ich geschockt und bin gleich einen Schritt zurückgewichen. Was will der jetzt von mir? Vielleicht ist das ‘ne Personen- oder Taschenkontrolle? Wie an Flughäfen? Im Osten weiß man ja nie. Nee, der war nur freundlich. Mich verunsichert das, ich komme aus Nordhessen. Der nette Begrüßungsmensch geleitet mich zu einer kompetenten Mitarbeiterin, die anscheinend nur auf mich gewartet hat. Spürbar darüber entzückt, dass es mich zu ihr verschlagen hat, lächelt sie mich an. Er „übergibt“, sie kümmert sich nun ausgiebig und rührend um mich, berät mich fachfrauisch. Ich entscheide mich für den Hochdruckreiniger im Angebot mit allen Zusatzdüsen und der Waschbürste, bezahle an der Kasse, mir wird ein schöner Tag gewünscht, der schwere Karton selbstverständlich zum Auto getragen. Ziemlich fischelant sind die da. Kennen Sie nicht? Nein, hat nichts mit Fischen zu tun, ist das eingesächselte Wort für vigilant. Kennen Sie auch nicht? Können Sie mal googeln. Also, vier bis fünf Mal im Jahr bin ich in Leipzig und bereits am zweiten Tag meiner Kurzurlaube sofort im Baumarkt. Habe meist eine lange Einkaufsliste mit. Neulich – als mir die sächsische Herzensgüte wieder mal unterkam – hab ich die Angestellte zur Seite genommen. Mal ganz unter uns, was ist denn hier los? Bekommen Sie mehr Gehalt für Freundlichkeit? Oder werden Sie erpresst? Bei den Arbeitsverhältnissen heutzutage weiß man ja nie. Erfahren habe ich, dass die da so was wie ein Bonussystem haben. Verstanden hab ich’s nicht so ganz, ist auch egal. Fest steht, ich werde dort als Kundin und nicht als Nervensäge oder Kleinkind behandelt, also bisschen amerikanisches Flair in Laipzsch. Wieder zu Hause angekommen, hab ich überlegt, ob ich dieses Konzept den Baumarktchefs in Kassel mal nahebringen sollte, das könnte doch vielleicht auch in Nordhessen…? Bin aber unsicher. Was, wenn die mich auslachen? Das gar nicht hören wollen? Ach, was soll’s, dann zieh ich eben um.
*Roman von Erich Maria Remarque
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